Kirch vs. Deutsche Bank: Wann ist ein Hauptversammlungsbeschluss nichtig?
Hintergrund
Aktionäre der Deutschen Bank klagten gegen mehrere Beschlüsse der Hauptversammlung im Jahr 2008 (u.a. die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern), weil die Einberufung zur Hauptversammlung unzutreffende Hinweise zur Bevollmächtigung enthalten hatte. In der Bekanntmachung der Einberufung hieß es, Bevollmächtigte, die die Aktionäre bei der Hauptversammlung vertreten sollten, seien „rechtzeitig anzumelden“. Eine vorherige Anmeldepflicht ergab sich jedoch weder aus dem Gesetz noch aus der Satzung der Deutsche Bank AG. Damit – so die Kläger – habe die Einberufung die Teilnahmebedingungen unrichtig dargestellt, was zur Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse führen müsse. Die Vorinstanzen sahen das ebenso und entschieden, dass die Hauptversammlungsbeschlüsse nichtig seien.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 19.07.2011, Az. II ZR 124/10)
Anders nun der BGH: Unrichtig dargestellt worden seien in der Einberufung nicht die Bedingungen der Teilnahme. Denn diese bezögen sich nur auf die Voraussetzungen der Teilnahme und der Ausübung des Stimmrechts durch den Aktionär selbst und nicht auf dessen Vertretung durch Bevollmächtigte. Die Vertretung in der Hauptversammlung sei lediglich eine Frage der Art und Weise der Teilnahme. Deren unrichtige Darstellung in der Einberufung führe jedoch nicht zur Nichtigkeit der später gefassten Beschlüsse.
Anmerkung
Hauptversammlungsbeschlüsse, die gegen gesetzliche oder satzungsmäßige Bestimmungen verstoßen, sind anfechtbar oder – bei besonders schwerwiegenden Verstößen - nichtig. Beschlussmängel, die zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen führen, können einerseits den Inhalt, andererseits das Zustandekommen des Beschlusses betreffen. Verfahrensfehler können wiederum den Ablauf der Hauptversammlung betreffen oder schon im Vorfeld der Hauptversammlung ihren Ursprung haben. So sind Beschlüsse einer Hauptversammlung nichtig, wenn die Einladung nicht an alle Aktionäre versandt oder in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht wurde oder wenn die Einberufung unrichtige Angaben über Zeit und Ort der Hauptversammlung enthält. Bei einer börsennotierten AG muss die Einberufung u. a. auch die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Versammlung und das Verfahren für die Stimmabgabe angeben. Bei bis zum 31.08.2009 stattfindenden Hauptversammlungen führten Fehler in diesem Bereich zur Nichtigkeit der später gefassten Beschlüsse. Durch eine Gesetzesänderung kommt seither nur noch die Anfechtbarkeit der Beschlüsse in Betracht.
Das Urteil hat den Streit innerhalb der Rechtsprechung darüber entschieden, wann sich aus dem Fehlen bestimmter Angaben oder Fehlern in der Einberufung Folgen für die Wirksamkeit der gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse ergeben können. Der BGH hat sich dabei für Zurückhaltung bei der Annahme nichtiger Beschlüsse entschieden. Dies ist angesichts der schwerwiegenden Folgen von Beschlussmängeln im Sinne einer höheren Bestandskraft von Hauptversammlungsbeschlüssen zu begrüßen. Diese Rechtsprechung liegt auch auf der Linie des Gesetzgebers, der bereits bei der Umsetzung der Aktionärsrichtlinie für nach dem 01.09.2009 einberufene Hauptversammlungen klargestellt hatte, dass unzutreffende Angaben über die Voraussetzungen der Teilnahme und die Ausübung des Stimmrechts nicht zur Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse führen, sondern allenfalls zu deren Anfechtbarkeit
Das Verfahren zeigt aber auch, dass bei der Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungen größte Sorgfalt und Vorsicht besonders dann geboten ist, wenn Streit zu erwarten oder bekannt ist, dass klagefreudige Aktionäre an der Gesellschaft beteiligt sind.
Rechtsanwälte Dr. Barbara Mayer, Dr. Sven Ufe Tjarks, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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