Annahmeverweigerung durch den Käufer bei Lackschaden an fabrikneuem Fahrzeug
In dem vom BGH noch zu entscheidenden Fall hatte ein Neuwagenkäufer bei einer Händlerin, die EU-Importfahrzeuge anbietet, im Januar 2013 ein Neufahrzeug der Marke Fiat zum Preis von 21.450 Euro bestellt. Vertragsgemäß sollte die Auslieferung am Wohnsitz des Käufers erfolgen.
Käufer entdeckt an der Fahrertür einen Lackschaden
Eine von der Händlerin beauftragte Spedition verbrachte das Fahrzeug am 16.7.2013 zum Käufer. Als der Käufer an der Fahrertür einen Lackschaden bemerkte, wurde einvernehmlich auf dem Lieferschein sinngemäß vermerkt: „kleine Delle“ an der Fahrertür, die Kosten für die Ausbesserung übernimmt die Händlerin.
- Dennoch weigerte sich der Käufer, das bereits vom LKW abgeladene Fahrzeug abzunehmen und den Kaufpreis zu entrichten.
- Er veranlasste vielmehr die Einholung eines Kostenvoranschlags durch eine Fachwerkstatt, die die Beseitigungskosten mit 528 Euro ermittelte.
Käufer lässt Fahrzeug einfach stehen
Die Händlerin forderte den Käufer zur sofortigen Zahlung des Kaufpreises auf und gestand dem Käufer einen Einbehalt von 300 Euro zu. Der Käufer blieb stur. Er ließ das Fahrzeug stehen, so dass die Händlerin das Fahrzeug am 6. August 2013 am Straßenrand wieder auflud und den Schaden ihrerseits beheben ließ. Am 16.10.2013 lieferte sie das Fahrzeug erneut aus, worauf der Käufer das Fahrzeug abnahm und den Kaufpreis zahlte.
Käufer verweigert Erstattung der Zusatzkosten
Der Käufer weigerte sich allerdings, die Kosten für die Rückholung und Wiederauslieferung des Fahrzeugs sowie das von der Händlerin in Rechnung gestellte Standgeld für 69 Tage zu zahlen. Den von ihr errechneten Gesamtbetrag in Höhe von 1.374,29 Euro machte die Händlerin daraufhin gerichtlich geltend.
LG lässt Revision zum BGH zu
Die Händlerin scheiterte sowohl beim AG Wangen als auch beim in 2. Instanz zuständigen LG Ravensburg. Dieses unterstellte jedoch eine grundsätzliche Bedeutung des Falles und ließ die Revision zum BGH zu, dessen 8. Senat am 26.10.2016 zur Sache verhandeln wird (BGH, VIII ZR 211/15).
Fabrikneuheit ist wesentlicher wertbildender Faktor
Der Entscheidung des BGH kommt grundlegende Bedeutung zu. Die Vorinstanzen hatten sich im vorliegenden Fall an den bisherigen Entscheidungen des BGH zum Rücktrittsrecht des Käufers bei kleineren Mängeln an Neufahrzeugen orientiert.
- So hatte der für das Kaufrecht zuständige 8. Zivilsenat des BGH entschieden, dass der Besteller eines Neufahrzeuges in jeder Hinsicht Fabrikneuheit erwarten darf.
- Dem Besteller eines BMW 320 d sprach der BGH im Falle eines ebenfalls kleineren Lackschadens ein Rücktrittsrecht zu, nachdem die durchgeführte Nachbesserung nicht zu einem technischen Zustand des Fahrzeug geführt hatte, der dem werkseitigen Auslieferungstandard entsprach.
Obwohl der Lackfehler optisch kaum erkennbar war, urteilte der BGH damals, für den Käufer. Der Grund: Die Fabrikneuheit eines Fahrzeugs spielt wirtschaftlich eine entscheidende Rolle.
Fahrzeuge, die nicht mehr als fabrikneu gelten, sind nur mit deutlichen Preisabschlägen weiterzuveräußern.
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Fabrikneu beinhaltet bei einem Fahrzeug einen einwandfreien Lackzustand.
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Fabrikneuheit bedeutet nach dieser Entscheidung unter anderem, dass ein Fahrzeug frei von jeglichen Lackschäden ist. Zwar muss der Käufer sich zunächst auf eine Nachbesserung einlassen, führt diese jedoch nicht zum gewünschten Erfolg, so kann ihm nach der Entscheidung des BGH ein Rücktrittsrecht nicht versagt werden.
Die Höhe der Mängelbeseitigungskosten ist irrelevant
Der BGH beschäftigte sich in der Entscheidung ausdrücklich mit § 323 Abs. 5 BGB. Diese Vorschrift versagt dem Käufer das Rücktrittsrecht trotz nicht vertragsgemäßer Leistung für den Fall, dass die Pflichtverletzung des Verkäufers unerheblich ist. Im Falle einer nur marginalen Pflichtwidrigkeit ist hiernach das Rücktrittsrecht ausgeschlossen.
- In seiner Entscheidung stellte der BGH beim Kriterium der Unerheblichkeit ausdrücklich nicht auf die Höhe des Kostenaufwands für die Beseitigung des Lackschadens ab,
- sondern darauf, ob das als fabrikneu bestellte Fahrzeug nach dem Fehlschlagen des Nachbesserungsversuchs noch als fabrikneues Fahrzeug gewertet werden kann.
Dies lehnte der zuständige Senat des BGH im damaligen Fall ab. Allein aus der fehlenden Fabrikneuheit folgerte der BGH, dass die Pflichtverletzung des Händlers nicht unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 BGB war, auch wenn die Mängelbeseitigungskosten im Verhältnis zum Kaufpreis des Fahrzeugs nur marginal gewesen wären (BGH, Urteil v. 6.2.2013, VIII ZR 374/11).
Kann Annahme eines mangelhaften Fahrzeuges zumutbar sein?
Die Schlussfolgerung aus der Entscheidung des BGH lautet also, dass der makellose äußere Zustand eines Fahrzeugs grundsätzlich erheblich ist, soweit er zum Prädikat „fabrikneu“ führt. Übertragen auf den aktuell beim BGH anhängigen Fall könnte dies bedeuten, dass der Käufer zur Abnahme eines nicht dem Auslieferungsstandard eines fabrikneuen Fahrzeugs entsprechenden Fahrzeug nicht verpflichtet war und die Händlerin daher auf den hierdurch entstandenen Kosten sitzen bleibt.
Allerdings ist auch nicht zu verkennen, dass Gegenstand der zitierten BGH-Entscheidung die Berechtigung zum Rücktritt war, während es im aktuellen Fall um die Frage der Annahmeverweigerung geht.
- Immerhin bestünde bei Annahme eines solchen Fahrzeugs durch den Käufer die Gefahr, dass der Nachbesserung der Erfolg versagt bleibt.
- Ob ein Käufer sich unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten auf ein solches Risiko einlassen muss oder ob er die Annahme grundsätzlich verweigern kann, dies ist die grundlegende Frage, die der BGH am 26. Oktober 2016 zu entscheiden hat.
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