Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung. Beitragsnachforderung nach Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP. zusätzlicher Entgeltanspruch nach § 10 Abs 4 S 1 AÜG
Leitsatz (amtlich)
Ein der Beitragspflicht unterliegender Anspruch des Leiharbeitnehmers auf weitere Entgeltzahlungen nach § 10 Abs 4 Satz 1 AÜG kommt nur in Betracht, wenn der wirtschaftliche Gesamtwert der von Seiten des Leiharbeitunternehmers erbrachten Leistungen hinter denjenigen Leistungen zurückbleibt, die der Arbeitnehmer bei einer Direktanstellung im entleihenden Betrieb zu erwarten gehabt hätte.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 11. März 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 15. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2013 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nach Feststellung der Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice-Agenturen (CGZP).
Die Klägerin - eine GmbH - betreibt behördlich erlaubte Arbeitnehmerüberlassung.
Die bei der Klägerin beschäftigen Arbeitnehmer erhalten nicht alle im Laufe eines Monats erbrachten Arbeitsstunden mit dem jeweiligen Monatslohn auch vergütet; vielmehr werden insbesondere in Monaten mit hohen Arbeitsstundenzahlen Teilbeträge des erarbeiteten Lohns einem sog. “Arbeitszeitkonto plus„ gutgeschrieben. In Monaten mit relativ wenigen tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden erhalten die Mitarbeiter zum Ausgleich sog. Zeitausgleichszahlungen, bei der sie - unter gleichzeitiger Reduzierung der auf diesem sog. “Arbeitszeitkonto plus„ gutgeschriebenen Beträge - Entgeltzahlungen über die tatsächlich abgeleisteten Stunden hinaus erhalten. Neben dem vereinbarten Stundenlohn gewährt die Klägerin Zuschläge für Überstunden sowie für Arbeit an Sonn- und Feiertagen und in den Nachtstunden.
Des Weiteren erhalten die Mitarbeiter Ausgleichszahlungen zur Abdeckung des Mehraufwandes für Fahrtkosten, Verpflegung und Übernachtung, der ihnen dadurch entsteht, dass sie nicht am Betriebssitz der Arbeitgeberin, sondern bei Kunden der Arbeitgeberin am dortigen Betriebssitz bzw. Einsatzort (überwiegend im Bundesgebiet, mitunter auch im Ausland) eingesetzt werden. Insbesondere gewährt die Klägerin ihren Mitarbeitern im Einsatz an auswärtigen Einsatzorten Erstattungen für die Übernachtungskosten in Höhe von pauschal 20,-- € je Übernachtung, soweit nicht der betroffene Mitarbeiter tatsächlich höhere Aufwendungen nachweist.
Für jeden einfachen Weg von und zur (auswärtigen) Arbeitsstätte gewährt die Klägerin - ausweislich der persönlich Angaben ihres Geschäftsführers - den betroffenen Mitarbeitern 0,10 € für jeden gefahrenen Kilometer (Bl. 441 GA). Schriftsätzlich hat die Klägerin allerdings auch einen Erstattungsbetrag von 0,30 € für den Doppelkilometer angeführt (Bl. 460 GA).
Sofern die betroffenen Mitarbeiter an einem weiter entfernten Arbeitsort eingesetzt werden, werden diese Fahrtkostenerstattungen einmal im Monat gewährt. Damit korrespondierend werden dann die Unterkunftskosten auch an den Wochenenden erstattet. Bei näher gelegenen Einsatzorten wird die Fahrtkostenerstattung einmal in der Woche gewährt; damit einhergehend werden die Unterkunftskosten nur an den Arbeitstagen übernommen.
Für Verpflegungsmehraufwendungen erstattet die Klägerin den betroffenen Mitarbeitern entsprechend ihrer vorherrschenden Betriebsübung einen Pauschbetrag von arbeitstäglich 10,-- €. In Ausnahmefällen wird mit dem betroffenen Mitarbeitern jedoch auch ein Tagessatz von 20,-- € vereinbart, insbesondere wenn dieser entsprechend höhere Kosten aus Sicht der Klägerin glaubhaft macht.
Zu den Mitarbeitern der Klägerin zählte der Beigeladenen zu 1. (K.), der den Beruf eines Metallbauers erlernt und bei zu 4. beigeladenen AOK Baden-Württemberg krankenversichert war.
Der einen Beginn des Arbeitsverhältnisses zum 1. März 2009 vorsehende Arbeitsvertrag zwischen ihm und der Klägerin (Bl. 171 GA) sah vor (vgl. dessen § 3), dass sich die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien nach den zwischen Arbeitgeberverband Mittelstädtischer Personaldienstleister (AMP) und der CGZP geschlossenen Tarifverträgen für die Zeitarbeitsbranchen in ihrer jeweils gültigen Fassung bestimmen sollten. Der Vertrag sah einen Stundenlohn von 10,00 € (ausgehend von einem tarifvertraglichen Stundenlohn von 8,14 € und einer außertariflichen Zulage in Höhe von 1,86 €) vor. Der Beigeladene zu 1. wohnte seinerzeit in L. (Bl. 464 GA).
Die Klägerin überließ den Beigeladenen zu 1. als Schlosser in den Monaten Mai, Juni, August, September und Dezember 2009 zeitweilig an die Firma M. GmbH, und zwar (Bl. 247 GA) in folgendem zeitlichen Umfang (gerechnet in Arbeitsstunden):
Im Einzelnen handelte sich um die Überlassungszeiträume vom 2. März bis 10. Juli 2009, vom 27. Juli bis 5. September 2009 und schließlich noch ei...