Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. allgemeine Leistungsklage. Sozialhilfe. Unterkunft und Heizung. Direktzahlung der Miete an Vermieter. kein Rückzahlungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen Vermieter aus öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch. fehlender Rechtsbindungswille. Vorrang der Leistungsbeziehung. kein Durchgriff des Sozialhilfeträgers auf Vermieter
Orientierungssatz
1. Ein Sozialhilfeträger darf einen Anspruch auf Erstattung überzahlter Miete gegenüber dem Vermieter nicht durch Verwaltungsakt geltend machen (vgl VG Neustadt vom 16.1.2002 - 4 K 2436/01.NW), sondern ist darauf zu verweisen, gem § 54 Abs 5 SGG unmittelbar auf Zahlung zu klagen.
2. Ein Sozialhilfeträger hat gegen den Vermieter keinen Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Miete aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, weil es an einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen beiden fehlt.
3. Weder das wirtschaftliche Interesse des Vermieters an einem potenten und zuverlässigen Mietzahler in Gestalt des Sozialhilfeträgers noch das vom Sozialhilfeträger erfüllte öffentliche Interesse daran, einem Hilfesuchenden Unterkunft und Heizung zu sichern, reichen für die Annahme aus, der Sozialhilfeträger wolle mit seiner Erklärung, er "übernehme" die Kosten der Unterkunft für den Hilfesuchenden und werde sie unmittelbar an den Vermieter zahlen (überweisen), eine eigene materiell-rechtliche Leistungspflicht gegenüber dem Vermieter begründen. Eine solche Miet- und Kostenübernahmeerklärung steht unter dem Vorbehalt der Sozialhilfebedürftigkeit des Mieters. Sie kann einen Zahlungsanspruch des Vermieters nur begründen, wenn der Sozialhilfeträger seinen Rechtsbindungswillen unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat. Allein die Interessenlage zwischen Vermieter und Sozialhilfeträger rechtfertigt im Zweifel noch nicht die Annahme eines Vermieteranspruchs (vgl BVerwG vom 19.05.1994 - 5 C 33/91 = BVerwGE 96, 71 und OVG Münster vom 17.10.2000 - 22 A 5519/98 = FEVS 52, 303).
4. Geleistet haben vorliegend nur der Sozialhilfeträger an den Vermieter (aus dem Deckungsverhältnis) und der Hilfesuchende an den Vermieter (aus dem Valutaverhältnis). Soweit diese Leistung rechtsgrundlos erfolgt ist, ist sie deshalb aufgrund des Vorrangs der Leistungsbeziehung in den jeweiligen Leistungsverhältnissen rückabzuwickeln (vgl VG Regensburg vom 28.10.1999 - RO 8 K 98.1444).
5. Der Senat folgt nicht der Auffassung des VG Lüneburg, wonach der im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht geltende Vorrang der Leistungs- vor der Nichtleistungskondiktion im öffentlichen Recht wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht gelten könne (entgegen VG Lüneburg vom 24.6.2003 - 4 A 78/02).
6. Bestanden zwischen Sozialhilfeträger und Vermieter lediglich verwaltungstechnische Beziehungen bei der Zahlungsabwicklung, kann der Sozialhilfeträger sein Zahlungsbegehren nicht gegen den Vermieter, sondern allein gegen den Hilfesuchenden richten.
7. Ein Sozialhilfeträger kann sich nicht im Wege des Durchgriffs unmittelbar an den Vermieter mit der Begründung wenden, dass beide Rechtsverhältnisse (Valuta- und Deckungsverhältnis) ohne Rechtsgrund erfolgt sind (sog Direktkondiktion wegen Doppelmangel), wenn der Vermieter einen Rechtsgrund zum Behalten der Miete hat.
Normenkette
SGG § 54 Abs. 5; SGB X § 50 Abs. 3 S. 1, § 64 Abs. 3 S. 2
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 30.01.2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die notwendigen Kosten des Beklagten in beiden Rechtszügen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Streitwert wird für das Klageverfahren auf 260,00 Euro und für das Berufungsverfahren auf 232,50 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung von aus Mitteln der Sozialhilfe überwiesener Miete für die Beigeladene in Höhe von noch 232,50 Euro für März 2004.
Die Beigeladene bezog von der Klägerin ergänzende Sozialhilfe in der Zeit vom 01.12.2003 bis zum 31.03.2004. Sie hatte ab dem 01.12.2003 vom Beklagten eine Wohnung in B zum Preis von 310,00 Euro monatlich einschließlich Nebenkosten gemietet. Entsprechend dem Wunsch der Beigeladenen zahlte die Klägerin die Miete ab Januar 2004 unmittelbar an den Beklagten. Sie teilte diesem mit, es handele sich bei der Mietüberweisung lediglich um die Weiterleitung sozialhilferechtlicher Ansprüche der Beigeladenen; sie bedeute nicht das Einverständnis hinsichtlich der Zulässigkeit der geforderten Miete.
Am 04.02.2004 teilte die Beigeladene der Klägerin mit, die Wohnung habe erhebliche Mängel. Es regne herein, so dass der Laminatboden aufquelle. Ferner seien Briefkasten und Wohnungstür defekt. Trotz mehrfacher schriftlicher Aufforderung sei der Beklagte ihrer Bitte zur Mängelbeseitigung nicht nachgekommen. Sie beabsichtige, die Miete ab März 2004 um 50,00 Euro zu mindern.
Daraufhin stellte die Klägerin gegenüber der Beigeladenen durch Bescheid vom 12....