Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfordernis des vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs zur Opferentschädigung

 

Orientierungssatz

1. Voraussetzung für die Opferentschädigung ist ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff. Dabei muss es sich um eine in feindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung handeln. Allein verbale Belästigungen sind nicht geeignet, einen tätlichen Angriff i. S. von § 1 OEG darzustellen.

2. Die bloße verbale Drohung, zu schießen, führt noch nicht zu einer objektiv erhöhten Gefährdung des Bedrohten. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie telefonisch ausgestoßen wird. Allein mit Rücksicht auf den Schutz des Betroffenen durch die Wände des Hauses fehlt es an der notwendigen unmittelbaren Verletzungsgefahr.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 16. September 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zusteht.

Die 1951 geborene Klägerin erstattete am 24. September 2004 bei dem Polizeikommissariat I. eine Strafanzeige gegen ihren damaligen, inzwischen wohl geschiedenen, Ehemann. Sie gab dabei u.a. an, sie werde seit der Trennung von ihrem Ehemann im Januar oder Februar 2004 von diesem bedroht, meistens am Telefon. Am 23. September 2004 habe ihr Ehemann in einem Telefongespräch gegen 20.00 Uhr geäußert:

“Miststück, Hure, Schlampe. Ich bringe dich um. Du hast mich beschissen, belogen, betrogen. Das wirst du büßen. Du wirst niemals Ruhe vor mir haben. Ich bringe dich in die Klapse oder in die Gruft.„

Während des Telefonates sei ein Klacken zu hören gewesen, das sich für die Klägerin wie das Durchladen einer Pistole angehört habe. Ihr Ehemann habe dazu geäußert:

“Hast du das verstanden. Weißt du es jetzt verstanden.„

Am 14. Dezember 2004 fand eine Durchsuchung der Wohnung und der Pkw des Ehemannes der Klägerin statt, wobei Schusswaffen nicht gefunden wurden. Ausweislich der Aufzeichnungen der durchführenden Polizeibeamten erklärte der Ehemann der Klägerin in diesem Zusammenhang, bei den Vorwürfen der Klägerin handele es sich um üble Nachrede, Verleumdung. Er sei nie im Besitz einer Waffe gewesen. Im März 2005 stellte die Staatsanwaltschaft J. das Ermittlungsverfahren gegen den Ehemann der Klägerin gemäß § 153 a Abs. 1 StPO vorläufig gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe 400,-- € ein.

Im Dezember 2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie machte seelische Gesundheitsstörungen als Folgen “körperlich seelischer Beschimpfungen, Bedrohungen mit einer Waffe, telefonischem Terror nächte- und tagelang„ geltend. Sie leide noch unter Schwindel, Übelkeit, Angstzuständen, Zittern und Erschöpfungszuständen.

Mit Bescheid vom 4. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Bei den geltend gemachten Beschimpfungen handele es sich nicht um eine Tätlichkeit. Die von der Klägerin behauptete Bedrohung lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Braunschweig erhoben und psychische Beeinträchtigungen als Schädigungsfolgen i.S. des Opferentschädigungsgesetz geltend gemacht. Ein tätlicher Angriff i.S. des § 1 OEG könne auch bereits bei bloßer Bedrohung mit einer Schusswaffe vorliegen.

Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin beigezogen und die Klage dann mit Urteil vom 16. September 2008 als unbegründet abgewiesen. Auch das nur behauptete Verhalten des Ehemannes der Klägerin stelle keinen tätlichen Angriff i.S. des OEG dar. Hierfür sei eine unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung erforderlich, wovon insbesondere im Hinblick auf eine telefonisch ausgesprochene Drohung nicht ausgegangen werden könne. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei vielmehr eine unmittelbare Bedrohung mit einer Gewalttat Voraussetzung für die Gewährung einer Entschädigung.

Gegen das ihr am 30. Oktober 2008 zugestellte Urteil wendet sich die am 24. November 2008 bei dem Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie weiterhin psychische Beeinträchtigungen als Schädigungsfolgen geltend macht. Bis zu der Trennung von ihrem Ehemann im Januar oder Februar 2004 habe es auch unmittelbare körperliche Übergriffe gegeben, die sie ebenfalls zum Gegenstand ihres bei dem Beklagten gestellten Antrags gemacht habe. Auch die Folgen dieser Übergriffe seien Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Daraus resultierten psychische Beeinträchtigungen. Soweit im Übrigen das Sozialgericht im Hinblick auf die telefonische Bedrohung die Annahme eines tätlichen Angriffes abgelehnt habe, entspreche dies nicht der aktuellen Rechtsprechung...

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