Verfahrensgang
BSG (Beschluss vom 14.09.2010; Aktenzeichen B 1 KR 6/10 C) |
BSG (Beschluss vom 09.07.2010; Aktenzeichen B 1 KR 7/10 BH) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.04.2010; Aktenzeichen L 11 KR 1369/10) |
SG Mannheim (Gerichtsbescheid vom 10.03.2010; Aktenzeichen S 11 KR 2909/09) |
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung ohne Aussicht auf Erfolg ist.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer ist gesetzlich krankenversichert. Er verlangte mit Antrag vom 28. Januar 2009 von seiner Krankenkasse die Rückerstattung von Praxisgebühren. Diese beschied den Antrag nicht. Eine am 2. September 2009 erhobene Untätigkeitsklage hatte vor dem Sozialgericht Erfolg. Das Sozialgericht legte dabei den Antrag der als „Untätigkeits-Verpflichtungsklage” erhobenen Klage, die beklagte Krankenkasse zur Rückerstattung der im Antrag genannten Praxisgebühren zu verpflichten, als Bescheidungsantrag aus und verurteilte die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 10. März 2010 zur Verbescheidung. Gegen diesen Gerichtsbescheid legte der Beschwerdeführer Berufung ein mit dem Ziel, die Erstattung der Praxisgebühren für die Jahre 2006 bis 2008 in Höhe von insgesamt 60 EUR zu erreichen. Diese Berufung wurde vom Landessozialgericht mit Urteil vom 20. April 2010 als unzulässig verworfen, weil der Beschwerdeführer durch das stattgebende Urteil des Sozialgerichts nicht beschwert sei. Insbesondere habe das Sozialgericht seinen Klageantrag zutreffend als Bescheidungsantrag ausgelegt, weil nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung im Schrifttum die Untätigkeitsklage nach § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht auf Erlass eines Verwaltungsakts mit bestimmtem Inhalt gerichtet sei. Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom 27. Mai 2010 einen Antrag, ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts vom 20. April 2010 zu gewähren. Er beantragte am 28. Juni 2010, die Frist für die Begründung um einen Monat zu verlängern. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde vom Bundessozialgericht mit Beschluss vom 9. Juli 2010 (B 1 KR 7/10 BH) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt. Da der Senat die Erfolgsaussicht einer Nichtzulassungsbeschwerde des noch nicht vertretenen Beschwerdeführers von Amts wegen zu prüfen habe, stehe der Fristverlängerungsantrag des Beschwerdeführers einer Entscheidung über das Prozesskostenhilfe-Gesuch durch das Bundessozialgericht nicht entgegen.
Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen diesen Beschluss des Bundessozialgerichts wurde mit Beschluss des Bundessozialgerichts vom 14. September 2010 (B 1 KR 6/10 C) als unzulässig verworfen mit der Begründung, die Anhörungsrüge sei nur gegen Endentscheidungen statthaft (§ 178a Abs. 1 Satz 2 SGG). Dazu gehöre die Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, der wiederholt gestellt werden könne und vom Beschwerdeführer auch wiederholt gestellt worden sei, nicht.
Der neuerliche Antrag des Beschwerdeführers, ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts vom 20. April 2010 zu gewähren, wurde vom Bundessozialgericht mit weiterem Beschluss vom 14. September 2010 (B 1 KR 11/10 BH) abgelehnt. Der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung stehe schon entgegen, dass mittlerweile die Frist zur Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision abgelaufen sei und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausscheide.
Der Beschwerdeführer rügt unter anderem eine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG durch den die Anhörungsrüge als unzulässig verwerfenden Beschluss des Bundessozialgerichts vom 14. September 2010 (B 1 KR 6/10 C).
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen einer notwendigen Annahme (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) sind weder dargetan noch sonst ersichtlich; die Annahme ist auch im Übrigen nicht angezeigt.
1. Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Zur Substantiierungslast gehört, dass der Beschwerdeführer darlegt, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert (BVerfGE 108, 370 ≪386≫). Im Falle einer Urteilsverfassungsbeschwerde umfasst die Obliegenheit zur substantiierten Begründung auch die Vorlage der angegriffenen Entscheidungen beziehungsweise die Wiedergabe von deren wesentlichem Inhalt (vgl. BVerfGE 88, 40 ≪45≫; 93, 266 ≪288≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2009 – 2 BvR 257/09 –, juris). Daran fehlt es.
Die Rüge einer Verletzung des Justizgewährungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG durch den die Anhörungsrüge als unzulässig verwerfenden Beschluss des Bundessozialgerichts vom 14. September 2010 (B 1 KR 6/10 C) ist schon deshalb unzulässig, weil der die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss des Bundessozialgerichts vom 9. Juli 2010 mit dem Aktenzeichen B 1 KR 7/10 BH, der mit der Anhörungsrüge angegriffen wurde, nicht vollständig vorgelegt wird. Da der Beschwerdeführer nur die erste Seite dieses Beschlusses vom 9. Juli 2010 vorlegt, nicht aber dessen Gründe (die vorgelegten Gründe sind die des zweiten Prozesskostenhilfe-Beschlusses vom 14. September 2010 mit dem Aktenzeichen B 1 KR 11/10 BH), ist es nicht möglich zu überprüfen, ob der die Anhörungsrüge vom 28. Juli 2010 als unzulässig verwerfende Beschluss vom 14. September 2010 (B 1 KR 6/10 C) nicht aus anderen als den vom Bundessozialgericht genannten Gründen zutreffend ist.
2. Im Übrigen kommt der Verfassungsbeschwerde grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG nicht zu. Sie wirft keine Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪301≫). Die Anforderungen an den fachgerichtlichen Rechtsschutz bei behaupteten Gehörsverletzungen ergeben sich aus dem Plenumsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (vgl. BVerfGE 107, 395).
Fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen eine mögliche Gehörsverletzung im Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nach dem Grundsatz wirkungsvollen Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG dann notwendig, wenn in diesem Verfahren abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren über den Antrag befunden wird und die Entscheidung später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪299≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Januar 2009 – 1 BvR 3113/08 –, NJW 2009, S. 833; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 – 1 BvR 2774/09 –, juris, Rn. 1).
Nach dieser Rechtsprechung war der die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss vom 9. Juli 2010 endgültig. Denn spätestens mit Ablauf einer einmonatigen Frist zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab Zugang des ablehnenden Beschlusses konnte der Beschwerdeführer die Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr erheben und war daher sein weiterer Antrag auf Prozesskostenhilfe ohne Erfolgsaussicht. Ein neuer Antrag auf Prozesskostenhilfe hätte im Übrigen auch nur zur Gewährung von Prozesskostenhilfe ab dem Zeitpunkt der erneuten Antragstellung führen können. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen neuen Antrag auf Prozesskostenhilfe ist überdies zu verneinen, wenn – wie hier – der nämliche Lebenssachverhalt unverändert zur Entscheidung gestellt wird. Ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt worden, kommt eine – zulässige – Wiederholung des Antrags nur bei neuen Tatsachen oder einer Änderung der Rechtslage in Betracht (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73a Rn. 13g und § 178a Rn. 3). Damit war der die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss des Bundessozialgerichts eine Endentscheidung im Sinne des § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG, die nicht mehr korrigiert werden konnte und folglich mit der Anhörungsrüge angreifbar sein muss (vgl. die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Beschluss vom 7. November 2006 – B 7b AS 2/06 C – und Beschluss vom 26. Januar 2007 – B 11a AL 5/06 C –).
Das Bundessozialgericht verweist in seiner Entscheidung über die Anhörungsrüge gegen den ersten Prozesskostenhilfe-Beschluss vom 9. Juli 2010 auf den zweiten gestellten Prozesskostenhilfe-Antrag vom 27. Juli 2010. Dieser war allerdings – wie das Bundessozialgericht zutreffend feststellt – im Zeitpunkt der Entscheidung am 14. September 2010 schon deshalb ohne Erfolgsaussicht, weil jedenfalls einen Monat nach Zustellung des ersten ablehnenden Prozesskostenhilfe-Beschlusses, also ab 16. August 2010, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Nichtzulassungsbeschwerde ausschied. Es führt zu einer Rechtsschutzlücke, wenn das Bundessozialgericht die Anhörungsrüge gegen den ersten Prozesskostenhilfe-Beschluss am 14. September 2010 als unzulässig verwirft, weil noch ein Prozesskostenhilfe-Antrag gestellt werden könne, diesen zweiten Antrag auf Prozesskostenhilfe dann aber mit Beschluss vom gleichen Tag ablehnt, weil mittlerweile die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde abgelaufen sei und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausscheide.
3. Eine Verfassungsbeschwerde ist nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.
Obwohl wegen der Verkürzung gerichtlichen Rechtsschutzes verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig bestehen, ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Denn die Annahme einer Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte nicht angezeigt, wenn der Beschwerdeführer sein vor den Fachgerichten verfolgtes Begehren nicht erreichen kann (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫; 119, 292 ≪301 f.≫).
Dies ist hier der Fall, weil der Beschwerdeführer mit seinem Begehren – der Verurteilung der beklagten Krankenkasse zur Erstattungsleistung ohne Durchführung eines Vorverfahrens – keinen Erfolg haben kann. Würde das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Bundessozialgerichts über die Anhörungsrüge aufheben und die Sache an das Bundessozialgericht zurückverweisen, könnte dieses bei der erneuten Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu keinem anderen Ergebnis kommen, weil eine Untätigkeitsklage im sozialgerichtlichen Verfahren nach der nicht zu beanstandenden ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 88 Abs. 1 SGG grundsätzlich zur Bescheidung, nicht aber zur Verurteilung in der Sache ohne Durchführung eines Vorverfahrens führt. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich kein Anspruch des Beschwerdeführers, dass die Gerichte seiner entgegenstehenden Rechtsansicht folgen (vgl. BVerfGK 6, 88 ≪91≫; 11, 203 ≪206 f.≫ m.w.N.).
Da somit ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers im Ergebnis dazu führen könnte, dass ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe zu bewilligen wäre, führt auch ihre Verwerfung als unzulässig mit einer verfassungsrechtlich zu beanstandenden Begründung nicht zu einem die Annahme der Verfassungsbeschwerde rechtfertigenden Nachteil des Beschwerdeführers (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪302≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 – 1 BvR 2774/09 –, juris, Rn. 1; (Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2010 – 1 BvR 96/10 –, juris, Rn. 27, 28).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Schluckebier, Baer
Fundstellen