Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Anerkennung einer Colitis ulcerosa aufgrund einer HPV-Impfung
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung eines Impfschadens nach § 60 Abs. 1 S. 1 IfSG bzw. im Wege der Kann-Versorgung nach § 61 IfSG ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass dieser auf eine durchgeführte Impfung zurückgeführt werden kann. Ein bloßer zeitlicher Zusammenhang zwischen Impfung und dem Auftreten der Impfkomplikationen bzw. dem Auftreten des Impfschadens reicht nicht aus.
2. Es existiert keine Studie, die einen Ursachenzusammenhang zwischen einer HPV-Impfung und dem Auftreten einer Colitis ulcerosa nahelegt.
3. Die Datenlage ergibt ein uneinheitliches Bild im Hinblick auf das Risiko für die Indikation einer Colitis ulcerosa durch HPV-Impfstoffe. Die Colitis ulcerosa ist nicht als autoimmunologische Erkrankung anzusehen.
4. Ungewissheit als Voraussetzung einer Kann-Versorgung i. S. des § 61 S. 2 IfSG bedeutet, dass es keine einheitliche, sondern verschiedene ärztliche Lehrmeinungen gibt. Daran fehlt es zur erforderlichen Anerkennung einer HPV-Impfung als Ursache eines eingetretenen Impfschadens. Eine Kannversorgung unter dem Gesichtspunkt einer aluminiuminduzierten Erkrankung ist gleichfalls nicht zu gewähren.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 16.10.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Versorgung wegen einer HPV-Impfung gegen das humane Papillomavirus in Anspruch.
Die am 00.00.1998 geborene Klägerin wurde am 15.08.2012, 22.11.2012 und 09.04.2013 durch ihre Frauenärztin mit dem Impfstoff Gardasil geimpft. Die EU-weite Zulassung dieses Impfstoffes erfolgte nach Durchführung des zentralen Zulassungsverfahrens im September 2006 durch die Europäische Kommission. In den Fachinformationen aus März 2014 und Mai 2016 wird als Nebenwirkung des Impfstoffs - bezogen auf den Bereich des Gastrointestinaltrakts - Übelkeit angegeben. Die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut hat bestätigt, dass als Allgemeinreaktion auf die Impfung mit dem Wirkstoff Gardasil Kopf- und Gelenkschmerzen sowie gastrointestinale Symptome registriert worden seien (Bulletin 25, Ziff. 17). Ferner hat die STIKO darauf aufmerksam gemacht, dass die genannten Lokal- und Allgemeinreaktionen vorübergehender Natur seien.
Am 28.04.2013 teilte die Mutter der Klägerin der behandelnden Frauenärztin telefonisch mit, dass bei der Klägerin nach der dritten Gardasil-Impfung Panikattacken und blutiger Durchfall aufgetreten seien. In der Folgezeit wurde die Klägerin mehrmals stationär und ambulant wegen einer Pancolitis ulcerosa behandelt.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) erstattete unter dem 27.08.2015 ein sog. Behandlungsfehlergutachten nach §§ 66 Satz 2, 275 Abs. 3 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). In diesem Gutachten führte der MDK u.a. aus: Ein Behandlungsfehler sei nicht zu erkennen. Die Impfung sei vielmehr medizinisch indiziert gewesen. Kontraindikationen hätten nicht vorgelegen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und der aufgetretenen Colitis ulcerosa sei nicht gegeben, wobei eine statistisch signifikante Häufung von Pancolitis ulcerosa Erkrankungen nach HPV-Impfungen nicht bekannt sei. Ob die behandelnde Frauenärztin Aufklärungspflichten verletzt habe, müsse juristisch geklärt werden.
Im Dezember 2015 beantragte die Klägerin die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach den §§ 60 bis 64 IfSG i.V m. dem BVG. Als durch die Schutzimpfung hervorgerufene Gesundheitsstörung machte sie die bei ihr vorhandene Pancolitis ulcerosa geltend und legte in diesem Zusammenhang das vom MDK erstattete Behandlungsfehlergutachten vor.
Auf Veranlassung des Beklagten befragte die Leitende Landesmedizinaldirektorin Dr. C die Klägerin und ihre Eltern. Sie gaben dort zahlreiche Autoimmunerkrankungen in der Familie an. Vor der Impfung habe die Klägerin nicht unter Beschwerden im Bereich des Abdomens gelitten. Nach Beiziehung von Unterlagen über die Behandlung der Klägerin holte der Beklagte eine Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts ein. Dieses teilte unter dem 21.06.2016 mit, dass die Diagnose einer Colitis ulcerosa nicht vereinbar mit einem kausalen Zusammenhang zur Impfung sei. Nach dortiger Auffassung sei von einer Erstmanifestation der entzündlichen Darmerkrankung auszugehen, die sich unabhängig von der Impfung entwickelt habe. In einer weiteren Stellungnahme vom 01.07.2016 verneinte Dr. C einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Darmerkrankung. Auch die Voraussetzungen für eine "Kann-Versorgung" seien nicht erfüllt.
Der Beklagte lehnte daraufhin den Antrag ab und führte aus: Ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der Impfung und der Pancolitis ulcerosa bestehe nicht. Weder in den Fachinformationen noch im Bull...