Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Konkursausfallgeldes. Gleichheitssatz
Leitsatz (amtlich)
1. Gesetzesvorschriften sind verfassungskonform dahin auszulegen, daß die Gewährung einer Sozialleistung nicht von Zufälligkeiten abhängt.
2. Bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes hat die Bundesanstalt für Arbeit die steuerlichen Abzüge, um die das Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber zu vermindern gewesen wäre, nur unter Verwendung der Lohnsteuertabellen zu ermitteln; die Vorschriften über den Lohnsteuerjahresausgleich (§§ 42b und 39b Abs 2 S 7 Einkommensteuergesetz - EStG -) sind nicht anwendbar.
Orientierungssatz
Eine für alle in Betracht kommenden Arbeitnehmer einheitliche, dem Art 3 GG entsprechende Berechnung des Konkursausfallgeldes ist nur möglich, wenn die vorzunehmenden steuerlichen Abzüge (§ 141d Abs 1 AFG) aus den Lohnsteuertabellen entnommen werden.
Normenkette
AFG § 141d Abs 1 S 1; EStG § 38 Abs 3 S 1, § 38a Abs 3 S 1, § 39b Abs 2 S 7, § 42b; GG Art 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf ein höheres Konkursausfallgeld hat.
Aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses arbeitete der Kläger im Jahre 1980 lediglich in der Zeit vom 20. Oktober bis zum 31. Dezember 1980 als Montageschlosserhelfer bei der Firma Industriemontage S. in Bochum. Das Arbeitsentgelt, das nach Kalendermonaten zu berechnen und fällig war, ist ihm nicht gezahlt worden. Am 16. Februar 1981 wurde über das Vermögen der Firma S. das Konkursverfahren eröffnet. Auf seinen Antrag gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 6. April 1981 Konkursausfallgeld in Höhe von 5.330,23 DM.
Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, bei der Berechnung des Konkursausfallgelds müsse vom Bruttoarbeitsentgelt ua die Lohnsteuer, die sich aus der Lohnsteuertabelle für den maßgeblichen Lohnzahlungszeitraum ergebe, abgezogen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Beklagte nicht verpflichtet, die Steuerabzüge um den Betrag zu vermindern, der dem Kläger im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichs zu erstatten wäre. Für diese Auslegung sprächen entscheidend Erwägungen der Verwaltungspraktikabilität. Es könne nicht Aufgabe der Beklagten sein, im Einzelfall nachzuprüfen, in welcher Höhe ein Lohnsteuerjahresausgleich ggfs vom Arbeitgeber hätte durchgeführt werden dürfen oder müssen und in welcher Höhe eine Lohnsteuererstattung in Betracht gekommen wäre. Hierzu seien die Arbeitsämter weder ausgerüstet noch in der Lage. Nur wenn man die steuerlichen Besonderheiten außer acht lasse und das "um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt" in § 141d des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vereinfachend dahin verstehe, daß der dem Lohnabrechnungszeitraum entsprechende Steuerbetrag der jeweiligen Steuertabelle zu entnehmen sei, könne das Konkursausfallgeld seine Aufgabe als rasche Soforthilfe im Insolvenzfall erfüllen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des materiellen Rechts. Das Berufungsgericht habe den Begriff der "gesetzlichen Abzüge" iS von § 141d Abs 1 Satz 1 AFG unzutreffend ausgelegt. Die Vorschrift verweise ua auf die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes (EStG), insbesondere die §§ 38 ff EStG. Das Lohnsteuerverfahren sei auf das Konkursausfallgeld jedoch nur entsprechend anwendbar. Da während des Konkursausfallgeldzeitraums keine Lohnsteuer einbehalten werde, falle keine Lohnsteuer an und auch das Finanzamt führe, soweit der Arbeitnehmer nur im Konkursausfallgeldzeitraum gearbeitet habe, keinen Lohnsteuerjahresausgleich durch. Den der Lohnsteuer entsprechenden Abzugsbetrag iS von § 141d Abs 1 AFG müsse die Beklagte ermitteln, während der Konkursverwalter bzw Arbeitgeber lediglich Auskunfts- und Beweisperson sei. Die fiktive Lohnsteuer könne die Beklagte entweder gemäß § 39b Abs 2 Satz 1 bis 4 EStG an Hand der für die Lohnzahlungszeiträume maßgeblichen Lohnsteuertabellen oder aber gemäß § 39b Abs 2 Satz 7 EStG iVm § 42b Abs 1 EStG durch Anwendung des sogenannten permanenten Jahresausgleichs oder schließlich auch unter Heranziehung der maßgeblichen Jahreslohnsteuer gemäß § 42b EStG errechnen. Für die Anwendung der beiden zuletzt genannten Berechnungsverfahren spreche, daß es sich bei der Lohnsteuer um eine Jahressteuer handele und daß demgemäß der dem Steuerpflichtigen am Ende eines jeden Lohnzahlungszeitraums zufließende Tages-, Wochen- oder Monatslohn im Ergebnis als unselbständiger Bestandteil eines Jahreslohns anzusehen sei. Durch die Wochen- bzw Monatslohnsteuertabelle werde lediglich für das laufende Veranlagungsjahr vorläufig fingiert, daß der Steuerpflichtige in dem laufenden Jahr das 52fache bzw 12fache des Bruttowochen- bzw Bruttomonatslohnes erzielen werde. Dementsprechend seien die für die einzelnen Lohnzahlungszeiträume des Kalenderjahres erhobenen Lohnsteuerbeträge als Vorauszahlungen auf die endgültige Jahressteuerschuld anzusehen. Dies müsse bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes berücksichtigt werden. Der Arbeitnehmer habe Anspruch darauf, daß von dem Bruttoarbeitsentgelt lediglich der Steuerbetrag abgezogen werde, der nach Ermittlung der zu zahlenden Jahressteuer auf das für den Konkursausfallgeldzeitraum zustehende Arbeitsentgelt entfalle. Dieses Berechnungsverfahren sei gegenüber der Ermittlung des Abzugsbetrages an Hand der Wochen - sowie Monatslohnsteuertabelle weder komplizierter noch arbeitsaufwendiger. Die dagegen im angefochtenen Urteil erhobenen Bedenken träfen - jedenfalls im vorliegenden Falle - nicht zu. Er begehre nicht eine Feststellung der gesetzlichen Abzüge unter Berücksichtigung auch nur eines individuellen Freibetrages. Er sei damit zufrieden, wenn der Weihnachtsfreibetrag sowie die übrigen - in der Jahreslohnsteuertabelle 1980 bereits eingearbeiteten - Pauschal-Freibeträge berücksichtigt würden. Deshalb treffe es auch nicht zu, daß hier für die Ermittlung der - pauschalen - Jahressteuer zahlreiche Angaben und Belege notwendig wären. Er habe lediglich in der Zeit vom 20. Oktober bis 31. Dezember 1980 gearbeitet. Zum Zeitpunkt der Konkursausfallgeldberechnung hätten die Steuerbemessungstatsachen bereits festgestanden. Schon aus diesen Gründen habe die Beklagte die gesetzlichen Abzüge iS von § 141d Abs 1 Satz 1 AFG nicht unter Verwendung der Lohnsteuertabellen ermitteln dürfen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Juni 1984 aufzuheben und die Beklagte unter entsprechender teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 6. April 1981 und des Widerspruchsbescheides vom 30. November 1981 zu verurteilen, dem Kläger ein höheres Konkursausfallgeld in der Weise zu gewähren, daß bei der Ermittlung des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts von den Gesamtabzügen für das Steuerjahr 1980 ausgegangen wird; hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat das Konkursausfallgeld (Kaug) richtig berechnet.
Nach § 141d Abs 1 Satz 1 AFG ist das Kaug so hoch wie der Teil des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses, den der Arbeitnehmer noch zu beanspruchen hat. Für die Berechnung des Kaug ist daher von dem Bruttoarbeitsentgelt auszugehen, daß dem Kläger vom 20. Oktober bis 31. Dezember 1980 zugestanden hat. Hiervon sind die gesetzlichen Abzüge vorzunehmen. Gesetzliche Abzüge iS von § 141d Abs 1 Satz 1 AFG sind ua die Beiträge zur Sozialversicherung und die Lohnsteuer (Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juni 1985 - 10 RAr 16/84 - SozR 4100 § 141d Nr 1; Krebs, AFG, Komm, Bd III, § 141d RdNr 3; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm, Bd II, § 141d Anm 2; Gagel, AFG, Komm, § 141d Anm 1).
In welcher Höhe die Lohnsteuer abzuziehen ist, ergibt sich nicht aus § 141d Abs 1 AFG. Die Worte "des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts" nehmen zwar auf die sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Regelungen Bezug, legen aber nicht fest, welche Bestimmungen im einzelnen anzuwenden sind. Auch die Gesetzesmaterialien (vgl BR-Drucks 9/74 S 12) geben hierüber keinen Aufschluß. Der Gesetzgeber hat den Begriff "gesetzliche Abzüge" entweder als bekannt vorausgesetzt oder ihn der Auslegung durch die Rechtsprechung überlassen. Die Frage, was unter "gesetzlichen Abzügen" zu verstehen ist, stellt sich auch bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes. Doch ist in § 111 Abs 1 AFG für die Höhe des Arbeitslosengeldes das um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Arbeitsentgelt maßgebend. Der Zusatz: "die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen" fehlt in § 141d Abs 1 Satz 1 AFG. Die Rechtsprechung zu § 111 Abs 1 AFG kann deshalb nur bedingt im Rahmen des Konkursausfallgeldrechts herangezogen werden.
Dem Kläger ist zuzugeben, daß nach dem EStG mehrere Möglichkeiten des Steuerabzugs durch den Arbeitgeber bestehen, die zu einer unterschiedlichen Höhe der gesetzlichen Abzüge iS von § 141d Abs 1 Satz 1 AFG führen. Die abzuziehende Lohnsteuer kann einmal nach § 38 Abs 3 Satz 1 iVm § 38a Abs 3 Satz 1 und § 39b Abs 2 Satz 1 bis 6 EStG in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 (BGBl I, 721) unter Verwendung der für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum geltenden Lohnsteuertabellen ermittelt werden. Andererseits besteht die Möglichkeit, daß der Arbeitgeber nach § 39b Abs 2 Satz 7 EStG einen permanenten Lohnsteuerjahresausgleich durchführt, bei dem die abzuführende Lohnsteuer auf eine Art berechnet wird, die Erstattungsansprüche erst gar nicht entstehen läßt. Schließlich ermöglicht § 42b EStG, daß der Arbeitgeber am Ende des Jahres selbst den Lohnsteuerjahresausgleich vornimmt und zuviel einbehaltenes Arbeitsentgelt zB mit den Bezügen für den Monat Dezember wieder an den Arbeitnehmer auszahlt. Zur Berechnung des Kaug dürfen jedoch die steuerrechtlichen Besonderheiten des Lohnsteuerjahresausgleichs (§ 42b EStG) bzw des permanenten Lohnsteuerjahresausgleichs (§ 39 Abs 2 Satz 7 EStG) nicht herangezogen werden. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Bei der Gewährung von Sozialleistungen muß der Gesetzgeber den Gleichheitssatz (Art 3 des Grundgesetzes -GG-) beachten, dh er muß Gleiches gleich behandeln. Die Gewährung einer Sozialleistung darf weder dem Grunde noch der Höhe nach von Zufälligkeiten abhängig sein (hierzu vgl BVerfGE 51, 1, 25; BSGE 36, 52, 53 und 55, 57; 43, 200, 203; 54, 155, 159; BSG, Urteil vom 28. Oktober 1981 - 12 RK 61/80 - SozR 5070 § 10 Nr 19). Läßt das Gesetz - wie hier - mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, so sind die Gerichte zu einer verfassungskonformen Auslegung verpflichtet (vgl BVerfGE 19, 1, 5 und 49, 148, 157; Leibholz/Rinck, GG, Komm, 6. Aufl, Einführung Anm 4). Das bedeutet für die Auslegung des § 141d Abs 1 Satz 1 AFG: Die für die Berechnung des Kaug fiktiv zu ermittelnden steuerlichen Abzüge müssen nach einem für alle Antragsteller einheitlichen Maßstab bemessen werden. Dies ist bei Anwendung der Vorschriften über den Lohnsteuerjahresausgleich durch den Arbeitgeber bzw über den permanenten Lohnsteuerjahresausgleich nicht gewährleistet.
1. Der Lohnsteuerjahresausgleich durch den Arbeitgeber nach § 42b EStG setzt ua voraus, daß der Arbeitnehmer unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist und während des Ausgleichsjahrs ständig in einem Dienstverhältnis gestanden hat. Ist die letztgenannte Voraussetzung nicht erfüllt, so muß der Arbeitnehmer die Dauer der Zeiträume, in denen er in keinem Dienstverhältnis gestanden hat, durch amtliche Unterlagen lückenlos nachweisen können. Außerdem muß dem Arbeitgeber in diesem Falle die Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers mit den Lohnsteuerbescheinigungen aus vorangegangenen Dienstverhältnissen vorliegen und der Arbeitgeber darf für den Arbeitnehmer einen Lohnzettel noch nicht ausgeschrieben haben. Schließlich hat der Lohnsteuerjahresausgleich zu unterbleiben, wenn der Arbeitnehmer dies beantragt oder wenn er für das Ausgleichsjahr oder für einen Teil des Ausgleichsjahres nach den Steuerklassen V oder VI oder für einen Teil des Ausgleichsjahres nach den Steuerklassen III und IV zu besteuern war. Die in § 42b Abs 1 EStG genannten Voraussetzungen für die Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs durch den Arbeitgeber mögen steuerrechtlich ihre Berechtigung haben. Die Einbeziehung des Lohnsteuerjahresausgleichs in die Konkursausfallgeldberechnung würde aber die Höhe des Kaug von Zufälligkeiten abhängig machen. So ist es mit dem Sinn und Zweck des Kaug, das eine Ersatzleistung für den tatsächlich erarbeiteten, aber infolge der Insolvenz des Arbeitgebers entgangenen Lohn darstellt (BSGE 50, 269, 270; Hennig/Kühl/Heuer, AFG, Komm, Vorbem 2 vor §§ 141a bis 141n), unvereinbar, die Höhe dieser Sozialleistung im Einzelfalle davon abhängig zu machen, ob der Arbeitnehmer zB für einen Teil des Ausgleichsjahres nach bestimmten Steuerklassen zu besteuern war oder ob der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer bereits einen Lohnzettel ausgeschrieben hat oder nicht. Hinzu kommt, daß ein Anspruch auf Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs durch den Arbeitgeber gemäß § 42b Abs 1 Satz 2 EStG nur dann besteht, wenn der Arbeitgeber am 31. Dezember des Ausgleichsjahres mindestens 10 Arbeitnehmer beschäftigt.
2. Die gleichen Gesichtspunkte sprechen gegen die Einbeziehung des permanenten Lohnsteuerjahresausgleichs. Nach § 39b Abs 2 Satz 7 EStG kann die Oberfinanzdirektion allgemein oder auf Antrag des Arbeitgebers ein Verfahren zulassen, durch das die Lohnsteuer unter den Voraussetzungen des § 42b Abs 1 nach dem voraussichtlichen Jahresarbeitslohn ermittelt wird, wenn gewährleistet ist, daß die zutreffende Jahreslohnsteuer (§ 38a Abs 2) nicht unterschritten wird. Da § 39b Abs 2 Satz 7 EStG auf § 42b Abs 1 EStG verweist, müssen beim permanenten Lohnsteuerjahresausgleich zunächst einmal alle Voraussetzungen für den vom Arbeitgeber durchzuführenden Lohnsteuerjahresausgleich vorliegen. Ferner setzt der permanente Lohnsteuerjahresausgleich aber darüber hinaus voraus, daß die Oberfinanzdirektion ihn entweder allgemein oder auf Antrag des Arbeitgebers zuläßt. Auch dies sind Kriterien, von denen man nicht die Höhe einer Sozialleistung abhängig machen kann.
Im übrigen steht der Anwendung der §§ 39b Abs 2 Satz 7 und 42b EStG im Rahmen der Berechnung des Kaug entgegen, daß sie jeweils ein Arbeitsverhältnis voraussetzen, das entweder bis zum Ende des Ausgleichsjahres besteht (vgl § 42b Abs 3 Satz 1 EStG) oder bei dem sich voraussehen läßt, daß die zutreffende Jahreslohnsteuer (§ 38a Abs 2) nicht unterschritten wird. Hat der Arbeitnehmer lediglich in den ersten drei Monaten eines Jahres gearbeitet und ist dann über das Vermögen seines Arbeitgebers das Konkursverfahren eröffnet worden, so lassen sich die Vorschriften der §§ 42b und 39b Abs 2 Satz 7 EStG auch nicht zur Ermittlung der fiktiven Lohnsteuer heranziehen. Darauf aber, ob der Konkursausfallgeldzeitraum am Beginn, in der Mitte oder am Ende eines Jahres liegt, kann es für die Höhe des Kaug nicht ankommen. Hiergegen läßt sich auch nicht einwenden, daß das Kaug erst endgültig am Ende des Jahres berechnet werden könnte. Das Konkursausfallgeldrecht hat den Zweck, den Arbeitnehmern den für den Lebensunterhalt benötigten Lohn sofort zu ersetzen, wenn er wegen insolvenzrechtlicher Tatbestände nicht rechtzeitig gezahlt wird (BSGE 50, 269, 270; 53, 1, 3 und 205, 207; vgl ferner Begründung des Regierungsentwurfs BR-Drucks 9/74, S 10). Es würde dem Sinn und Zweck der Konkursausfallgeldregelung widersprechen, wenn man mit der endgültigen Entscheidung über die Höhe des Kaug bis zum jeweiligen Jahresende warten wollte, um überblicken zu können, welchen Jahreslohn der Arbeitnehmer tatsächlich erzielt. Zwar bietet § 141f AFG die Möglichkeit, daß das Arbeitsamt auf Antrag des Arbeitnehmers einen angemessenen Vorschuß auf das Kaug zahlt. Mit dem Vorschuß soll die Zeit überbrückt werden, bis das Kaug - nach Vorliegen aller Unterlagen - abschließend festgesetzt werden kann (s dazu BT-Drucks 7/1750 zu § 141f Abs 1 Satz 13). Dies bedeutet aber nicht, daß die Arbeitsverwaltung mit der Festsetzung des Kaug warten könnte bis - nach Jahresende - sich die endgültige Höhe der Steuern ermitteln läßt. Hierfür ist die Vorschußregelung nicht gedacht.
Eine für alle in Betracht kommenden Arbeitnehmer einheitliche, dem Art 3 GG entsprechende Berechnung des Kaug ist nur möglich, wenn die vorzunehmenden steuerlichen Abzüge (§ 141d Abs 1 AFG) aus den Lohnsteuertabellen entnommen werden, wie dies die Beklagte im vorliegenden Falle gehandhabt hat.
Rechtsgrundlage für den Steuerabzug vom Arbeitslohn unter Verwendung der Lohnsteuertabellen sind die Vorschriften der §§ 38 Abs 3 Satz 1, 38a Abs 3 Satz 1 und 39b Abs 2 Satz 1 bis 6 EStG. Nach § 39b Abs 2 Satz 2 EStG sind vom Arbeitslohn der auf den Lohnzahlungszeitraum entfallende Anteil des Versorgungs-Freibetrags (§ 19 Abs 2), der Weihnachts-Freibetrag (§ 19 Abs 3) und der auf den Lohnzahlungszeitraum entfallende Anteil des Altersentlastungsbetrags (§ 24a) abzuziehen, wenn die Voraussetzungen für den Abzug dieser Beträge jeweils erfüllt sind. Gegen die Anwendung dieser Vorschrift bestehen keine Bedenken, weil die hier genannten Freibeträge beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bei jedem Arbeitnehmer berücksichtigt werden und sich dementsprechend bei der Konkursausfallgeldberechnung auswirken. Dagegen ist die Berücksichtigung individueller Freibeträge, wie sie im Lohnsteuerrecht in § 39b Abs 2 Satz 3 EStG vorgesehen ist, im Rahmen des § 141d Abs 1 AFG möglicherweise ausgeschlossen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 13. November 1980 - 7 RAr 99/79 - SozR 4100 § 111 Nr 4 - zur Berechnung des Arbeitslosengeldes; Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juni 1985, aaO). Diese Frage kann hier indessen offengelassen werden. Der Kläger begehrt nämlich nicht die Berücksichtigung individueller Freibeträge.
Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 27. Juni 1985 (aaO) unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (BR-Drucks 9/74, S 12) ausgeführt, daß der Arbeitnehmer durch den Anspruch auf Kaug hinsichtlich des von dieser Leistung gedeckten Lohnausfalles weder besser noch schlechter gestellt werden soll, als er hinsichtlich seines Nettoeinkommens ohne den Eintritt des Konkurses gestanden haben würde. Dies gilt indessen nur als Grundsatz. Abweichungen im Einzelfalle sind - jedenfalls soweit es um die Höhe des Kaug im Hinblick auf die steuerlichen Abzüge geht - unvermeidbar. Hat der insolvente Arbeitgeber bisher stets den permanenten Lohnsteuerjahresausgleich durchgeführt, so wird der Arbeitnehmer bei der Berechnung der fiktiven Lohnsteuer unter Anwendung der Lohnsteuertabellen schlechtergestellt. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall - nur drei Monate im Jahr gearbeitet hat und das somit auf das ganze Jahre zu verteilende Arbeitsentgelt eine wesentlich geringere Steuerpflicht auslöst, als sie durch das Verfahren nach § 38a Abs 3 Satz 1 iVm § 39b Abs 2 Satz 1 bis 6 EStG ermittelt wird. Darin liegt eine gewisse Härte. Sie beruht indessen darauf, daß das Verfahren zur Ermittlung der steuerlichen Abzüge typisierenden Charakter hat. Der Gesetzgeber darf solche typisierenden Regelungen zur Ordnung von Massenerscheinungen treffen (BVerfGE 17, 1, 25; 51, 115, 122f; 63, 119, 128). Härten, die damit im Einzelfalle unvermeidlich verbunden sind, müssen hingenommen werden (BVerfGE 13, 21, 29; vgl hierzu auch BSG, Urteil vom 13. November 1980, aaO, zur Berechnung des Arbeitslosengeldes). Die Zahl derjenigen Arbeitnehmer, bei denen das Kaug wegen der Berechnung der fiktiven steuerlichen Abzüge nach den Lohnsteuertabellen geringer ausfällt, als das Nettoeinkommen, das ihnen ohne den Eintritt des Konkurses zugestanden hätte, ist jedoch gering (vgl hierzu BVerfGE 26, 265, 275f).
Die Revision des Klägers konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen