Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletztenrente. Rentenüberleitung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Überleitung des in der DDR festgestellten Rentenanspruchs nach § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO in Verbindung mit § 215 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist ausgeschlossen, wenn die BK mit Wirkung für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 nach dem FRG anerkannt worden ist, ohne dass darüber hinaus die Begründung eines Leistungsanspruchs erforderlich wäre und der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 1. Januar 1992 nicht (wieder) in das Beitrittsgebiet verlegt hatte.
2. Art. 19 Einigungsvertrag über die Fortgeltung von Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung führt nicht entgegen den Regelungen in § 1150 Abs. 2 RVO in Verbindung mit § 215 Abs. 1 S. 1 SGB VII dazu, dass unmittelbar aus einem damals erteilten Rentenbescheid ein Anspruch auf Rente geltend gemacht werden kann. Art. 19 Einigungsvertrag wird inhaltlich ausgestaltet und in seiner Reichweite durch andere Bundesgesetze begrenzt, wie diejenigen zur ebenfalls im Einigungsvertrag vorgesehenen Rentenüberleitung.
3. Vor in Kraft treten des RÜG ist die Eingliederung von anspruchsberechtigten Bürgern aus der DDR, die einen einen Antrag auf Gewährung der Rente gestellt haben, über das FRG zu wählen.
Normenkette
EinigVtr Art. 19, 30 Abs. 5; RVO § 1150 Abs. 2; SGB VII § 215 Abs. 1 S. 1; FRG § 5 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im wiederholten Überprüfungsverfahren die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit (BK) Lärmschwerhörigkeit (BK Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ≪BK 2301≫ bzw. Nr. 50 der Liste der BKen nach dem Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ≪DDR≫).
Der 1936 geborene Kläger war in der ehemaligen DDR langjährig als Schiffsbauer beschäftigt und hierbei einer Lärmbelastung ausgesetzt. Mit Bescheid vom 11. Juni 1970 gewährte der F. (F.) - Verwaltung der Sozialversicherung der DDR - dem Kläger wegen einer auf die berufliche Lärmexposition zurückgeführte Hörstörung mit Tinnitus mit Bescheid vom 11. Mai 1970 eine Unfall-Rente nach einem sogenannten Gesamtkörperschaden von 20 vom Hundert. Die Rente wurde dem Kläger bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) am 16. August 1989 gezahlt. Der Kläger wurde auf Antrag vom Oktober 1987 hin aus der DDR- Staatsbürgerschaft entlassen und in der BRD als „Sowjetzonenflüchtling“ nach § 3 Bundesvertriebenengesetz anerkannt.
Am 3. Juli 1991 stellte der Kläger bei der Bundesausführungsbehörde der Unfallversicherung (B1) einen - als Dokument nicht mehr auffindbaren - Antrag auf die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der in der DDR anerkannten Hörstörung. Die B1 teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12. Juli 1991 mit, dass sie das für seinen Wohnort zuständige Versicherungsamt gebeten habe, ihn vorzuladen und von ihm eine Erklärung entgegenzunehmen. Sie wies darauf hin, dass Ansprüche nach dem Fremdrentengesetz (FRG) originär festzustellen seien, d.h. unabhängig von früheren Entscheidungen durch den ursprünglich zuständigen Versicherungsträger des Herkunftslandes ein neues Verwaltungsverfahren durchzuführen sei, weil in Ländern außerhalb des Geltungsbereichs des FRG die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abweichend von den gesetzlichen Vorschriften der BRD beurteilt würden. Der Kläger werde gebeten, zur Glaubhaftmachung der nach dem FRG erheblichen Tatsachen entsprechende Beweismittel vorzulegen.
In dem daraufhin durchgeführten Verwaltungsverfahren reichte der Kläger zunächst mit Datum vom 26. November 1991 bei der S1, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen ausgefüllten mehrseitigen Antragsvordruck auf Gewährung einer Rente nach dem FRG ein. Im weiteren Verlauf kam der Arzt für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Stimm- und Sprachstörungen, Allergologie Dr. M. nach Untersuchung des Klägers am 24. April 1992 in seinem Gutachten vom 27. April 1992 zu dem Ergebnis, dass eine Lärmschwerhörigkeit beidseits im Sinne einer Hochtonschwerhörigkeit als Ausdruck eines Haarzellschadens entsprechend der BK 2301 vorliege. Diese sei nach den einschlägigen Bewertungskriterien (hier: Königsteiner Merkblatt) allerdings - bei gegenüber den seit 1969 erstellten Vorgutachten im Wesentlichen unveränderten Befunden - nicht wie von den Gutachtern in der damaligen DDR als gering- bis mittelgradig einzustufen, sondern als Normalhörigkeit, sodass sich auch unter Berücksichtigung des störenden Tinnitus eine MdE um 0 v.H. ergebe. Da der Kläger nicht mehr im Lärm tätig sei, sei eine weitere lärmbedingte Verschlechterung des Hörvermögens nicht zu erwarten
Mit Bescheid vom 2. Juni 1992 erkannte die N. als eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden daher auch: Beklagte) dementsprechend das Vorliegen einer BK 2301 an, lehnte aber die Gewährung einer Rente ab, weil ...