Entscheidungsstichwort (Thema)
Beantragung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II
Leitsatz (redaktionell)
Ein Betroffener gehört nicht bereits mit Beantragung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 3 AufenthG (i.V.m. § 81 Abs. 3 AufenthG) zum Rechtskreis des SGB II, sondern er gehört vielmehr weiterhin zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 1 AsylbLG und ist deshalb gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Normenkette
SGG § 124 Abs. 2; SGB II § 7 Abs. 1 Nr. 3; AsylbLG § 1; AufenthG § 25 Abs. 3, § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 60 Abs. 5, 7, § 81 Abs. 3-4; AsylG § 55 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Januar 2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von dem beklagten Jobcenter für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 28. Februar 2018 - in diesen Monaten erhielt sie bislang von der Beigeladenen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Die 1989 geborene Klägerin ist afghanische Staatsangehörige. Sie reiste im November 2015 nach Deutschland ein, nachdem sie ihren in Deutschland lebenden Ehemann 2014 geheiratet hatte. Im Februar 2016 stellten die Ehepartner einen Antrag auf entsprechende Leistungen bei dem Beklagten. Der Ehemann erhielt bereits aufgrund einer Schwerbehinderung Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Mit Bescheid vom 17. März 2016 bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II in Höhe des Regelbedarfes und anteiliger Unterkunftskosten vom 1. Februar 2016 bis 31. Januar 2017 für die Klägerin. Das Ehepaar lebte in einer gemeinsamen Wohnung mit den Schwiegereltern.
Mit Schreiben vom 29. August 2016 erklärte der Schwiegervater gegenüber dem Beklagten, die Klägerin lebe seit dem 20. Juli 2016 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt. Ab Oktober 2016 stellte das Jobcenter daraufhin seine Zahlungen ein.
Im Oktober 2016 stellte die Klägerin einen Asylantrag und erhielt eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens, längstens gültig bis zum 12. Januar 2017.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Flüchtlingseigenschaft, die Asylanerkennung und den subsidiären Schutzstatus ab - gleichzeitig wurde ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt. Die Klägerin erhielt ein Merkblatt mit dem Hinweis, sie habe das Recht, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu beantragen und sie habe einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 beantragte die Klägerin - durch ihre Prozessbevollmächtigte - bei der Ausländerbehörde einen entsprechenden Aufenthaltstitel (Bl. 57 der Gerichtsakte).
Das BAMF erließ am 6. Dezember 2016 eine Abschlussmitteilung für das Asyl- bzw. Dublin-Verfahren der Klägerin und eine Teil-Abschlussmitteilung zum Abschiebeverbot.
Von Dezember 2016 bis Februar 2018 erhielt die Klägerin Leistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe von monatlich 354,- € von der Beigeladenen.
Im Januar 2017 beantragte die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei dem Beklagten, was dieser mitBescheid vom 31. Januar 2017 ablehnte. Die Klägerin habe Anspruch auf Asylbewerberleistungen.
Den dazu erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mitWiderspruchsbescheid vom 1. März 2017 als unbegründet zurück. Gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II seien Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG von den Leistungen des SGB II ausgeschlossen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin habe sie Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG. Ihr Asylverfahren sei noch nicht in vollem Umfang abgeschlossen. Dies zeige sich auch daran, dass das BAMF der Bevollmächtigten am 6. Dezember 2016 nur eine Teil-Abschlussmitteilung zugesandt habe. Die Klägerin besitze keinen Aufenthaltstitel, sondern lediglich eine Aufenthaltsgestattung. Der Unterschied zu Fällen des § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG liege darin, dass bei Zuerkennung von Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärem Schutz durch das Gesetz eine Aufenthaltserlaubnis fingiert werde, auch wenn tatsächlich (noch) kein Titel vorliege. In Fällen des § 25 Abs. 3 AufenthG sei jedoch unklar, ob ein Titel erteilt werden könne oder nicht, da hierfür eine Einzelfallprüfung erforderlich sei. Nach Auskunft der Ausländerbehörde komme in diesen Fällen eine Fiktionsbescheinigung nicht in Betracht. Auch wenn die Widerspruchsführerin bereits die Ausstellung eines Aufenthaltstitels beantragt habe, sei unklar, ob ihr ein Titel nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt werden könne. Eine Fiktionsbescheinigung könne aus diesem Grund nicht ausgestell...