Verfahrensgang

SG Augsburg (Urteil vom 07.08.1962)

 

Tenor

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. August 1962 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte in Abänderung ihres Bescheides vom 14. August 1961 dem Kläger für die Bezugszeiten vom 13. November 1957 bis 8. August 1960 Arbeitslosenhilfe nach dem Arbeitsentgelt der letzten zehn Wochen des Beschäftigungsverhältnisses zu gewähren hat, wobei die für diese Zeit gewährten Überstundenvergütungen voll anzurechnen sind.

2.) Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3.) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger war vom 15. August bis 24. Oktober 1957 bei der Firma Autoreisen „…” J. E. in I. als Omnibuskraftfahrer beschäftigt, wo er während dieser Zeit bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 56 Stunden DM 930,– brutto verdiente. Ab 13. November 1957 bezog der Kläger vom Arbeitsamt Lindau Arbeitslosenhilfe (Alhi) im Betrag von wöchentlich DM 50,70. Das Arbeitsamt hatte die Alhi unter Zugrundelegung des angeführten Bruttolohnes von DM 930,– nach einem Einheitslohn von DM 91,– berechnet. Der Kläger bezog die Alhi mit Unterbrechungen bis 8. August 1960.

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 5. November 1958 wurde die Firma Autoreisen „…!” J. E. verurteilt, an den Kläger DM 411,26 und an die Stadt Lindenberg DM 35,– zu zahlen. In der schriftlichen Begründung der Entscheidung ist ausgeführt, daß der Kläger während des Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit von 56 Stunden in der Woche insgesamt 211 1/2 Überstunden abgeleistet habe, für die ihm eine Lohnforderung von DM 446,26 zustehe. Von dieser Forderung habe der Kläger DM 35,– an die Stadt L. abgetreten. Die Berufung der Arbeitgeberin wurde durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Bayern vom 11. Mai 1959 zurückgewiesen. In der schriftlichen Begründung heißt es im wesentlichen, daß der Kläger während des Beschäftigungsverhältnisses insgesamt 216 Arbeitsstunden über die Wochenarbeitszeit von 56 Stunden hinaus gearbeitet habe. Im Berufungsverfahren sei es jedoch nur am 211 1/2 Überstunden gegangen, für die der Kläger einen Bruttolohn von DM 446,26 beanspruchen könne.

Auf Grund dieses Urteils stellte der Kläger Antrag auf Nachzahlung von Alhi. Das Arbeitsamt Kempten teilte ihm durch Bescheid vom 14. August 1961 mit, daß die nachträgliche Berücksichtigung der Überstundenvergütung von DM 446,26 eine Erhöhung des Alhi-Satzes von DM 50,70 auf DM 53,10 zur Folge habe und sich für die Bezugszeiten vom 13. November 1957 bis 8. August 1960 eine Nachzahlung von DM 170,– ergebe. Die Überstundenvergütung sei eine einmalige Zahlung im Sinne des § 160 Absatz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO), die nur bei der letzten Lohnabrechnung unter Beachtung der Beitragshöchstgrenze von DM 175,– in der Woche berücksichtigt werden könne.

Dagegen erhob der Kläger nach Zurückweisung seines Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 1961 Klage. Er brachte vor, daß die Überstundenvergütung nach der ursprünglichen Vereinbarung mit der Arbeitgeberin aufschiebend bedingt fällig gewesen sei und durch weniger Arbeit im Winter abgerechnet werden sollte. Infolge der vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses seien nach Wegfall der aufschiebenden Bedingung die einzelnen Überstunden vom Arbeitgeber zu erstatten gewesen. Bei dem Betrag von DM 446,26 handle es sich um keine einmalige Zuwendung, sondern um die Bezahlung von Überstunden, welche sich auf das gesamte Beschäftigungsverhältnis erstreckten.

Durch Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. August 1962 wurde die Beklagte „unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 1961 des Arbeitsamts Kempten verurteilt, dem Kläger ab 13. November 1957 Arbeitslosenhilfe unter Zugrundelegung der auf Seite 5–7 des Urteils des Landesarbeitsgerichts Bayern vom 27. Oktober 1959 (Sa 503/59) festgestellten Arbeitsstunden einschließlich Überstunden zu gewähren, wobei das Überstundenentgelt als Teil des Entgelts für die Woche, in der sie geleistet wurden, anzusehen ist”. Die Berufung wurde zugelassen. Die Kammer war der Auffassung, daß mit der Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber der vorher getroffenen Regelung, die Überstunden sollten durch weniger Arbeit im Winter abgegolten werden, die Geschäftsgrundlage entzogen worden sei. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage fordere nach dem Grundsatz von Treu und Glauben den Kläger so zu stellen, als hätte die weggefallene Vertragsbedingung nie bestanden. Wäre keine Vereinbarung getroffen worden, hätte die Arbeitgeberin mit jeder Lohnzahlung auch die in der Lohnwoche angefallenen Überstunden bezahlen müssen. Daß dies nicht geschehen sei, wirke sich nicht zu Ungunsten des Klägers aus, weil maßgebend sei, in welchem Umfang Arbeitslosenversicherungspflicht bestanden habe, und nicht, ob und in welchem Umfang zur Arbeitslosenversicherung tatsächlich entrichtet worden seien.

Gegen das Urteil legte die Beklagte Berufung...

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