Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.01.2023; Aktenzeichen B 9 V 32/22 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 27. Januar 2022 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob der Kläger im Februar 2012 in A-Stadt Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person geworden ist.

Der damals 36-jährige Kläger erstattet am 9. Februar 2012 bei der Polizeistation A-Stadt Strafanzeige gegen Unbekannt, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung. Früher am Abend sei ein Fahrzeug langsam hinter ihm gefahren, habe dann in seine Richtung gelenkt und sei stehen geblieben. Zwei männliche Personen seien ausgestiegen, auf ihn zugestürzt und hätten „Hurensohn" gerufen. Einer habe ihn angegriffen, nämlich geschubst. Er, der Kläger habe sich sofort mit einem Faustschlag ins Gesicht des Gegenübers gewehrt, worauf dieser zu Boden gegangen sei. Die zweite Person habe dem Kläger dann Pfefferspray direkt in die Augen gesprüht. Der Kläger teilte der Polizeibehörde mit, er wolle Antrag auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) stellen. Nach Weiterleitung dieser Informationen an das Hessische Amt für Versorgung und Soziales Wiesbaden (im Folgenden: HAVS) eröffnete diese Behörde ein Verwaltungsverfahren, übersandte dem Kläger ein Antragsformular und bat ihn, entsprechende Angaben zu machen. Nachdem sie ihn postalisch unter der von ihm gegenüber der Polizei mitgeteilten Adresse nicht erreichte, seine neue Anschrift von Amts wegen ermittelte und erneut den Versuch einer Kontaktaufnahme, nun unter Hinweis auf Mitwirkungsobliegenheiten, unternahm, reagierte der Kläger hierauf nicht. Das HAVS erließ daraufhin am 3. Juli 2012 einen Bescheid, mit dem sie die Gewährung von Versorgung nach dem OEG wegen mangelnder Mitwirkung versagte.

Unter dem Datum des 1. November 2018, eingegangen beim HAVS am 5. November 2018 stellt der Kläger sodann erneut einen Antrag auf Leistungen nach dem OEG und reichte verschiedene Unterlagen ein. Das HAVS bemühte sich um die Beiziehung relevanter Informationen.

Mit Bescheid vom 26. April 2019 lehnte sie die beantragte Versorgung ab. Zur Begründung gab sie im Bescheid an, der Sachverhalt habe im Rahmen der Ermittlungen nicht abschließend bewiesen worden können. Weder bei der Polizei noch bei der Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main lägen aufgrund des Zeitablaufs noch Unterlagen bezüglich der geltend gemachten Tat vor. Auch eine mögliche wechselseitige Körperverletzung hätte nicht ausgeschlossen werden können, weswegen die Tatbestandsmerkmale des OEG nicht erfüllt seien. Das Tatgeschehen lasse sich nicht mit der gebotenen Sicherheit klären. Eine andere Möglichkeit der Sachverhaltsaufklärung sei nicht gegeben.

Hiergegen erhob der Kläger am 16. Mai 2019 Widerspruch. Diesen begründete er damit, dass es nicht zutreffe, dass der Sachverhalt nicht abschließend habe bewiesen werden können. Lediglich seien die Täter nicht ermittelt worden. Dass aufgrund des Zeitablaufes keine Unterlagen mehr vorlägen, habe er nicht zu vertreten. Auch von einer wechselseitigen Körperverletzung könne keine Rede sein. Er, der Kläger, habe sich lediglich gegen den Angriff verteidigt.

Den Widerspruch wies das HAVS mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2020 zurück. Zur Begründung führte es im Bescheid aus, aus den aktenkundigen Unterlagen ließen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, die einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff belegten. Unterlagen von der Amtsanwaltschaft oder der Polizei waren nicht mehr beizuziehen. Es liege lediglich eine Kopie der Strafanzeige und der Aussage des Klägers vor. Trotz dieser Dokumente ließe sich der Sachverhalt nicht abschließend zur Überzeugung der Behörde aufklären. Auch die vom Kläger übersandte kurze Stellungnahme sei nicht dazu geeignet gewesen, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Es bestehe daher keine Möglichkeit dem Widerspruch abzuhelfen.

Der Kläger hat daraufhin am 31. Juli 2020 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben.

Das hat im Rahmen der Amtsermittlung Akten bei der Amtsanwaltschaft Frankfurt, der AOK Hessen, der C. Versicherung AG, der Rechtsanwältin E. (ehemals J., E., D-Stadt) und der Rechtsanwälte H. und Kollegen angefordert bzw. beigezogen.

Sodann hat das Sozialgericht Wiesbaden die Klage, nach entsprechender Anhörung, mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2022 als unbegründet abgewiesen.

Im Einzelnen hat das Gericht ausgeführt, der Bescheid vom 26. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2020 sei rechtmäßig, der Kläger werde durch die Bescheide nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente bei einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 30 v.H.

Ein Entschädigungsanspruch nach dem OEG setze zunächst voraus, dass die allgemei...

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