Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerhaftung. entschuldbarer Rechtsirrtum des Arbeitgebers bei einer im Rahmen einer Vorprüfung ausdrücklich als zutreffend bestätigten Handhabung
Leitsatz (redaktionell)
1. Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber, wenn sein Verfahren bei einer Lohnsteueraußenprüfung nicht beanstandet wird, nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der von ihm vorgenommene Lohnsteuerabzug einwandfrei ist (BFH v. 5.3.1965, VI 259/63 U, BStBl III 1965, 355).
2. Ein entschuldbarer Rechtsirrtum liegt nach der Rechtspr. des BFH regelmäßig nicht vor, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit der Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) hat, von dieser jedoch keinen Gebrauch macht, insbesondere dann, wenn gerade in schwierigen Fällen dem Arbeitgeber bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt Zweifel über die Rechtslage kommen müssen.
3. Ein die Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers ausschließender entschuldbarer Rechtsirrtum liegt jedoch vor, wenn der unzutreffende Lohnsteuerabzug Gegenstand einer Vorprüfung gewesen und vom Vorprüfer nicht nur nicht beanstandet worden ist, sondern sich als Folge der ausdrücklich als zutreffend bezeichneten Zählweise der Nichtrückkehrtage bei einem unzutreffend als Grenzgänger behandelten Arbeitnehmer ergab.
Normenkette
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 2; AO §§ 5, 191 Abs. 1 S. 1
Tenor
Unter Änderung des Haftungsbescheids über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag vom 30. Dezember 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2012 werden die Haftungsbeträge in Höhe von x.xxx EUR (Lohnsteuer), xx,xx EUR (Solidaritätszuschlag) sowie xxx,xx EUR (Arbeitskammerbeitrag) neu festgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Haftungsinanspruchnahme des Klägers für Lohnsteuerschulden wegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums ermessensfehlerhaft war.
Der Kläger beschäftigt als Sportverein unter anderem eine Profifußballmannschaft, …. Beim Kläger wurde für Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume des Jahres 2005 eine Lohnsteuer-Außenprüfung durchgeführt. Gegenstand war unter anderem die Zuweisung des Besteuerungsrechts hinsichtlich mehrerer Spieler mit Wohnsitz in Frankreich gemäß den Regelungen für Grenzgänger nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen mit der Republik Frankreich. In ihrem Vorbericht vom 17. Mai 2006 führten die Außenprüfer aus, „am Dienstreiseort verbrachte Sonn- und Feiertage [zählten] nicht als schädliche Tage, auch wenn an ihnen gearbeitet” worden sei. Dabei bezogen sich die Prüfer ausdrücklich auf das BMF-Schreiben vom 3. April 2006 (BStBl I 2006, 304).
Bei der im Zeitraum August 2009 bis Juni 2010 durchgeführten Anschlussprüfung betreffend die Lohnsteuer-Voranmeldungszeiträume Januar 2006 bis Dezember 2008 gelangten die Prüfer hinsichtlich der Frage der Besteuerung von Grenzgängern – ebenfalls unter Bezugnahme auf das genannte BMF-Schreiben – zu dem Ergebnis, dass auch Sonntage und gesetzliche Feiertage, an denen die Spieler arbeitsvertraglich geschuldete Leistung erbrächten, zu den so genannten schädlichen Tagen zählten. Daraus ergab sich, dass mehrere Spieler die Voraussetzungen für eine Besteuerung in Frankreich als Grenzgänger nicht erfüllten, unter anderem die Spieler C. und D..
Der Beklagte folgte diesen Feststellungen und erließ am 30. Dezember 2010 einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid über xx.xxx EUR Lohnsteuer, x.xxx,xx EUR Solidaritätszuschlag sowie xxx,xx EUR Arbeitskammerbeiträge. Von diesen Beträgen entfallen auf die beiden genannten Spieler xx.xxx EUR Lohnsteuer, x.xxx,xx EUR Solidaritätszuschlag und xxx,xx EUR Arbeitskammerbeiträge.
Hiergegen legte der Kläger am 6. Januar 2011 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2012 als unbegründet zurückwies.
Am 13. März 2012 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Zur Begründung führt er – wie bereits im Einspruchsverfahren – im Wesentlichen aus, der Haftungsbescheid sei insoweit rechtswidrig, als darin Lohnsteuern und Nebenabgaben für die Spieler C und D geltend gemacht würden. Zwar sei für diese die Lohnsteuer wegen irriger Annahme der Grenzgängereigenschaft zu Unrecht nicht einbehalten und abgeführt worden. Dies beruhe aber auf einem entschuldbaren Rechtsirrtum des Klägers.
Im Prüfungszeitraum und auch in den Jahren zuvor habe der Kläger regelmäßig Mitarbeiter gehabt, die als Grenzgänger zu besteuern gewesen seien. Hinsichtlich der „schädlichen Tage”, die nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsrecht der Behandlung der Betroffenen als Grenzgänger entgegenstünden, treffe er jegliche Vorsorge, um nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen zu werden. So sei in regelmäßigen Abständen die Zählweise bezüglich dieser Tage mit dem Beklagten diskutiert und ...