Rz. 16
§ 1 Abs. 1 regelt den persönlichen Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes. Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz sind nur Ausländer; das sind alle Personen, die nicht Deutsche i. S. d. Art. 116 GG sind (vgl. § 2 Abs. 1 AufenthG). Es handelt sich um eine abschließende Regelung, die eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellt, dass bedürftigen Ausländern Sozialhilfeleistungen nach § 23 SGB XII zu gewähren sind oder Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zusteht. Die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 knüpft an den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet an. Dies bedeutet physische Anwesenheit, nicht die Begründung eines Lebensmittelpunktes oder eines Wohnsitzes (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, AsylbLG, § 1 Rz. 2). Den in § 1 Abs. 1 unter den Nr. 1 bis 7 gefassten Personengruppen ist gemeinsam, dass sich ihr Bleiberecht noch nicht verfestigt hat (Wahrendorf, a. a. O., Rz. 1). Die hiervon nicht erfassten Personengruppen erhalten bei Bedürftigkeit ggf. Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII. Wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift ist eine analoge Anwendung auf andere Personengruppen nicht möglich (so auch Birk, in: LPK-SGB XII, § 1 AsylbLG Rz. 1).
Rz. 17
Zuständig für die Erteilung etwaiger Aufenthaltsgestattungen und Aufenthaltstitel sind nach den jeweils einschlägigen Gesetzen (Asylverfahrensgesetz [AsylVfG] und AufenthG) die dort genannten Behörden; für Aufenthaltstitel nach dem AufenthG sind regelmäßig die Ausländerbehörden zuständig. Haben diese Behörden einen Aufenthaltstitel oder eine Aufenthaltsgestattung erteilt, so ist die für die Leistungsbewilligung zuständige Behörde daran gebunden und hat insoweit kein eigenständiges materielles Prüfungsrecht (Adolph, in: Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, § 1 AsylbLG Rz. 16,). Nur in den seltenen Fällen der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes über einen Aufenthaltstitel wäre dieser unbeachtlich (Adolph, a. a. O.). Zur Tatbestandswirkung ausländerrechtlicher Entscheidungen vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2015, B 7 AY 4/12 R, mit Anm. Aubel, SGb 2016 S. 105; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 7.3.2016, L 19 AS 1356/15).
Rz. 18
Die an die Art der erteilten Aufenthaltsgenehmigung nach dem Aufenthaltsgesetz 2004 anknüpfende Abgrenzung des Kreises der Anspruchsberechtigten der verschiedenen Systeme staatlicher Sozialleistungen verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 9.3.2007, L 3 AS 3784/06). Die ausländerrechtliche Besserstellung durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen Personenkreis, der vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes nur eine Duldung erhalten konnte, führt wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht auch zwangsläufig zu einer leistungsrechtlichen Besserstellung, die entgegen der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 HS 2 SGB II zu einer Leistungsberechtigung nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) auch für Kriegsflüchtlinge führen könnte.
Rz. 18a
Zahlreiche Zweifelsfragen ergeben sich hinsichtlich der Abgrenzung des Personenkreises nach § 1 Abs. 1 von denjenigen Personen, die schon nach dem SGB II leistungsberechtigt sind (instruktiv hierzu Deibel, ZFSH 2012 S. 192) insbesondere im Hinblick auf die sog. Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG. Der Aufenthalt eines Ausländers gilt gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG mit der Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als erlaubt, wenn der Ausländer sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen. Ein Ausländer hält sich ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn er ohne Visum der zuständigen Auslandsvertretung einreisen und hier erst einen Aufenthaltstitel beantragen darf (vgl. § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. §§ 39 bis 41 Aufenthaltsverordnung). Gilt der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als erlaubt i. S. d. § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG oder als fortbestehend i. S. d. § 81 Abs. 4 AufenthG, so wird der Ausländer aufenthaltsrechtlich so gestellt, als sei er schon im Besitz der erstmals beantragten oder der bisher erteilten Aufenthaltserlaubnis. Handelt es sich bei dieser "fingierten" Aufenthaltserlaubnis nicht um eine der in § 1 Abs. 1 Nr. 3 genannten Aufenthaltserlaubnisse, so ist er bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach dem SGB II leistungsberechtigt. Liegt jedoch eine der in § 1 Abs. 1 Nr. 3 genannten Aufenthaltserlaubnisse vor oder wird eine solche fingiert, so erhält der Ausländer – nur – Leistungen nach dem AsylbLG. Dem Ausländer wird gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG eine Bescheinigung über die Wirkung seines Antrages ausgestellt. Der Inhalt dieser Fiktionsbescheinigung ist maßgeblich für die Frage, ob die Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG zu erfolgen hat oder die i. d. R. deutlich höheren Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII zu bewilligen sind (Deibel, a. a. O., S. 193). Liegt eine Ausweisung vor, soll die Fikti...