Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 19.07.1991)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Juli 1991 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Revision betrifft die uneingeschränkte Einsicht in die schriftlichen Vermittlungsvorgänge der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) bei der beklagten Bundesanstalt (BA).

Der seit 1980 arbeitslose Kläger beantragte 1982 die Vermittlung durch das Büro für Führungskräfte der Wirtschaft (BFW) bei der ZAV. In der Folgezeit kam es zu zahlreichen Prozessen, wobei der Kläger unzureichende bzw unzulässige Vermittlungsbemühungen von Beamten der ZAV rügte. Am 27. Mai 1983 erhob er Klage vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt/Main – S-1/Ar-404/83 – und verlangte von der BA Auskunft darüber, mit welchen Unternehmen und mit welchem Vermittlungsziel die Beklagte am 24. Juni 1981, 24. Februar 1982, 1. März 1982 und 10. Mai 1982 über ihn gesprochen habe. Dieses Verfahren endete im September 1992 mit einem angenommenen Anerkenntnis, mit welchem die BA sich verpflichtete, das Auskunftsverlangen des Klägers im Widerspruchsverfahren sachlich zu bescheiden.

Während des Verfahrens vor dem SG Frankfurt/Main – S-1/Ar-404/83 – beantragte der Kläger Einsicht in die ihn ab 1. Juni 1980 betreffenden Vermittlungsakten der BA. Diese kam dem Anliegen des Klägers weitgehend nach, beschränkte aber die Akteneinsicht, indem sie dem Kläger auf der Bewerberangebotskarte (B/Ank) Feld J und in Band II auf Blatt 72 zur Geheimhaltung personenbezogener Daten Dritter die dort enthaltenen Firmennamen vorenthielt.

Mit der am 4. Oktober 1983 erhobenen Klage machte der Kläger die uneingeschränkte Akteneinsicht geltend. Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil SG Frankfurt/Main vom 2. Dezember 1988; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 19. Juli 1991). Das LSG bewertete ein Schreiben der BA an den Kläger vom 23. September 1983 und den Schriftsatz vom 15. März 1984 als uneingeschränkte Akteneinsicht ablehnende Verwaltungsakte und die Klageerwiderung vom 8. November 1983 als Widerspruchsbescheid, verneinte jedoch einen Anspruch auf Akteneinsicht.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die bloße Weigerung von zwei unbekannt gebliebenen Unternehmen, ihre Namen zu verlautbaren, reiche zur Beschränkung der Akteneinsicht nicht aus. Vielmehr komme es auf deren berechtigte Interessen an. Die Offenbarung personenbezogener Daten sei zur Erfüllung sozialer Aufgaben zulässig. Zu diesen gehörten auch die Pflichtaufgaben der BA. Der Arbeitsuchende müsse die Möglichkeit haben nachzuprüfen, ob die BA den Vermittlungsaufgaben im gesetzlichen Rahmen nachgekommen sei. Die Beschränkung der Akteneinsicht dürfe nicht dazu dienen, vom Kläger wiederholt angekündigte Amtshaftungsansprüche zunichte zu machen. Hinter diesem Interesse des Klägers hätten die mit nicht näher konkretisierten „grundsätzlichen Erwägungen” begründeten Interessen der Unternehmen zurückzutreten. Im übrigen seien die Unternehmen notwendig beizuladen, weil es auf eine Abwägung der Interessen des Klägers und der Unternehmen ankomme. Ihre Namen würden damit im Verfahren ohnehin offenbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Juli 1991 und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 2. Dezember 1988 sowie die Bescheide der Beklagten vom 23. September 1983, 8. November 1983 und 15. März 1984 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unbeschränkte, vollständige Akteneinsicht in die über ihn geführten Verwaltungsakten, insbesondere Band II Blatt 72 und Bewerberkarteifeld J einschließlich der eingetragenen Firmennamen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Im Einverständnis mit den Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg, denn das Urteil des LSG beruht nicht auf einer ihn beschwerenden Gesetzesverletzung (§ 170 Abs 1 SGG). Die auf vollständige Akteneinsicht gerichtete Klage ist unzulässig.

Nach § 44a Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Der Rechtsgedanke dieser unmittelbar nur im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltenden Norm ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachten. Es handelt sich nämlich um einen Rechtsgedanken des allgemeinen Verfahrensrechts, das Verwaltungsverfahren nicht durch die isolierte Anfechtung von einzelnen Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb § 44a Satz 1 VwGO wiederholt herangezogen, zumal in § 172 Abs 2 SGG in vergleichbarem Zusammenhang der gleiche Rechtsgedanke zum Ausdruck gekommen ist (BSG SozR 1500 § 144 Nr 39; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 3 mwN). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an.

Die Entscheidung der BA über die Begrenzung der Akteneinsicht ist eine behördliche Verfahrenshandlung in dem auf Auskunftserteilung gerichteten Verwaltungsverfahren. Die BA hat über den geltend gemachten Auskunftsanspruch – wie in dem Verfahren vor dem SG Frankfurt/Main – S-1/Ar-404/83 – von ihr anerkannt -eine rechtsmittelfähige Entscheidung zu treffen. Auskunftsanspruch und Akteneinsicht sind auf den gleichen Gegenstand – die Namen von zwei Unternehmen – gerichtet. Auch wenn es sich um prozeßrechtlich zu unterscheidende Streitgegenstände handelt, stimmt der Klagegrund beider Verfahren überein. Unabhängig von der Regelung des § 44a Satz 1 VwGO ist deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gesonderte Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Beschränkung der Akteneinsicht nicht ersichtlich.

Eine Verletzung des Rechts des Klägers auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 Grundgesetz ≪GG≫) ist bei dieser Sach- und Rechtslage nicht zu befürchten (vgl dazu: BVerfG SozR 3-1300 § 25 Nr 1 = NJW 1991, 415). Der Rechtsschutz des Klägers wäre wirkungsvoller durchzuführen gewesen, wenn er nicht durch die Gleichzeitigkeit verschiedener Verfahren mit dem gleichen Ziel behindert worden wäre (vgl auch: BSG SozR 15OO § 144 Nr 39).

Die Revision des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1172869

BB 1993, 1443

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