Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Beratertätigkeit in der IT-Branche. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. drittbezogener Personaleinsatz
Leitsatz (amtlich)
Gehen bei einem drittbezogenen Personaleinsatz die Pflichten desjenigen, der das Personal stellt ("Verleiher" bzw "Vermittler"), deutlich über diejenigen Pflichten hinaus, die ein Verleiher im Fall einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung hat, liegt keine Arbeitnehmerüberlassung vor. In einem solchen Fall kann angenommen werden, dass der Einsatz des Dritten beim sog. Endkunden der Erfüllung eigener vertraglicher Verpflichtungen des "Verleihers" oder "Vermittlers" dient.
Orientierungssatz
Wird jemand gerade wegen seiner speziellen Kenntnisse beschäftigt, steht dies einer Eingliederung in die betrieblichen Abläufe und einem Weisungsrecht nicht entgegen, nur weil der Arbeitgeber uU fachlich hinsichtlich der Tätigkeit mangels eigener Kenntnisse gar keine Vorgaben machen kann. Denn die gesamte Steuerung und Koordination insbesondere auch in Zusammenarbeit mit weiteren Arbeitskräften kann gleichwohl durch Weisungen erfolgen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.04.2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung im Zeitraum 01.02. bis 30.06.2012 und 01.10.2012 bis 31.12.2014 hinsichtlich dessen Tätigkeit als Berater bei der Klägerin.
Die Klägerin hat sich als Dienstleister in der Rechtsform der GmbH auf IT-Lösungen für SAP-Banking-Projekte spezialisiert. Gesellschafter und Geschäftsführer ist Dr. J. R.. Der 1962 geborene Beigeladene zu 1) war bis 31.01.2012 bei der Klägerin abhängig beschäftigt.
Für die Zeit vom 01.02. bis 30.06.2012 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) einen Beratungs- und Unterstützungsvertrag (Dienstleistungsvertrag), der ua folgende Regelungen enthielt:
Präambel
Der Auftragnehmer wird im Rahmen dieses Vertrags für den Auftraggeber Beratung, Unterstützung und sonstige Dienstleistungen erbringen. Die Parteien sind sich einig, dass dieser Vertrag keine Grundlage für die Herbeiführung eines Leistungserfolges, insbesondere der Herstellung von Software oder der Anpassung von Software bildet.
1. Art und Umfang der Beratungs- und Unterstützungsleistungen (im Folgenden Dienstleistungen)
1.1 Art der Dienstleistungen
… Beratung (zB bei Studien, Konzepten, Strukturvorschlägen, Planung, Organisation), Projektleitungsunterstützung, Schulung, Einführungsunterstützung (ohne Erstellungsleistungen), Benutzerunterstützungsleistungen (zB für User Help Desk, Hotlineservice), Customizingleistungen (Customizing iSv Einstellungen einer Standard-Software - auch Parametrisierung genannt - auf die Bedürfnisse des Auftraggebers)
1.2. Umfang der Dienstleistungen
Der Auftragnehmer unterstützt den Auftraggeber in dessen SAP-Projekt bei der D. B. AG (Endkunde) mit Beratungsleistungen zu SAP Banking Services. Im Rahmen seiner Tätigkeit wird der Auftragnehmer den Auftraggeber insbesondere bei folgenden Aufgaben beraten und unterstützen: der Analyse der Istprozesse des Deposit Managements beim Endkunden, der Durchführung von Workshops mit dem Endkunden zur Aufnahme der Istprozesse, der Erarbeitung eines Grob- und Feinkonzepts für die Tagesendeverarbeitung des Deposit Managements und weiterer SAP Komponenten, …..
2. Leistungen des Auftraggebers
Folgende Mitwirkungsleistungen werden vereinbart, insbesondere Benennung eines Ansprechpartners für Projektfragen, der Entscheidungen entweder selbst treffen oder herbeiführen kann, zur Verfügungstellung sämtlicher zur Leistungserbringung notwendigen Informationen… Der Auftraggeber darf sich zur Erfüllung seiner Mitwirkungsleistungen des Endkunden bedienen, bleibt jedoch gegenüber dem Auftragnehmer allein verpflichtet.
3. Erfüllungsort / Leistungsvolumen / Projektschutz
3.1 Die Leistungen nach Maßgabe dieses Vertrages sind seitens des Auftragnehmers nach Maßgabe der Weisungen der Auftraggeberin an geographisch maximal 50 km von den Städten F. a. M. und E. entfernten Orten … oder alternativ hierzu auf Verlangen in den Geschäftsräumen der Auftragnehmerin bzw der Subunternehmer derselben zu erbringen.
3.2 Sollte der Auftragnehmer zur Erbringung der Leistungen vorübergehend im Betrieb des Auftraggebers tätig werden, so ist dieser Weisungen des Auftraggebers im Hinblick auf Zeit, Art und Weise der Durchführung der Leistungen nicht unterworfen. …
3.3 Die Beauftragung für die vom Auftragnehmer zu erbringenden Dienstleistungen erstreckt sich auf den Leistungszeitraum 01.02.2012 - 30.06.2012; die Parteien gehen nach derzeitigem Stand von einer 5 Tagewoche aus (Mo - Fr; 8.00 - 18.00 Uhr jeweils 8,5 Stunden/Tag (außer an Feiertagen des ...