Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Unternehmerrisiko bei der Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit zur abhängigen Beschäftigung
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit setzt die Annahme einer Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Das Risiko, bei fortlaufenden Kosten für Krankenversicherung und Altersvorsorge aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung keine gesicherten Einkünfte zu haben, führt noch nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses erst dann, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brach liegen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22. November 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.088,52 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung von Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung und die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen einer Betriebsprüfung.
Die Klägerin ist von Beruf Kommissionierin in einer Bürobedarfsfirma, daneben war sie Inhaberin eines inzwischen aufgegebenen Transportunternehmens im Güternah- und Regionalverkehr und erhielt als Subunternehmerin Aufträge einer Spedition, der Fa. L GmbH & Co KG.
Im streitgegenständlichen Prüfungszeitraum (01.01.2000 - 31.10.2004) besaß die Klägerin zwei Lkw. Für den einen Lkw setzte sie einen festangestellten Fahrer ein. Als Fahrer des anderen Lkw war der Ehemann der Klägerin, der seit 1993 Erwerbsunfähigkeitsrentner ist, als geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer angestellt. Außerdem wurde auf diesem Fahrzeug auch der Beigeladene zu 1) als sog. "selbständiger Transportfahrer" von der Klägerin eingesetzt. Der Beigeladene zu 1) stellte der Klägerin für die Durchführung von Transporten im Nahverkehr seine geleistete Arbeitszeit in Rechnung. Nach vorheriger kurzfristiger Absprache mit der Klägerin bzw. deren Ehemann führte der Beigeladene zu 1) die Transporte in der Zeit vom 01.02.2002 bis 30.09.2004 für die Klägerin regelmäßig durch, wobei er unter "UH, Dienstleistungen aller Art" oder "UH, Fahrerdienstleistungen" die Transporttage, die sich zwischen 4 und 22 Tagen im Monat bewegten, zu einem festen Tagessatz von 65,- EUR zuzüglich Mehrwertsteuer gegenüber der Klägerin abrechnete. Ein Auftrag wurde dergestalt abgewickelt, dass der Beigeladene zu 1) den Lkw der Klägerin an deren Firmensitz abholte und zur Spedition der Fa. L in B fuhr. Dort wurde ihm von dem jeweiligen Disponenten der konkrete Auftrag erteilt. Der Beigeladene zu 1) stellte sich die Tour selbst zusammen und fuhr diese dann. Bei Ankunft beim jeweiligen Abnehmer lud er die Ware ab und ließ sich den Empfang bestätigen. Nach Abschluss der Touren fragte er beim jeweiligen Disponenten in der Spedition der Fa. L in B nach, ob noch Aufträge zu erledigen seien. Wurde dies verneint, brachte er den Lkw zur Firma der Klägerin zurück. Der Beigeladene zu 1) absolvierte an Auftragstagen für die Klägerin Fahrten, die in der Regel von ca. 6:00 Uhr morgens bis ca. 15:00 bzw. 15:30 Uhr andauerten. Frachtführerin war stets die Klägerin.
Der Beigeladene zu 1), der aus der Fahrertätigkeit seine überwiegenden Einkünfte bezog, benutzte für seine Fahrten zugunsten der Klägerin ausschließlich deren firmeneigenen Lkw; einen eigenen Lkw besaß er nicht. Er war auch nicht im Besitz einer Gewerbeerlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes. Seit dem 06.01.1992 hatte er ein Gewerbe als Unternehmensberater, seit dem 21.06.1994 zusätzlich eines für den "Handel mit Arbeitsbedarf und Feuerwehrausrüstung" (abgemeldet am 31.01.1995), ab 01.02.1995 einen "Handel mit Arbeitsbedarf und Feuerwehrausrüstung sowie Serviceleistung" als GbR (aufgelöst zum 01.01.2003 und weitergeführt als Einzelgewerbe) sowie ab dem 01.06.2002 "Fahrdienstleistungen sowie Hausmeisterdienste und Gartenpflege" angemeldet.
Im o.a. Zeitraum, in welchem der Beigeladene zu 1) für die Klägerin tätig war, übernahm er in geringerem Umfang auch Aufträge für die Fa. L sowie für eine Fa. J in H1.
Vom 15.11. bis 17.11.2004 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01.01.2000 bis zum 31.10.2004 durch.
Nach der Schlussbesprechung vom 17.11.2004 hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 01.12.2004 zur beabsichtigten Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht des Beigeladenen zu 1) und zur Nachforderun...