Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollstreckung. Vorverfahren als Klagevoraussetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung bestimmt sich im Regelfall danach, ob die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Ausnahmsweise sind die Erfolgsaussichten der Berufung zu berücksichtigen, wenn diese offensichtlich fehlen oder offensichtlich bestehen.
2. Ist ein Verwaltungsakt über die in Rede stehende Berufskrankheit nicht ergangen, fehlt es an der Durchführung eines erforderlichen Verwaltungsverfahrens und damit an einer zwingenden Prozessvoraussetzung.
Tenor
Die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.06.2008 (S 5 U 218/05) wird bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin (Ast) führte ein Feststellungsverfahren hinsichtlich einer beim Antragsgegner (Ag) bestehenden Atemwegserkrankung durch. Mit Bescheid vom 25.05.2004 und Widerspruchsbescheid vom 19.07.2005 stellte sie fest, dass die Atemwegserkrankung auf die berufliche Tätigkeit des Ag zurückzuführen sei. Das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sei aber zu verneinen, da das für deren Anerkennung erforderliche versicherungsrechtliche Tatbestandsmerkmal der Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten nicht erfüllt sei.
Dagegen hat der Ag Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben. Der vom SG mit Gutachten vom 03.07.2006 sowie ergänzenden Stellungnahmen vom 13.11.2007 und 16.01.2008 gehörte Sachverständige Dr. S. hat ausgeführt, dass beim Ag eine Atemwegserkrankung im Sinne der Nr. 4302 der Anlage zur BKV vorliege. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei ab dem 09.05.2007 mit 20 vH einzuschätzen.
Mit Urteil vom 26.06.2008 hat das SG unter Abänderung des Bescheides vom 25.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2005 die Ast verpflichtet, eine obstruktive Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV ab 11.10.2003 zu entschädigen und Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab 09.05.2007 zu gewähren. Insbesondere sei die Klage insoweit zulässig, als die Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV nicht ausdrücklich im streitgegenständlichen Bescheid benannt worden sei. Aus dem Bescheid ergebe sich erkennbar der Wille der Ast, auch über die Anerkennung dieser Berufskrankheit zu entscheiden.
Die Ast hat gegen dieses Urteil am 11.08.2008 Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des SG vom 26.06.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ferner hat sie am 26.11.2008 beantragt, die sofortige Vollziehbarkeit des Urteils aufzuheben. Die erstinstanzliche Entscheidung stelle ein offensichtliches Fehlurteil dar. Bedenken bestünden hinsichtlich der Verurteilung zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage zur BKV, da sie nur über das Vorliegen einer Berufskrankheit nach der Nr. 4301 der Anlage zur BKV entschieden habe. Sie hat ausgeführt, dass die arbeitstechnischen und -medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 4301 der Anlage zur BKV erfüllt seien, der Ag aber nicht alle gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten eingestellt habe. Hinsichtlich der Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage zur BKV seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen ebenfalls als erfüllt anzusehen, allerdings die gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten nicht eingestellt worden.
Der Ag hat dem Antrag der Ast mit Schriftsatz vom 16.01.2009 widersprochen. Der Berufung der Ast komme in der Sache keine überwiegende Erfolgsaussicht zu. Es sei auch unerheblich, welche Berufskrankheit die Ast ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt habe. Er habe gegenüber der Ast nicht beantragt, eine Berufskrankheit nach der Nr. 4301 der Anlage zur BKV festzustellen, sondern beantragt, eine Berufskrankheit festzustellen. Es sei nicht rechtsfehlerhaft, wenn das SG nach Beweiserhebung zu dem Ergebnis komme, dass eine Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage zur BKV vorliege.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten der Ast, der Akten des SG und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts (L 17 U 326/08) sowie der Akte des vorliegenden Verfahrens Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf einstweilige Anordnung der Aussetzung der Vollstreckung ist zulässig und begründet.
Nach § 154 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger ist daher verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem eventuellen ...