Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Tätigkeit eines Maurers als Subunternehmer für ein Bauunternehmen. Auftragsverhältnis. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. Vermutung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung bei bestimmten Tätigkeiten ist mit einfachem Recht und Verfassungsrecht nicht vereinbar
Leitsatz (amtlich)
1. Zur selbständigen Tätigkeit eines Maurers als Subunternehmer für ein Bauunternehmen.
2. Eine abhängige Beschäftigung muss sich positiv feststellen lassen. Eine Vermutung, dass bestimmte Tätigkeiten in der Regel in abhängiger Beschäftigung ausgeübt werden, ist mit einfachem Recht und Verfassungsrecht nicht vereinbar.
3. Grundvoraussetzung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ist die privatrechtliche Pflicht des Beschäftigten zur Erbringung von Arbeitsleistungen; hat der Auftragnehmer ein Ablehnungsrecht gegenüber dem Auftraggeber spricht dies erheblich gegen eine abhängige Beschäftigung.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Juli 2018 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2017 und in der Fassung des Bescheides vom 28. Juni 2018 wird aufgehoben, soweit damit Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Umlagen und Säumniszuschläge von mehr als 8.084,91 Euro nachgefordert werden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. März 2012 bis 18. Dezember 2015 in Höhe von 35.916,56 Euro auf Grund einer Betriebsprüfung über die Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für den Kläger.
Der Kläger ist Inhaber eines Bauunternehmens und hatte im streitgegenständlichen Zeitraum drei fest angestellte Mitarbeiter.
Der Beigeladene zu 1 ist 1957 geboren und gelernter Maurermeister. Er ist bei der Beigeladenen zu 2 kranken-, renten- und pflegeversichert. Die Beigeladene zu 3 ist die Trägerin der Arbeitsförderung. Der Beigeladene zu 1 betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb und meldete am 27. Februar 1996 ein Gewerbe als Maurer an. Im streitgegenständlichen Zeitraum war der Beigeladene zu 1 unter anderem auch für den Kläger tätig. Seit Mai 2018 ist der Beigeladene zu 1 beim Kläger zu einem Bruttostundenlohn von 18,57 Euro beschäftigt.
Das Hauptzollamt U. führte am 16. Dezember 2015 eine Prüfung der Geschäftsunterlagen des Klägers durch und prüfte unter anderem die Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1 sowie des A.S. für den Kläger.
Am 31. März 2016 führte das Hauptzollamt U. eine Prüfung der Geschäftsunterlagen beim Beigeladenen zu 1 durch. Dieser gab dabei unter anderem an, neben der Bewirtschaftung seines Hofes nehme er Aufträge als selbständiger Maurermeister an. Er sei dabei für diverse Privatpersonen und seit ca. acht Jahren auch für den Kläger tätig. Bei dem Kläger arbeite er zumeist mit dessen Arbeitnehmern zusammen, bei Privatpersonen sei er alleine tätig oder arbeite gegebenenfalls mit dem jeweiligen Bauherrn und/oder mit bei diesem angestellten Personen zusammen. Er habe einen kleinen Anhänger mit ca. 500 Kilogramm Zuladung. Seit Dezember 2014 habe er zusätzlich einen größeren gebremsten Anhänger. Als Baufahrzeug nutze er einen Suzuki Jimmy mit Allrad. Das Material werde auf den größeren Privatbaustellen vom Bauherrn gestellt, bei den kleinen Privatbaustellen werde das Material von ihm beschafft. Bei den Baustellen des Klägers werde das Material vom Kläger gestellt. Er nutze die Maschinen des Klägers. Kleineres Werkzeug, das in eine Werkzeugkiste passe, habe er selbst und setze dies auch beim Kläger ein. Er habe einen Abbruchhammer (Schlaghammer), den er gelegentlich auch bei dem Kläger einsetze (Neupreis 500,00 bis 700,00 Euro). Der Kläger habe prinzipiell auch eigene Schlaghammer, die sich gegebenenfalls jedoch auf anderen Baustellen befinden könnten. Beim Kläger sei er als Facharbeiter tätig, nicht als Maurermeister. Auf die Frage, was ihn – den Beigeladenen zu 1 – beim Kläger von dessen Arbeitnehmer unterscheide, gab er an, dass er Rechnungen schreibe und sich seine Arbeitszeit frei einteilen könne. Bei dringenden Arbeiten auf dem Hof verlasse er die Baustelle oder komme schon morgens nicht auf die Baustelle. In diesem Fall sei es dann Aufgabe des Klägers, eine Ersatzkraft zu besorgen oder eben mit weniger Personal auszukommen. Dies gelte auch, wenn er erkranke. Seine Fahrzeit würde vom Kläger nicht bezahlt. Die Arbeitnehmer bekämen die Zeit sowohl der Hin- als auch der Rückfahrt bezahlt. Die Kontrolle/Abnahme seiner Arbeiten erfolge durch die Vorarbeiter des Klägers wie bei dessen Arbeitnehmern. Er habe bis 28. Februar 2016 eine Betriebshaftpflichtversicherung gehabt. Beim Kläger benötige er diese Versicherung nicht, da nach ...