Rz. 12
Für die Zulässigkeit (i. w. S.) einer Anhörungsrüge ist erforderlich, dass
- ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die angegriffene Entscheidung nicht gegeben ist (§ 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Statthaftigkeit),
- die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis einer Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben wird (§ 178a Abs. 2 Satz 1)
und
- das Vorbringen einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung dargelegt wird (§ 178a Abs. 2 Satz 5).
2.3.1 Statthaftigkeit
Rz. 13
Die Rüge ist gegenüber ordentlichen Rechtsbehelfen subsidiär. Sie ist nur statthaft, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (zu den Begriffen "Rechtsmittel" und "Rechtsbehelf" vgl. die Erläuterungen vor §§ 143 ff.). Mit "Rechtsbehelfen" sind nur ordentliche Rechtsbehelfe gemeint (vgl. § 66). Ist die Beschwerde gegen erstinstanzliche Entscheidungen ausgeschlossen (§ 172 Abs. 3), bewirkt dies, dass die Anhörungsrüge statthaft ist. Nicht statthaft ist sie demgegenüber bei Maßnahmen des Gerichts nach § 172 Abs. 2.
Rz. 14
Nach § 178a Abs. 1 Satz 2 findet die Anhörungsrüge gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung nicht statt. Endentscheidung ist im Regelfall das Endurteil; in Betracht kommen auch Beschlüsse, die entweder die Instanz im Hauptsacheverfahren oder aber einen Beschwerderechtszug abschließen (Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/3706 S. 16 zur entsprechenden Regelung in § 321a Abs. 1 Satz 2 ZPO). Denn erst zum Zeitpunkt der Endentscheidung ist feststellbar, ob der Beteiligte, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde, durch die Entscheidung beschwert ist und ob die Gehörsverletzung entscheidungserheblich war. Die Sicherstellung umfassenden Rechtsschutzes durch Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen bedeutet demzufolge nicht, dass jeder nicht anfechtbare Beschluss auf Anhörungsrüge zu überprüfen ist, sondern nur diejenigen Entscheidungen, die ein Ersuchen um gerichtliche Entscheidung rechtskräftig beschieden haben. Vielmehr hat der Gesetzgeber die genannten Zwischenentscheidungen im Interesse einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits bewusst nicht in den Anwendungsbereich der Anhörungsrüge aufgenommen (vgl. Gesetzesbegründung, a. a. O.).
Richtigerweise bestimmt daher Abs. 1 Satz 2, dass die Rüge nicht statthaft ist gegen eine der Endentscheidung vorausgehende unanfechtbare Entscheidung.
Rz. 15
Zwischenentscheidungen i. S. d. Abs. 1 Satz 2 sind z. B. nicht anfechtbare prozessleitenden Verfügungen (§ 172 Abs. 2; s. § 172 Rz. 16 ff.); hierzu rechnen: Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch (anders, wenn das Akteneinsichtsgesuch eines nicht am Verfahren beteiligten Dritten abgelehnt wurde: OLG Celle, Beschluss v. 8.12.2011, 10 UF 283/11, juris), Einholung eines Sachverständigengutachtens (OLG Brandenburg, Beschluss v. 28.6.2011, 10 WF 229/10, FamRZ 2012, 236), Beschluss gem. § 199 Abs. 2 Satz 1 im Berufungsverfahren (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 18.12.2009, L 7 KA 161/09 B ER, juris), Beweisanordnung (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26.9.2008, VI-3 Kart 38/08 (V), juris), Entscheidung über die Zulassung der Revision (BVerwG, Beschluss v. 18.6.2008, 8 B 77/07, juris). Bei Zwischenurteilen (§ 130 Abs. 2) ist danach zu unterscheiden, um welche Art von Zwischenurteil es sich handelt (s. bei § 130). Das auf eine reine Leistungsklage hin ergehende Grundurteil (§ 304 ZPO), das ebenso wie ein Teilurteil einem Endurteil gleichsteht (vgl. BSG, Urteil v. 30.5.2006, B 1 KR 17/05 R, SGb 2007, 233), ist, sofern nicht Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 entgegensteht, mit der Anhörungsrüge angreifbar (Leitherer, § 178a Rn. 3c; Zeihe, § 178a Rn. 16d). Anderes gilt bei einem nur mit dem Endurteil anfechtbaren Zwischenurteil nach § 303 ZPO (BSG, Beschluss v. 19.9.2007, B 9/9a SB 49/06 B, SozR 4-1500 § 130 Nr. 2, hierzu Keller, juris PR-SozR 4/08; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 303 Rn. 11). Ein unanfechtbarer Verweisungsbeschluss wegen sachlicher Unzuständigkeit des LSG (§ 98 Satz 1 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG) ist eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung, die nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden kann (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 15.2.2008, L 7 AS 619/08, juris).
Rz. 16
Soweit in der Vergangenheit die Auffassung vertreten wurde, unanfechtbare Entscheidungen über Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit seien einer Anhörungsrüge nicht zugänglich (BAG, Beschluss v. 14.2.2007, 5 AZA 15/06 (B), NJW 2007 S. 1379, 1340; BayVGH, Beschluss v. 19.6.2006, 26 B 02.2372, juris; OVG Berlin, Beschluss v. 3.2.2005, 2 B 14/04, 2 RB 1/05, NVwZ 2005, 470, 471; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 321a Rn. 5), ist dem durch die Entscheidung des BVerfG v. 6.5.2010 (1 BvR 96/10, SozR 4-1500 § 178a Nr. 11) die Grundlage entzogen. Nunmehr gilt: Rechtsschutz gegen eine mögliche Gehörsverletzung im Zwischenverfahren ist nach dem Gebot wirkungsvollen Rechtsschutzes dann notwendig, wenn in diesem Zwischenverfahren abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren über den Antrag bef...