Anbieten eines No-Name-Produktes zum Nachfüllen eines Markenproduktbehälters
Das war die Kernfrage für die Entscheidung über das Vorliegen einer Markenrechtsverletzung:
- Erwartet der Nutzer Papier der gleichen Marke,
- wenn er Handtücher aus dem mit einem bekannten Namen gekennzeichneten Behälter zieht?
- Wäre dies zu bejahen, spräche das dafür, dass das zum Nachfüllen vertriebene „falsche“ Papier das Markenrecht des Papierspenders verletzt.
TORK-Produzent wirft Hersteller von Nachfüll-Papierhandtüchern Markenmissbrauch vor
Hygienepapierhersteller Essity ist Eigentümer bekannte Marken wie "Tempo" und "Zewa" sowie der eingetragenen Unionsmarke "Tork". Die Firma vertreibt u.a. Papierhandtuchspendersysteme und dazu passende Papierhandtücher.
Abnehmer sind meist Kunden aus Gastronomie, Industrie und Gesundheitswesen, in deren Waschräumen die Spender installiert sind, die von ihren Beschäftigten und Besuchern genutzt werden.
Konkurrent bietet No-Name-Nachfüllware für TORK-Spender an
Der Produzent von Hygieneprodukten "ZVN" bietet als Nachfüllware Papierhandtuchrollen an, mit denen die "TORK"-Handtuchspender ebenfalls befüllt werden können. Die nicht gekennzeichnete Papierhandtuchrollen tragen den Hinweis „passend auch für Tork-Spender“.
Markenschutz als Herkunftsnachweis
Der BGH hat nun festgestellt: Die Hauptfunktion der Marke sei die Gewährleistung der Herkunft der Ware. Diese Funktion sei hier beeinträchtigt,
- wenn für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher nicht oder nur schwer zu erkennen ist,
- ob die angebotenen Waren vom Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen
- oder aber von einem Dritten stammen.
OLG München sah bislang keine Markenrechtsverletzung
Das OLG München hat diesen Fall zurück auf den Tisch bekommen. Es hatte noch nicht einmal die Revision zugelassen und war sich in der Sache sicher, dass keine Markenrechtsverletzung vorliegt. Das Gericht hat v.a. darauf abgestellt,
- dass der Durchschnittsverbraucher mittlerweile daran gewöhnt sei,
- dass es bei vielen Waren Grundgeräte gibt, für die man Material braucht, das nicht vom selben Hersteller stammen muss (z.B. Kaffeekapseln, Staubsaugerbeutel, Druckertintenpatronen).
- Eine auf dem Gerät angebrachte Kennzeichnung werde er daher nur dann auch auf die enthaltene Ware beziehen, wenn dazu konkreter Anlass besteht (z.B. Bierzapfhähne oder Tanksäulen).
Als Durchschnittsverbraucher wähnten die Richter sich selbst und fühlten sich so ohne weitere Erhebungen in der Lage zu entscheiden.
BGH fordert gründlichere Prüfung
Der BGH ließ die Revision zu und rügt das Berufungsgericht für seine nur lückenhafte Prüfung. Es stimmt mit ihm darin überein, dass grundsätzlich eine Markenrechtsverletzung zu bejahen ist, wenn der Durchschnittsverbraucher bei einem Markenbehältnis zugleich auf Markenware darin schließen würde (Art.9 Abs.1 S.2 a) GMV). Ob das im konkreten Fall so ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die das OLG nicht genug berücksichtigt habe.
- So würde beispielsweise durch eine Zweitkennzeichnung der Nachfüllware die herkunftsweisende Funktion der Marke auf dem Behältnis für den Inhalt entkräftet.
- Erheblich könne sein, ob die Verbraucher die Container selbst befüllen.
- Auch die Bedingungen, unter denen die Nachfüllware ausgetauscht wird, müssten herangezogen werden.
- Dabei sind die Praktiken im jeweiligen Wirtschaftszweig einzubeziehen sowie der Umstand, ob die Verbraucher es gewohnt sind, dass das Behältnis mit Ware anderer Hersteller bestückt wird.
Umstände, die auf eine Markenrechtsverletzung hinweisen
Die vorstehenden Punkte sprechen hier mehr für eine Markenrechtsverletzung als dagegen:
- Die Handtücher waren nicht mit einem eigenen Namen versehen.
- Die Verbraucher befüllen die Behälter nicht selbst (anders als bei Kaffeekapseln etc.).
- Wie die Handtuchbestückung in der Praxis aussieht, müsste erhoben werden.
Gleichgültigkeit der Verbraucher bzgl. Markenqualität können Verletzung entfallen lassen
Letzte Hinweise am Ende der BGH-Entscheidung drehen den Wind allerdings wieder stark in die andere Richtung und lassen erahnen, dass das OLG München dies vielleicht dankbar aufgreifen und seine bisherige Entscheidung inhaltlich bestätigen wird:
- Es sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Handtüchern um ein Produkt im sog. AFH-Bereich (Away-from-home-Bereich) handelt, in dem Marken eine geringere Rolle spielten.
- Es gibt vielfältige Handtuchspender-Systeme.
- Möglicherweise wird bei Papierhandtüchern in öffentlichen Toiletten überhaupt nicht oder weniger auf Marken geachtet,
- zumal diese Produkte von den Verbrauchern nicht selbst gekauft werden.
M.a.W. die Marke der Handtücher sei den Verbrauchern schlicht egal, frei nach dem Motto: „Einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul.“
(BGH, Urteil v. 17.10.2018, I ZR 136/17)
Norm:
„Die [Union]smarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
- ein mit der [Union]smarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;
- ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der [Union]smarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die [Union]smarke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;
- ein mit der [Union]smarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die [Union]smarke eingetragen ist, wenn diese in der [Union] bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der [Union]smarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.”
(Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der UnionsmarkenVO Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009).
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