Schadensersatz für unverantwortliches AAA-Rating: Schwere Blamage

Geht es jetzt den Ratingagenturen an den Kragen? Zum ersten Mal hat ein (australisches) Gericht eine Ratingagentur für unverantwortbare Ratings haftbar gemacht. S&P soll geprellten Anlegern mehr als 30 Millionen australische Dollar Schadenersatz zahlen.

Die amerikanische Ratingagentur Standard & Poors (S&P) hatte vor der im Jahre 2008 hereinbrechenden Finanzkrise ein Reihe hochriskanter Investments mit einem TOP-Rating (AAA) versehen.

Faule Immobilienkredite gebündelt

In der Krise verloren zahlreiche Anleger einen Großteil ihrer Investments, in denen häufig eine große Anzahl fauler Immobilienkredite gebündelt war. 13 australische Stadtverwaltungen, die auf die Ratings vertraut hatten, haben S&P auf Zahlung von ca. 30 Mio australische Dollar (ca. 25 Mio €) Schadenersatz verklagt. Ein australisches Bundesgericht hat den Klägern nun Recht gegeben. Sollte sich die australische Rechtsauslegung auch anderen Orts durchsetzen, könnte das Urteil für S&P und auch für die andere Ratingagenturen dramatische Folgen haben.

Mit abwegige Bewertung Anleger in die Irre geführt 

Das australische Bundesgericht ging mit S&P hart ins Gericht. Die Bewertung der höchst komplexen und von Anfang an extrem risikoreichen Finanzprodukte und Derivatpapiere mit AAA sei geradezu absurd. Die Agentur habe die Anleger durch ihre irreführende und trügerische Bewertung regelrecht zum Kauf der Risikoprodukte animiert.

Wirtschaftprofessor Harald Scheule von der Universität für Technologie in Sydney betonte die Präzedenzfunktion des Urteils, mit dem zum ersten Mal in der Geschichte eine Ratingagentur für ein abwegig falsches Rating zur Verantwortung gezogen werde.

Auch in Deutschland wird es enger für S&P & Co

Bisher wenig beachtet ist der erste Schritt für die Klagemöglichkeit von Anlegern in Deutschland gegen Rating-Agenturen ebenfalls bereits vollzogen. Das OLG Frankfurt hat nämlich im letzten Jahr eine Klage mehrerer Anleger gegen S&P am Gerichtsstand Frankfurt für zulässig erachtet. Im Zusammenhang mit der Pleite des Bankhauses Lehman-Brothers hatten einige Anleger gegen S&P wegen irreführender Bewertung des insolvent gewordenen Bankhauses geklagt.

Die Anleger hatten im Vertrauen auf die unrealistisch positiven Ratings erhebliches Vermögen investiert und dann fast vollständig verloren. Der Rechtsstreit drehte sich zunächst um die Zulässigkeit der Klagen vor einem deutschen Gericht, die erstinstanzlich verneint worden war.

Das OLG Frankfurt sah jedoch den besonderen Gerichtsstand des Vermögens gemäß § 23 ZPO eröffnet. Zur Begründung verwiesen die Richter auf die von S&P bei der Deutschen Bank geführten Konten. S&P betreibt zur Zeit die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil (OLG Frankfurt, Urteil v. 28.11.2011, 21 U 23/11). Mit einer Entscheidung des BGH wird in den nächsten Wochen gerechnet. Die Chancen dürften sich durch das australische Urteil für die deutschen Anleger nicht verschlechtert haben.

S&P schwer enttäuscht

Die Ratingagentur zeigt sich sehr unzufrieden mit dem australischen Urteil. Der Anwalt der Gemeinden, Piper Alderman, fühlt sich bestätigt: Die Ratingagenturen könnten sich nicht länger vor ihrer Verantwortung wegducken und quasi im rechtsfreien Raum agieren. Er möchte auch in den USA und in Europa Gemeinden zu entsprechenden Klagen ermuntern. Der Finanzdienstleister IMF-Australia hatte die Klagen unterstützt und plant bereits für die Niederlande eine Klage mit einem Gegenstandswert von 2 Mrd €.

Formiert sich eine breite Klagefront gegen Rating-Agenturen?

Die Aussicht auf eine breite Klagefront lässt die Agenturen weltweit zusammenzucken. S&P hat deshalb auch bereits Rechtsmittel gegen das australische Urteil angekündigt. Die Agentur wird alles daran setzen, sich aus dieser Falle zu befreien.


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