Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Gemeinschaftspraxis. Hinweis des Sozialgerichts auf Verpflichtungserklärung zur Einhaltung des Leistungsumfangs der bisherigen Praxis. kein Verstoß gegen Treu und Glauben. Zulassungsbeschränkungen in überversorgten Gebieten verfassungsgemäß. Genehmigung. Jobsharing-Praxis. Leistungsbegrenzung auf bisherigen Praxisumfang wegen fehlender Bedarfsprüfung. Vertrauensschutz bei objektiv fehlender Abrechnungsberechtigung
Orientierungssatz
1. Ein Sozialgericht verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, indem es Vertragspsychotherapeuten auf ihrer Verpflichtungserklärung zur Einhaltung des Leistungsumfangs der bisherigen Praxis verweist.
2. Zulassungsbeschränkungen in überversorgten Gebieten sind mit Art 12 GG vereinbar (vgl BVerfG vom 27.4.2001 - 1 BvR 1282/99 = MedR 2001, 639).
3. Sofern für die Genehmigung einer Jobsharing-Praxis eine Bedarfsprüfung nicht erfolgt, macht dies eine Leistungsbegrenzung auf den bisherigen Praxisumfang notwendig.
4. Für Vertrauensschutzerwägungen bei objektiv fehlender Abrechnungsberechtigung ist gegebenenfalls dann Raum, wenn eine Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) etwa Kenntnis davon hatte, dass bestimmte, in ihrer Abrechenbarkeit umstrittene Leistungen regelmäßig erbracht wurden, und der betroffene Arzt seinerseits aus einer langjährigen unbeanstandeten Abrechnung der entsprechenden Leistungen seitens der KÄV den Schluss ziehen durfte, die KÄV stelle die Abrechnungsfähigkeit nicht in Frage (vgl BSG vom 28.1.1998 - B 6 KA 93/96 R = SozR 3-2500 § 135 Nr 6).
Normenkette
BedarfsplRL §§ 23c, 23e; SGB V § 106a Abs. 2, § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 72 Abs. 1 S. 2, § 95 Abs. 3; BMV-Ä § 45 Abs. 2 S. 1; EKV-Ä § 34 Abs. 4 S. 2; SGB X § 45; GG Art. 12 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.08.2010 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 54.672,64 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Rückforderung von Honoraren für die Quartale IV/2002 bis IV/2006 wegen Überschreitung der Punktzahlobergrenze in Streit.
Die Kläger nehmen als Psychologische Psychotherapeuten in Sch. an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teil. Ihnen wurde mit Bescheid vom 22.03.2002 (SG-Akte Bl. 58) die Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis im Rahmen des Jobsharings ab dem 01.04.2002 erteilt. Der Zulassungsausschuss legte dabei quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumina als Obergrenze für die Leistungserbringung fest. Der Bescheid wurde nicht angefochten.
Nach einem ersten Gespräch mit den Klägern am 09.02.2007 forderte die Beklagte mit Bescheiden vom 21.02.2007, vom 27.02.2007 und vom 15.06.2007 nach sachlich-rechnerischen Berichtigungen der Honorarabrechnungen für die Quartale II/2002 bis IV/2006 von den Klägern Honorar in Höhe von insgesamt 54.672,64 € zurück. Dabei entfielen auf vier Abrechnungszeiträume folgende Rückforderungsbeträge:
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Quartale II/2002 bis IV/2003 |
8.624,44 € |
Bescheid vom 21.02.2007 |
Quartale I/2004 bis IV/2004 |
4.295,17 € |
Bescheid vom 21.02.2007 |
Quartale I/2005 bis IV/2005 |
11.914,44 € |
Bescheid vom 27.02.2007 |
Quartale I/2006 bis 1V/2006 |
29.838,59 € |
Bescheid vom 15.06.2007 |
Zur Begründung wurde auf eine Überschreitung der Punktzahlobergrenzen im Rahmen des Jobsharings hingewiesen.
Hiergegen legten die Kläger jeweils Widerspruch ein. Sie machten geltend, sie hätten über Jahre hinweg keine Information über die Überschreitung der Obergrenzen erhalten. Aus den Honorarbescheiden sei diese kaum erkennbar. Die Beklagte hätte ihnen die einzelnen Überschreitungen der Punktzahlobergrenze jeweils mitteilen müssen. Sie hätten sich dadurch viel früher auf diese Situation einstellen und eine solche Ansammlung von Budgetüberschreitungen sicherlich verhindern können. Auch die Anpassungsfaktoren habe die Beklagte nicht bekannt gegeben, so dass ihnen das genaue Punktzahlvolumen nicht bekannt gewesen sei. Mit Bescheid vom 11.08.2006 sei ihnen zudem das Punktzahlgrenzvolumen auf Grund des gegenüber der Fachgruppe überdurchschnittlichen Leistungsumfangs sogar rückwirkend je Fall um 32 Punkte ab dem Quartal I/2006 erhöht worden.
Einen Antrag der Kläger auf Erhöhung der Punktzahlobergrenzen lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte in F. mit Beschluss vom 21.03.2007 ab (SG-Akte Bl. 55). Wie in der mündlichen Verhandlung bekannt wurde, wies der Berufungsausschuss für Ärzte für den Regierungsbezirk F. den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Beschluss vom 05.12 2007 zurück. Er erhöhte allerdings in Hinblick auf die Neuregelungen im EBM 2000plus auf Vorschlag der Beklagten die Gesamtpunktzahlvolumina über die Anpassungsfaktoren hinaus für die Quartale IV/05 bis III/07 um 6.500 Punkte (Quartal 1), 6890 Punkte (Quartal 2), 5820 Punkte (Quartal 3) und 7150 Punkte (Quartal 4). Um eine weitere Erhöhung der Gesamtpunktzahlvolumina (wegen der gestiege...