0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Durch Art. 12 Nr. 7 i. V. m. Art. 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wurde die Vorschrift zusammen mit den §§ 141 bis 145 mit Wirkung vom 1.1.2018 als 18. Kapitel des SGB XII (Regelungen für die Gesamtplanung für die Zeit vom 1.1.2018 bis zum 31.12.2019) eingefügt. Gemäß Art. 13 Nr. 41 BTHG ist die Vorschrift am 1.1.2020 außer Kraft getreten. Sie war im Wesentlichen gleichlautend mit dem ab 1.1.2020 geltenden § 122 SGB IX.
Durch Art. 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Regelung eines Sofortzuschlages und einer Einmalzahlung in den sozialen Mindestsicherungssystemen sowie zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und weiterer Gesetze v. 23.5.2022 (BGBl. I S. 760) wurde die Vorschrift mit Wirkung zum 1.6.2022 mit neuem Inhalt eingefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift übernimmt Regelungen des § 72 SGB II (vgl. BT-Drs. 20/1411 S. 19). Mit dem Sofortzuschlag sollen geplante Änderungen zur Kindergrundsicherung vorweggenommen werden. Damit sollen finanzielle Spielräume geschaffen werden, die dazu beitragen, die Lebensumstände und Chancen der Kinder zur gesellschaftlichen Teilhabe, zur Teilhabe an Bildung und am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu verbessern. Beim Sofortzuschlag handelt es sich um eine zusätzliche Leistung. Sie dient nicht der Deckung eines konkreten Bedarfs. Die zum Existenzminimum gehörenden Bedarfe werden bereits durch die derzeit geltenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gedeckt. Bis zur Einführung einer Kindergrundsicherung ergänzt der Sofortzuschlag die erforderlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um einen zusätzlichen Betrag, der unabhängig von der geltenden Höhe der Regelbedarfe oder anderer Bedarfe erbracht wird. Im Rahmen der Prüfung der Einführung einer Kindergrundsicherung soll eine Neudefinition des soziokulturellen Existenzminimums von Kindern und Jugendlichen erfolgen. Dies beinhaltet die Prüfung sämtlicher Bestandteile des soziokulturellen Existenzminimums einschließlich der Regelbedarfe und ihrer Ermittlung (BT-Drs. 20/1411 S. 16 f.).
2 Rechtspraxis
2.1 Monatlicher Sofortzuschlag
Rz. 3
Anspruch auf den Sofortzuschlag haben gemäß Abs. 1 Satz 1 Minderjährige, sofern sie Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel SGB XII) nach den Regelbedarfsstufen 4, 5 oder 6 (Anlage zu § 28) haben. Dies sind vor allem Kinder, deren Eltern oder Elternteil Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII beziehen. Beziehen die Eltern hingegen Leistungen nach dem SGB II, dann erhalten die Minderjährigen Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II nach Maßgabe von § 72 SGB II. Dies gilt auch, wenn erwerbsfähige Jugendliche, die bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen haben, ab diesem Zeitpunkt Arbeitslosengeld II erhalten (BT-Drs.20/1411 S. 18). Grundsätzlich müssen die Minderjährigen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel (§§ 27 bis 40 SGB XII) haben. Voraussetzung ist also, dass ihre Bedarfe nicht durch Einkommen oder Vermögen gedeckt sind. Gemäß Abs. 1 Satz 2 haben Minderjährige auch dann Anspruch auf den Sofortzuschlag, wenn sie Anspruch auf Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe (§ 34) haben (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1). Kindergeld wird nicht angerechnet (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2). Unklar ist, ob der Anspruch auf den Sofortzuschlag auch dann besteht, wenn der Minderjährige Anspruch auf darlehensweise Hilfegewährung hat. Dafür spricht, dass es sich auch dabei um Hilfe zum Lebensunterhalt handelt (vgl. Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 145 Rz. 13).
2.2 Entstehung und Fortbestehen des Anspruchs
Rz. 4
Der Anspruch entsteht unabhängig vor einer Antragstellung von dem Zeitpunkt an, in dem der Sozialhilfeträger Kenntnis von den Anspruchsvoraussetzungen erlangt (§ 18), frühestens jedoch ab Juli 2022 (Abs. 1 Satz 3). Der Anspruch auf den Sofortzuschlag ist zeitlich nicht befristet. Gemäß Abs. 2 wird der Regelungsinhalt des § 72 Abs. 2 SGB II übernommen. Dies bedeutet, dass der Sofortzuschlag für jeden Monat erbracht wird, in dem die genannten Voraussetzungen vorliegen. Rückwirkende Änderungen oder Aufhebungen haben für den Sofortzuschlag keine Auswirkungen. Aufhebung, Änderung oder Wegfall des dem Sofortzuschlag zugrundeliegenden Anspruchs nach dem Dritten oder Vierten Kapitels des SGB XII wirken sich damit innerhalb eines Bewilligungszeitraums nicht für in der Vergangenheit liegende Teilzeiträume aus, sondern ausschließlich für in der Zukunft liegende Teilzeiträume (BT-Drucks 20/1411 S. 18). Durch den Verweis in Abs. 3 auf § 17 Absatz 1 Satz 2 SGB XII in Absatz 3 wird ebenso wie in § 70 Absatz 3 SGB II verhindert, dass der Anspruch auf den Sofortzuschlag übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.
2.3 Zuständigkeitsregelung
Rz. 5
Abs. 4 enthält eine Zuständigkeitsregelung für die Erbringung des Sofortzuschlags. Dieser stellt eine zusätzliche Leistung dar. Damit handelt es sich um eine Leistung, die es...