Europäischer Gerichtshof entscheidet über Videoüberwachungsmaßnahmen auf Privatgrundstücken
Ob die Videoüberwachung im Einzelfall rechtmäßig oder rechtswidrig ist, hängt davon ab, ob der Betreiber des Kamerasystems ein berechtigtes Interesse an der Überwachung hat.
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer hatte an seinem Wohnhaus ein Kamerasystem angebracht, das nicht nur den eigenen Eingang, sondern auch den davor liegenden öffentlichen Straßenraum und den Eingang des gegenüberliegenden Hauses filmte und die Aufnahmen aufzeichnete. Hintergrund waren wiederholte Sachbeschädigungen durch Unbekannte am Wohnhaus. Aufgrund der Videoüberwachung konnte bei einer erneuten Sachbeschädigung tatsächlich ein Verdächtiger identifiziert werden. Dieser beantragte daraufhin bei der nationalen Datenschutzbehörde von Tschechien die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung.
Die Behörde hielt die Videoüberwachung für rechtswidrig. Auf das Rechtsmittel des Beschwerdeführers setzte das Oberste Verwaltungsgericht den Rechtstreit aus und legte ihn dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
EuGH, Entscheidung v. 11.12.2014, C-212/13
Der EuGH sollte entscheiden, ob auf den vorliegenden Fall überhaupt das Datenschutzrecht anwendbar ist. Die Datenschutzrichtlinie – und auch das deutsche BDSG – sehen eine Ausnahme vom Anwendungsbereich vor, wenn eine Datenverarbeitung „ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten“ erfolgt. Eine solche Ausnahme liegt aber nach Auffassung des EuGH nicht vor. Sobald sich eine Videoaufnahme auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstrecke und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen richte, der die Daten auf diese Weise verarbeite, könne sie nicht mehr als eine ausschließlich „persönliche oder familiäre“ Tätigkeit angesehen werden.
Die Videoaufnahmen fallen damit nach Auffassung des EuGH in den Anwendungsbereich der datenschutzrechtlichen Regelungen. Voraussetzung für eine zulässige Speicherung sei demnach ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen, das, abhängig vom Einzelfall, unter anderem im Schutz des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens des Verantwortlichen und seiner Familie liegen könne.
Anmerkungen
Entgegen der ersten Pressemeldungen hat der Europäische Gerichtshof die Videoüberwachung des privaten Eigenheims nicht grundsätzlich für unzulässig erklärt. Der EuGH hat – auch weil das Vorabentscheidungsersuchen insoweit beschränkt war – lediglich über die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts entschieden. Dabei hat der EuGH die Regelungen der Datenschutzrichtlinie sehr streng im Sinne des Datenschutzes ausgelegt. Diese strenge Linie des EuGH hat sich auch schon in den jüngeren Entscheidungen zum Datenschutzrecht angedeutet. Die Entscheidung nun ist insbesondere auch deshalb bemerkenswert, weil sie sogar noch über die als streng bekannte Rechtsauffassung der deutschen Datenschutzbehörden hinausgeht.
Videokameras gehören mittlerweile immer mehr zum Straßenbild. Nicht nur öffentliche Gebäude und Betriebsgelände, sondern auch mehr und mehr Privathäuser werden auf diese Art und Weise geschützt. Die Entscheidung des EuGH bedeutet nun, dass auch Privatpersonen bei der Anbringung von Überwachungssystemen die sehr strengen Anforderungen des Datenschutzrechts befolgen müssen. Jedenfalls dann, wenn die Kamera auch Bereiche aufnimmt, die nicht zum eigenen Grundstück gehören, bedarf es eines besonderen Interesses für die Aufnahmen. Eine allgemeine Gefahrenlage ohne konkrete Anhaltspunkte wird hier regelmäßig nicht ausreichend sein.
Für Unternehmen gelten diese Grundsätze im Übrigen schon seit langem. Unternehmen müssen darüber hinaus dann besondere Vorsicht walten lassen, wenn durch eine Videoüberwachung gleichzeitig auch die eigenen Mitarbeiter erfasst werden. Zur Kontrolle von Arbeitsleistungen, Sorgfalt und Effizienz sind Kameras keinesfalls erlaubt.
Rechtsanwälte Dr. Frank Jungfleisch, Sebastian Hoegl, LL.M. (Wellington), Friedrich Graf von Westphalen & Partner
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