Offenkundigkeit des elektronischen Handelsregisters

Die Bezugnahme auf das elektronische Handelsregister, etwa durch Vorlage einer Kopie des Handelsregisterauszugs, reicht aus, um die Rechtsnachfolge für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nach § 727 ZPO zu belegen.

Hintergrund: Offenkundigkeit von Handelsregistereintragungen

Die Antragstellerin ist übernehmende Rechtsträgerin aus einer Verschmelzung. Als solche beantragte sie beim LG Hamburg, ihr eine vollstreckbare Ausfertigung eines gerichtlichen Vergleichs zu erteilen, der zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und der Antragsgegnerin geschlossen worden war. Die Rechtsnachfolge ergebe sich aus dem Handelsregister. Eine Kopie des Handelsregisterauszugs, aus dem sich die Verschmelzung ergibt, reichte sie zur Akte. Die Rechtspflegerin am LG Hamburg lehnte den Antrag ab. Die Rechtsnachfolge sei weder offenkundig noch sei die vorgelegte Kopie des Handelsregisterauszugs eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde. Die Rechtsnachfolge sei deshalb nicht entsprechend § 727 ZPO nachgewiesen.

Mit der sofortigen Beschwerde gegen diesen Beschluss verfolgte die Antragstellerin ihr Begehren weiter.

Der Beschluss des OLG Hamburg vom 16.12.2020 (Az. 6 W 24/20)

Die Beschwerde hatte Erfolg. Das OLG Hamburg stellt in seinem Beschluss zunächst fest, dass die Rechtsnachfolge nicht durch Vorlage einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde nachgewiesen sei. Die vorgelegte Kopie des Handelsregisterauszugs reiche insoweit nicht aus. Jedoch sei die Rechtsnachfolge offenkundig. Das beruhe darauf, dass die Eintragung im Handelsregister, aus der sich die Rechtsnachfolge ergibt, aus dem öffentlich im Internet zugänglichen Registerportal ersichtlich sei. Es liege Offenkundigkeit in Form der Allgemeinkundigkeit vor, weil das Handelsregister eine „allgemein zugängliche zuverlässige Quelle“ sei. Entscheidend sei auch, dass es sich bei dem Handelsregister um ein öffentliches Register handele, dessen Zweck darauf gerichtet sei, dem Rechts- und Geschäftsverkehr zuverlässig Auskunft über die darin enthaltenen Informationen zu geben. Nach Auffassung des OLG Hamburg sind Veröffentlichungen im Registerportal zudem mit einer Veröffentlichung in einem Ministerialblatt oder im Bundesanzeiger vergleichbar. Diese Veröffentlichungen habe der BGH für eine Offenkundigkeit im Sinne des § 727 ZPO ausreichen lassen. Einer besonderen Fachkunde, deren Erforderlichkeit einer Offenkundigkeit entgegenstehen könnte, bedürfe es jedenfalls dann nicht, wenn, wie im zu entscheidenden Fall geschehen, eine Kopie des Handelsregisterauszugs eingereicht sei. Denn dann seien sowohl das zuständige Registergericht als auch die Handelsregisternummer als auch die Firma bekannt, sodass eine Recherche im Registerportal ohne größere Fachkunde möglich sei.

Praxishinweis:

Mit seiner Entscheidung folgt das OLG Hamburg ausdrücklich nicht dem OLG Naumburg. Dieses entschied 2012 in einem vergleichbaren Fall, dass die Vorlage unbeglaubigter Handelsregisterauszüge nicht die Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge bewirke. Dem stehe entgegen, dass eine Recherche über das Registerportal besondere Fachkunde voraussetze. So sei Kenntnis von der Bedeutung der Abkürzung „HRB“, des zuständigen Gerichts sowie der Funktionsweise des Internetportals im Übrigen erforderlich. Es ist zu begrüßen, dass das OLG Hamburg diese realitätsfernen Einwände nicht gelten lässt. Die Kopie des Registerauszugs enthält alle relevanten Informationen, die für eine zielsichere Recherche im Registerportal erforderlich sind. Die Recherche dient letztlich auch nur der Kontrolle der bereits aus der unbeglaubigten Kopie ersichtlichen Tatsachen durch das Gericht. Hinzukommt, dass die Informationen zur Rechtsnachfolge in der kostenfrei zugänglichen Rubrik „VÖ“ (Veröffentlichungen) des Registerportals enthalten sind.

Offen bleibt aber, ob das OLG Hamburg auch solche Registereintragungen als offenkundig einstuft, die kostenpflichtig sind und für deren Bezug eine Registrierung erforderlich ist. Jedenfalls darf aber die Durchführung einer kostenfreien Recherche im Registerportal heutzutage auch von den für die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel zuständigen Rechtspflegern erwartet werden. Mit seiner Entscheidung misst das OLG Hamburg dem elektronischen Handelsregister einen hohen Stellenwert im Rechtsverkehr bei und ist ein weiterer kleiner Schritt in Richtung der Digitalisierung der Justiz.

Setzt sich die Ansicht des OLG Hamburg durch, wird der Nachweis der Rechtsnachfolge erheblich erleichtert, da kein beglaubigter Handelsregisterauszug mehr erforderlich ist, sondern die Vorlage einer unbeglaubigten Kopie genügt. Die Vorlage einer solchen Kopie ist jedoch dringend anzuraten, um dem Gericht eine zielsichere Recherche zu ermöglichen und damit die Offenkundigkeit zu bewirken. Wer jedoch sichergehen will, dass die Rechtsnachfolgeklausel schnellstmöglich erteilt wird, sollte spätestens auf Aufforderung des zuständigen Rechtspflegers eine öffentlich beglaubigte Kopie vorlegen, um ein ansonsten notwendiges Beschwerdeverfahren zu vermeiden. 

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Schlagworte zum Thema:  Handelsregister, Vollstreckung, Digitalisierung