Vertretung bei Ressortzuständigkeit von GmbH-Geschäftsführern

Zwei gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer können jedenfalls dann eine Einzelvertretungsbefugnis für die in ihrem jeweiligen Ressort anfallenden Geschäfte vereinbaren, wenn die Geschäftsführer auch die einzigen Gesellschafter der GmbH sind.

Hintergrund

Die Klägerin fordert von der Gesellschaft Schadensersatz aufgrund eines fristlos gekündigten Leasingvertrages. Streitig war insbesondere, ob die Gesellschaft bei Abschluss des Vertrages durch nur einen der Geschäftsführer wirksam vertreten worden war. Denn die Geschäftsführer waren nach Satzung und Handelsregister nur zur Gesamtvertretung befugt. Die beiden Geschäftsführer hatten nach den Feststellungen des Gerichts jedoch ihre Tätigkeit nicht nur in verschiedene Geschäftsbereiche aufgeteilt, sondern sich für Geschäfte im jeweiligen Geschäftsbereich auch zur Einzelvertretung der GmbH ermächtigt. Das Landgericht ging daher von einer Wirksamkeit des Leasingvertrages und einem darauf beruhenden Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten aus, was diese mit der Berufung angriffen.

OLG München, Urteil v. 19.9.2013, 23 U 1003/13

Das OLG München bestätigt zunächst, dass entsprechend § 125 Abs. 2 S. 2 HGB, § 78 Abs. 4 AktG ein gesamtvertretungsberechtigter GmbH-Geschäftsführer vom ebenfalls gesamtvertretungsberechtigten Mitgeschäftsführer (auch formlos bzw. konkludent) zur Vornahme eines bestimmten Geschäfts oder einer bestimmten Art von Geschäften ermächtigt werden könne. Unzulässig sei hingegen eine – hier nicht vorliegende – Generalermächtigung, die einem Geschäftsführer de facto Einzelvertretungsmacht zugestehe.

Ob es zulässig sei, dass gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer sich für Geschäfte in ihrem jeweiligen Ressort generell zur Einzelvertretung ermächtigen, ließ das OLG München ausdrücklich offen. Denn die hieran bestehenden Zweifel in der juristischen Literatur rührten daher, dass in der GmbH grundsätzlich die Gesellschafter für die Erteilung der Einzelvertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zuständig seien und diese Kompetenz nicht von den Geschäftsführern durch eine generelle Ermächtigung aufgrund Ressortzuständigkeit unterlaufen werden solle. Diese Frage stellte sich im vorliegenden Fall allerdings nicht, da der die Ermächtigung erteilende Mitgeschäftsführer zugleich der einzig weitere Gesellschafter war. Ein Missbrauch der Ermächtigung durch die Geschäftsführer sei daher in diesem Fall ausgeschlossen.

Anmerkung

Die Entscheidung des OLG München erscheint nachvollziehbar und pragmatisch, ist jedoch nicht unproblematisch:

Gerichtliche Regelung

Nach dem Gesetz wird die GmbH von mehreren Geschäftsführern gemeinsam vertreten. Von dieser Gesamtvertretungsbefugnis kann abgewichen werden. Dies setzt aber eine entsprechende Satzungsregelung voraus, die generell den Geschäftsführern Einzelvertretungsbefugnis gewährt (sehr selten) oder (das ist häufig der Fall) die Gesellschafter (oder einen Aufsichtsrat oder Beirat, nicht jedoch die Geschäftsführer!) zur Erteilung der Einzelvertretungsbefugnis für bestimmte Geschäftsführer ermächtigt. Es ist daher immer zunächst zu prüfen, ob nicht die Gesellschafter (oder ein anderes, hierfür zuständiges Organ) Einzelvertretungsbefugnis erteilt haben, denn die Eintragung im Handelsregister ist nur deklaratorischer Natur. Ein entsprechender Gesellschafterbeschluss muss allerdings gemäß § 48 Abs. 2 GmbHG in Textform (E-Mail oder Fax) mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgt sein, wenn nicht die Satzung auch Beschlüsse per Telefon etc. zulässt. Auch können die Gesellschafter die Einzelvertretungsbefugnis nicht auf bestimmte Bereiche oder Arten von Geschäften beschränken, jedenfalls nicht im Außenverhältnis (§ 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), sondern durch einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte nur mit Wirkung im Innenverhältnis (ein unter Verstoß hiergegen abgeschlossenes Geschäft ist für die GmbH bindend, aber der Geschäftsführer hat gegen seine Pflichten verstoßen und macht sich ggf. gegenüber der GmbH schadensersatzpflichtig).

Haben die Gesellschafter die Geschäftsführer nicht zur Einzelvertretung ermächtigt, so können gesamtvertretungsberechtigte Gesellschafter unstreitig einzelne Geschäftsführer im Voraus für bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften zur Einzelvertretung der GmbH ermächtigen. Ebenfalls unstreitig ist, dass dies nicht so weit gehen darf, dass die Geschäftsführer unter Missachtung der Satzung und / oder Gesellschafterkompetenz eine Einzelvertretung durch die Hintertür einführen. Dies bekräftigt auch das OLG München, dessen Entscheidung allerdings insoweit inkonsistent ist. Denn wenn es (mit dem OLG München) allein um den Schutz der Gesellschafter ginge, müsste in diesem speziellen Fall auch eine solche Generalermächtigung möglich sein. Allein aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist dem OLG München in diesem Punkt dennoch zuzustimmen.

Streitpunkt

Umstritten ist, wieweit die Ermächtigung durch die Geschäftsführer im Einzelfall gehen darf, ob z.B. die Ermächtigung gesamtvertretungsbefugter GmbH-Geschäftsführer zur Einzelvertretung gemäß einer ressortmäßigen Aufgabenaufteilung zulässig ist. Auch das OLG München hat diese Frage aufgrund der Sonderkonstellation (es handelten die einzigen Gesellschafter-Geschäftsführer) letztlich nicht entschieden, so dass hier weiterhin Rechtsunsicherheit besteht. Diese trifft vor allem die Vertragspartner entsprechender GmbHs, da aus dem Handelsregister die Gesamtvertretungsberechtigung ersichtlich ist und im Einzelfall die wirksame interne Ermächtigung zur Einzelvertretung nachgewiesen werden muss, was sehr schwierig ist. Aber auch für die betroffenen GmbHs können sich Probleme ergeben: Dies weniger bei Verträgen, da die hierauf gerichteten Erklärungen des nicht zweifelsfrei einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführers durch den / die übrigen Geschäftsführer nachträglich mit rückwirkendem Effekt genehmigt werden können. Bei einseitigen Erklärungen (Kündigungen o.ä.) ist dies hingegen nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht / nicht mit Rückwirkung möglich.

Die Entscheidung des OLG München ist deshalb problematisch, weil hier zwei Kompetenzkreise vermischt werden und unter Berufung auf die faktische Zustimmung der Gesellschafter letztlich eine Konstellation gehalten wird, die durch die Gesellschafter so gar nicht hätte eingeführt werden können. Diese sind nämlich gerade nicht berechtigt, die Einzelvertretungsbefugnis mit Außenwirkung nur für bestimmte Ressort-Geschäfte zu erteilen, sondern können dies nur ganz oder gar nicht tun und müssen Begrenzungen auf das Innenverhältnis beschränken.

Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Sebastian Hoegl, LL.M (Wellington), Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg


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