Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Honorarkraft. Nachtwache in einem zugelassenen Pflegeheim. abhängige Beschäftigung
Leitsatz (amtlich)
"Honorarkräfte", die in einem zugelassenen Pflegeheim zusätzlich zu angestellten Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen in Nachtwachen tätig sind, üben eine abhängige Beschäftigung aus.
Orientierungssatz
Aktenzeichen beim BSG: B 12 R 49/12 B.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für beide Rechtszüge wird endgültig auf € 58.696,50 festgesetzt.
Tatbestand
Streitgegenstand ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und der Umlage U2 nach dem seit 1. Januar 2006 geltenden Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) für das Jahr 2006 in Höhe von insgesamt € 58.696,50 für die Beigeladenen zu 1) und 3) sowie die während des Rechtsstreits am 13. Juli 2010 verstorbene Mutter des Beigeladenen zu 2), - im Folgenden: Beigeladene zu 2) - für jeweils unterschiedliche Zeiträume zwischen dem 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in H., der laut Selbstauskunft im Internet in Krankenhäusern, eigenen Alteneinrichtungen und auf anderen Arbeitsfeldern weit über 1000 Mitarbeitende, hauptsächlich in der Kranken-, Alten- und Familienpflege, beschäftigt. Unter anderem betreibt er das Altenpflegeheim “A. d. R.„ in K.-M. (im Folgenden Altenpflegeheim) mit 56 Pflegeplätzen, das zuvor von dem Evangelischen Haus- und Landschwesternschaft e.V. (im Folgenden L-e.V.) betrieben wurde. Der Kläger ist dessen Rechtsnachfolger infolge der durchgeführten Verschmelzung der beiden Vereine, die am 26. Mai 2007 im Vereinsregister eingetragen worden ist. Mit dem Altenpflegeheim galt im streitigen Zeitraum einen Versorgungsvertrag nach § 73 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) als abgeschlossen.
Im Altenpflegeheim waren - neben festangestellten Mitarbeiterinnen - die Beigeladene zu 1) u.a. vom 1. Januar 2003 bis 30. September 2006, die Beigeladene zu 2) vom 1. Juli bis 30. September 2006 und die Beigeladene zu 3) u.a. vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 als “Honorarkräfte„ in den Nachtwachen tätig. Die Beigeladenen zu 1) und 3) sind, die Beigeladene zu 2) war staatlich anerkannte Altenpflegerin. Schriftliche Vereinbarungen zwischen dem L-e.V. und den Beigeladenen zu 1) bis 3) bestanden nicht. Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen zu 1) bis 3), führte der L-e.V. nicht ab. Die Beigeladene zu 1) war nach ihren Angaben neben ihrer selbstständigen Tätigkeit seit 1. Januar 1991 zu 91 v.H. versicherungspflichtig beschäftigt im Nachtdienst beim Wohnstift A. S. und führte als Altenpflegerin ein Einzelunternehmen, mit dem sie auch für weitere Pflegeeinrichtungen tätig war. Die Beigeladene zu 2) war früher beim L-e.V. als angestellte Mitarbeiterin tätig.
Am 29. Januar und 12. Februar 2007 führte die Beklagte im Altenpflegeheim eine Betriebsprüfung über den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 durch. Mit Schreiben vom 12. Februar 2007 hörte die Beklagte den L-e.V. zur beabsichtigten Beitragsnachforderung aufgrund der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beigeladenen zu 1) bis 3) als abhängig Beschäftigte an.
Mit dem Bescheid vom 13. April 2007 forderte die Beklagte vom L-e.V. Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von € 58.696,50 (Beigeladene zu 1)) betreffend den Zeitraum 01. Januar 2003 bis 30. September 2006 in Höhe von € 37.388,85; Beigeladene zu 2) betreffend den Zeitraum 01. Juli 2006 bis 30. September 2006 in Höhe von € 2.420,05 und Beigeladene zu 3) betreffend den Zeitraum 01. März 2003 bis 31. Dezember 2006 in Höhe von € 18.887,60) zuzüglich Säumniszuschlägen von € 14.436,00, insgesamt € 73.132,50. Zur Begründung wurde ausgeführt, für die Beigeladenen zu 1) bis 3) seien keine Beiträge entrichtet worden, obwohl sie abhängig beschäftigt gewesen seien. Der L-e.V. habe, um personelle Engpässe zu beheben, die Beigeladenen zu 1) bis 3) beschäftigt und auf deren Wunsch sozialversicherungsrechtlich als freie Mitarbeiterinnen behandelt, obwohl er für dieselbe Tätigkeit am Tage abhängig Beschäftigte eingesetzt habe. Die Beurteilung einer Tätigkeit als selbstständig oder abhängig richte sich nicht nach dem Willen der Vertragsparteien, sondern nach dem Recht der Sozialversicherung. Für die Beurteilung sei eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, bei der die vertragliche Ausgestaltung zurücktrete, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von ihr abwichen. Sie, die Beklagte, habe festgestellt, dass es sich bei der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bis 3) um eine abhängige Beschäftigung handle, die grundsätzlich der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Bei der Gesamtwürdig...