Wem müssen Ausschlussfristen der privaten UV mitgeteilt werden?

Die Versicherung muss Kunden bei einer Schadenmeldung in Schriftform auf bestehende Fristen hinweisen. Der BGH hatte zu entscheiden, wer informiert werden muss, wenn Versicherungsnehmer und versicherte Person nicht identisch sind. Hier verlor die Versicherte durch die versäumte Frist zur Invaliditätsfeststellung den Anspruch auf Invaliditätsleistung und Unfallrente.

Eine Frau stürzte im März 2013 aus einem Fenster im zweiten Obergeschoss des seinerzeit von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Hauses und erlitt schwere Verletzungen.

Verletzte Frau war versicherte Person, Ehemann war Versicherungsnehmer 

Im Rechtsstreit mit der Unfallversicherung ging es darum, ob die Frau Anspruch auf Krankenhausgeld, Invaliditätsleistung und eine Unfallrente hat. Die Frau war versicherte Person in der Unfallversicherung, ihr Mann der Versicherungsnehmer. Er war allerdings einige Monate nach dem Unfall verstorben.

Die Versicherungsbedingungen (AUB 2000) bestimmten als Voraussetzung für die Invaliditätsleistung und die Unfallrente unter anderem eine Frist für die Feststellung der Invalidität und für die entsprechende Information der Versicherung:

Frist für die Feststellung der Invalidität

„Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität). Die Invalidität ist innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.“

Versicherung informierte nur den Ehemann (Versicherungsnehmer)

Die Schadensmeldung war bei der Versicherung am 5. März 2013 eingegangen. Am 8. März 2013 hatte die Versicherung den Ehemann, also den Versicherungsnehmer, schriftlich unter anderem auf die Frist von 15 Monaten für die ärztliche Feststellung der Invalidität hingewiesen.

Der BGH entschied, dass die Frau keine Ansprüche auf Invaliditätsleistung und Unfallrente hat, da die Frist für die Anzeige der Invalidität nicht gewahrt gewesen sei. Die Versicherung habe den Ehemann, also den Versicherungsnehmer, mit einem Schreiben entsprechend den Anforderungen des § 186 VVG rechtzeitig darauf hingewiesen, dass eine ärztliche Invaliditätsfeststellung binnen einer Frist von 15 Monaten vorliegen müsse.

§ 186 VVG:

„Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.“

Wen die Versicherung informieren muss und wen nicht:

Ein Hinweis an den Versicherungsnehmer ist auch bei einer Versicherung für fremde Rechnung und bei einer Anzeige des Versicherungsfalls durch die versicherte Person grundsätzlich ausreichend. Bei einer solchen Versicherung ist davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer, dem nach § 44 VVG grundsätzlich die alleinige Verfügungsbefugnis zugewiesen ist, auch für die Einhaltung der Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen zugunsten der versicherten Person Sorge tragen wird. Fazit: Es genügt, wenn die Versicherung den Versicherungsnehmer informiert, auch wenn die versicherte Person den Unfall selbst angezeigt hat.

BGH sah im Beharren auf der Frist keinen Rechtsmissbrauch

Ein rechtsmissbräuchliches Handeln der Versicherung hatte der BGH darin, dass sie sich auf das Fehlen einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der unfallbedingten Invalidität berief, nicht gesehen.

Er berief sich dabei auf das BGH-Urteil vom 30.11.2005 ( IV ZR 154/04), wonach sich der Versicherer auch dann ohne Rechtsmissbrauch auf das Fehlen einer fristgerechten ärztlichen Feststellung unfallbedingter Invalidität berufen kann, wenn er den Versicherungsnehmer nicht rechtzeitig vor Ablauf der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung auf deren Fehlen hingewiesen hat, weil dem Versicherer bis zu diesem Zeitpunkt keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, dass ein unfallbedingter Dauerschaden nahe liege. 

(BGH, Urteil v. 22.05.2019, IV ZR 73/18).


Hintergrund: Invaliditätsfeststellung

Innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall muss ein Arzt die Invalidität festgestellt haben. Es handelt sich bei der Invaliditätsfeststellung um eine objektive Anspruchsvoraussetzung, nicht um eine entschuldbare Anmeldefrist (BGH Urteil v. 28.6.1978, IV ZR 7/77).

Die ärztliche Feststellung der Invalidität muss schriftlich erfolgen, braucht aber nicht richtig zu sein (BGH, Urteil v. 16.12.1987,  IVa ZR 195/86). Sie muss jedoch eine verbindliche Aussage treffen, so dass es nicht ausreichend ist, wenn das Vorliegen eines Dauerschadens als nur "möglicherweise", "eventuell", "zur Zeit" oder "erst nach einer Begutachtung zu klären" bescheinigt wird (OLG Zweibrücken, Beschluss  v. 1.4.2005, 1 U 5/05). Eine Aussage zur Höhe des Dauerschadens ist entbehrlich.

Die ärztliche Feststellung muss darlegen:

  • einen Dauerschaden (prognostisch), 
  • die unfallbedingte Gesundheitsschädigung der VP und 
  • einen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschädigung. 

Wichtig ist, dass nur die ärztlich festgestellten und dem Versicherer gegenüber angezeigten Dauerschäden zum Inhalt der Invaliditätsfeststellung werden (BGH, Urteil v. 7.3.2007, IV ZR 137/06).


Schlagworte zum Thema:  Versicherungsschutz, Unfallversicherung