Rügeobliegenheit auch bei Durchlieferung an Nichtkaufmann

Einen Käufer trifft auch dann die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 HGB, wenn der Verkäufer auf Anweisung des Käufers die Ware unmittelbar an einen Dritten liefert. In diesem Fall ist der Käufer auf die rechtzeitige Rüge seines Abnehmers angewiesen. Dies gilt auch dann, wenn der Abnehmer kein Kaufmann ist.

Hintergrund

Der Kläger und die Beklagte sind im Tischlereigewerbe tätig. Der Kläger erhielt den Auftrag, neue Hauseingangstüren in ein Wohnobjekt einzubauen. Der Kläger lieferte seinem Auftraggeber die Türen jedoch nicht selbst, sondern beauftragte die Beklagte mit der Lieferung und Montage der Haustüren. 2008 lieferte die Beklagte die Türen unmittelbar an den Auftraggeber des Klägers und baute sie in das Wohnobjekt ein. Im Oktober 2009 teilte der Auftraggeber dem Kläger mit, dass sich die Türen erneut verzogen hätten. Dies sei bereits im letzten Winter der Fall gewesen. Kurz darauf wurde die Beklagte von dem Kläger über die Mängel unterrichtet. Die Beklagte lehnte die Nacherfüllung ab.

Mit der Klage begehrt der Kläger Schadensersatz von der Beklagten. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sie führt an, dass der Kläger etwaige Mängel nicht rechtzeitig gerügt hätte, sodass die Ware als genehmigt anzusehen sei (§ 377 HGB).

OLG Köln, Beschluss v. 13.4.2015, 11 U 183/14 ZR

Der BGH verneinte eine Schadensersatzpflicht. Die Beklagte habe sich zu Recht auf die Genehmigungswirkung des § 377 HGB berufen. Nach § 377 HGB hat der Käufer die Ware unverzüglich zu untersuchen und etwaige Mängel unverzüglich anzuzeigen. An der Rügeobliegenheit des Klägers ändere auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte die Türen unmittelbar an den Auftraggeber des Klägers geliefert hat. Auch in diesem Fall treffe den Kläger die Rügeobliegenheit. Zeigt ihm der Endkunde etwaige Mängel jedoch nicht unverzüglich an, müsse er sich den daraus resultierenden Rechtsnachteil von der Beklagten entgegenhalten lassen. Dies gelte auch bei Durchlieferung an einen nichtkaufmännischen Abnehmer. Die Rüge des Klägers war vorliegend verspätet, da seinem Auftraggeber die Mängel bereits im letzten Winter bekannt gewesen waren. Dass der Kläger über die Mängel im letzten Winter nicht unterrichtet wurde, gehen zu seinen Lasten. Er habe darzulegen und zu beweisen, dass die Mängel unverzüglich untersucht und angezeigt worden sind. Die Ware gilt daher als genehmigt, sodass dem Kläger keine Schadensersatzansprüche zustünden.  

Anmerkung

Das OLG Köln stellt mit der vorliegenden Entscheidung klar, dass die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gem. § 377 HGB den Käufer auch dann trifft, wenn der Verkäufer auf Anweisung des Käufers die Ware unmittelbar an einen Dritten ausliefert (sog. Streckengeschäft). In diesem Fall kommt der Käufer mit der Ware physisch nicht in Kontakt, weshalb er die Untersuchung der Ware seinem Abnehmer überlassen kann. Dabei hat der Käufer jedoch zu beachten, dass es für die rechtzeitige Rüge gegenüber seinem Verkäufer nicht darauf ankommt, wann er von etwaigen Mängel durch seinen Abnehmer erfährt, sondern ob Mängel, die sein Abnehmer entdeckt hat, unverzüglich gerügt worden sind. Der Käufer ist daher auf die unverzügliche Anzeige etwaiger Mängel durch seinen Abnehmer angewiesen. Unterlässt der Abnehmer die rechtzeitige Rüge der Mängel, wird dem Käufer das Unterlassen zugerechnet. In der Folge kann der Käufer gegenüber seinem Verkäufer keine Gewährleistungsrechte geltend machen (§§ 478 Abs. 6 BGB, 377 HGB).

Praxishinweis

Dabei bestehen für den Käufer unterschiedliche Risiken, je nachdem, ob den Abnehmer selbst die Rügeobliegenheit nach § 377 HGB trifft oder nicht:

Sofern der Abnehmer Kaufmann ist, trifft auch ihn die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit. Kommt er dieser nicht nach, gilt die Ware gegenüber dem Käufer als genehmigt. In diesem Fall ist zwar auch die Rüge des Käufers gegenüber seinem Verkäufer zu spät (da der Abnehmer zu spät gerügt hat), sodass die Ware auch in diesem Verhältnis als genehmigt gilt, jedoch sieht sich der Käufer auch keinen Gewährleistungsansprüchen seines Abnehmers ausgesetzt. Das wirtschaftliche Risiko für den Käufer ist daher überschaubar. Lediglich dann, wenn der Abnehmer rechtzeitig rügt, der Käufer die Rüge jedoch nicht unmittelbar an den Hersteller weiterleitet, ist der Käufer Mängelansprüchen des Abnehmers ausgesetzt, wobei ihm zugleich ein Regress bei seinem Verkäufer abgeschnitten ist.  

Anders liegt der Fall, wenn der Abnehmer kein Kaufmann ist. In diesem Fall ist das wirtschaftliche Risiko des Käufers recht hoch. Rügt der Abnehmer etwaige Mängel sehr spät, berührt dies seine Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Käufer nicht. Allerdings tritt im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer die Genehmigungsfiktion ein, sodass der Käufer keinen Regress nehmen kann. Um die verbleibenden Risiken für den Käufer zu minimieren bieten sich verschiedene Vertragsgestaltungen an: Gegenüber seinem Verkäufer kann der Käufer etwa Regelungen festgesetzten, wonach

a) entweder die Rügeobliegenheit ganz oder teilweise ausgeschlossen wird oder

b) die Rügefrist in angemessenen Umfang verlängert wird.

Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies; Meike Kapp-Schwoerer, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg


Schlagworte zum Thema:  Obliegenheit, Schadensersatz