Kündigung eines Girokontos aus politischen Gründen

In ihren AGB behalten sich die Geschäftsbanken regelmäßig das Recht vor, eine Bankverbindung jederzeit unter Wahrung einer angemessenen Frist zu kündigen. Ist diese Bestimmung auch für die im Geschäftsleben unverzichtbaren Girokonten wirksam?

Zum wiederholten Male musste der BGH sich mit dieser Frage befassen. Der Buchvertrieb „Lesen und schenken“ unterhielt seit einiger Zeit ein Girokonto bei der Commerzbank.

Auffällig rechtslastiges Verlagsprogramm

Das Programm des Buchvertriebs war auffällig rechtslastig ausgerichtet, unter anderem wurde eine Reihe rechtsextremer Schriften vertrieben. Dies veranlasste die Commerzbank, die Bankverbindung im Jahre 2009 „aus grundsätzlichen Erwägungen“ mit einer sechswöchigen Frist zu kündigen. Darin sah der Buchvertrieb eine Diskriminierung und ging gerichtlich gegen die Kündigung vor.

Begründung der Kontokündigung nicht erforderlich

Der BGH hob in seiner Entscheidung den Grundsatz der Privatautonomie hervor. Nach Auffassung des BGH Senats war es der Bank aus Gründen der Vertragsfreiheit unbenommen, den Girovertrag ohne nähere Begründung zu kündigen. Wie jedem anderen privaten Teilnehmer am Geschäftsleben stehe es auch einer Bank frei, mit wem sie vertragliche Beziehungen unterhalten wolle und mit wem nicht. Die Wirksamkeit der entsprechenden AGB hänge auch nicht davon ab, dass dort eine Verpflichtung der Bank zur Abwägung der Kündigungsgründe und der Interessen des Kunden statuiert werde.

Keine Diskriminierung

Nach Auffassung des BGH hätte die Commerzbank die Kündigung sogar offen mit weltanschaulichen Differenzen zwischen ihr und ihrem Kunden begründen dürfen. Nach dem Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes seien Gründe der „weltanschaulichen Ausrichtung“ kein Anlass für die Annahme einer Diskriminierung.

Für Banken gelten andere Regeln als für Sparkassen

Der BGH betonte, dass eine Bank auch nicht unmittelbar an die Geltung der Grundrechte gebunden sei. Der Anwalt des Buchhändlers hatte auf ein Urteil des BGH hingewiesen, in welchem die Kündigung des Girokontos eines NPD Landesverbandes durch eine öffentlich-rechtliche Sparkasse wegen Verstoßes gegen Art. 21 GG (= Parteienprivileg) und Art. 3 Abs. 1 GG (= Gleichbehandlungsgrundsatz) für rechtswidrig erklärt wurde (BGH, Urteil v. 11.3.2003, XI ZR 403/01). Dieses für öffentlich-rechtliche Sparkassen geltende Urteil konnte nach Auffassung des BGH Senats nicht zum Vergleich herangezogen werden. Weder der dort maßgebliche Gesichtspunkt der Drittwirkung der Grundrechte noch das dort herangezogene Parteienprivileg seien im Falle des Buchvertriebs einschlägig.

Kein Kontrahierungszwang

Der BGH lehnt nach wie vor einen Kontrahierungszwang für Banken ab. Ein Verbot, ein Girokonto ohne sachliche Begründung zu kündigen, wäre nach Auffassung des BGH ein unzulässiger Eingriff in die Privatautonomie der Banken. Diese Rechtsauffassung kollidiert allerdings mit der Idee des Jedermann - Konto`s, auf das entgegen einer verbreiteten Meinung kein Anspruch besteht. Ohne ein solches Girokonto ist die Teilnahme am Geschäftsverkehr erheblich erschwert. Seit die Post privatisiert wurde, besteht auch dort kein Anspruch mehr auf Einrichtung eines Girokontos.

Prinzipielle Vertragsfreiheit der Banken

Allerdings hat der Zentrale Kreditausschuss der Bankwirtschaft eine Art Selbstverpflichtung der Banken statuiert, den Wunsch auf Einrichtung eines Girokonto`s nicht ohne triftigen Grund zurück zu weisen. Daneben verpflichten die Sparkassengesetzte in vielen Bundesländern (Bayern, Hessen, NRW) die Sparkassen zur Einrichtung eines Girokontos bzw. eines Pfändungsschutzkontos (P - Konto). Darüber hinaus bleibt es aber auch nach der jüngsten BGH-Entscheidung bei der prinzipiellen Vertragsfreiheit der Banken.

(BGH, Urteil v. 15.1.2013, XI ZR 22/12).


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