Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren: Anfall einer anwaltlichen Erledigungsgebühr im Rechtsbehelfsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Erledigungsgebühr fällt nicht an, wenn keine wesentliche Handlung des Bevollmächtigten erfolgt ist.

2. Durch die Rechtsprechung des BSG ist hinreichend geklärt, wann bei Erfüllung von Mitwirkungspflichten im Rechtsbehelfsverfahren eine Erledigungsgebühr anfällt.

 

Orientierungssatz

Zitierungen zu Leitsatz 2: Vergleiche BSG, 2. Oktober 2008, B 9/9a SB 3/07 R, BSG, 9. Dezember 2010, B 13 R 63/09 R, BSG, 17. Dezember 2013, B 11 AL 15/12 R

 

Normenkette

SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 145 Abs. 4 S. 4

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19. Oktober 2016, Az.: S 15 AS 645/16, wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die anwaltliche Erledigungsgebühr in Höhe von 250,00 Euro aus einem durch Abhilfe beendeten Widerspruchsverfahren.

Mit Bescheid vom 16.09.2015 gewährte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis 31.12.2015. Hiergegen erhoben die Kläger, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Widerspruch. Beim Kläger zu 2) seien die Fahrkosten zur Arbeit nicht berücksichtigt worden in Höhe von ca. 60,00 Euro für den Fahrkartenkauf für den öffentlichen Personennahverkehr. Außerdem sei ein Grund für die Vorläufigkeit des Bescheides nicht ersichtlich.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens forderte der Beklagte vom Kläger zur 2) die Vorlage von Fahrkarten.

Hierauf trug der Prozessbevollmächtigte der Kläger vor, dass Fahrkarten nicht aufgehoben worden seien, der Kläger zu 2) bezüglich des tatsächlichen Kaufes der Fahrkarten eine eidesstattliche Versicherung abgeben könne. Nachdem der Beklagte sich mit einer solchen eidesstattlichen Versicherung einverstanden erklärt hatte, legte der Kläger zu 2) eine entsprechende eidesstattliche Versicherung vor.

Daraufhin half der Beklagte dem Widerspruch im Ergebnis vollumfänglich ab, indem er die Fahrkosten anerkannte und auch keine Vorläufigkeit in Bezug auf die Leistungen nach dem SGB II mehr aussprach. Die Übernahme der notwendigen Kosten des Bevollmächtigten wurde im Widerspruchsbescheid zugesagt.

Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens begehrte der Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht nur die Übernahme der Geschäfts- und Erhöhungsgebühr, sondern auch die Übernahme einer Erledigungsgebühr durch den Beklagten.

Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 04.02.2016 lehnte der Beklagte die Übernahme einer Erledigungsgebühr unter Verweis auf die geltende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab und setzte die übernahmefähigen Kosten auf 702,10 Euro fest (unter Berücksichtigung einer Geschäftsgebühr VV 2302 von 300,00 Euro, einer Erhöhungsgebühr VV 1008 von 270,00 Euro sowie einer Pauschale VV 7002 von 20,00 Euro zuzüglich der Mehrwertsteuer).

Den hiergegen von den Klägern erhobenen, aber nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2016 als unbegründet zurück.

Unter Verweis auf ein Urteil des Sozialgerichts Berlin aus dem Jahr 2009 erhoben die Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Augsburg und beantragten zusätzlich eine Erledigungsgebühr VV 1002, 1005 in Höhe von 250,00 Euro.

Mit Urteil vom 19.10.2016 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage als unbegründet ab.

Nach der Rechtsprechung des BSG zur Nr. 1005 bzw. 1002 VV könne eine Gebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens nur beansprucht werden, wenn der Rechtsanwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet habe. Erforderlich sei hierfür eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die über das Maß hinausgehe, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im Widerspruchsverfahren abgegolten werde. Eine derartig qualifizierte Tätigkeit liege etwa vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue Beweismittel, z. B. während des Vorverfahrens neu erstattete Befundberichte oder fachliche Stellungnahmen, beibringe (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2013, B 11 AL 15/12 R).

Anders verhalte es sich bei der Vorlage schon präsenter Beweismittel im Rahmen der vom Widerspruchsführer oder Kläger ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X), deren unaufgeforderte Vorlage bereits mit der Verfahrensgebühr bzw. der Auslagenpauschale abgegolten sei. Nach der Rechtsprechung des BSG müsse außerdem, um eine Erledigungsgebühr beanspruchen zu können, präsente oder neue, bisher nicht bekannte Beweismittel ausdrücklich unaufgefordert vorgelegt werden (BSG, Urteil vom 09.12.2010, B 13 R 63/09 R). Lege der Rechtsanwalt nach Aufforderung des Beklagten die von diesem konkret benannten Beweismittel vor, trage er lediglich der Mitwirkungsobliegenheiten seines Mandanten gemäß § 60 Abs. 1 Nr....

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