Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. fehlende hinreichende Erfolgsaussicht. Arbeitslosengeld II. Verfassungsmäßigkeit der Neuermittlung der Regelbedarfe für Alleinstehende und Kinder unter 6 Jahren ab dem 1.1.2011. Soziokulturelles Existenzminimum. Sozialgeld. Methodische Mängel bei der Ermittlung des Regelbedarfs. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Anpassung des Regelbedarfs. Altersstufen. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

 

Leitsatz (amtlich)

Es besteht keine für die Bewilligung von PKH erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage, wenn ausschließlich die Regelleistung für Erwachsene und für unter sechsjährige Kinder als verfassungswidrig gerügt wird und Fehler bei der Leistungsgewährung nicht ersichtlich sind.

 

Normenkette

SGB II §§ 20, 28; RBEG § 7 Abs. 2; GG Art. 1, 20 Abs. 1; SGG § 73a; ZPO § 114

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau. In der Sache begehren sie höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum vom 1. März bis 30. Juni 2011. Dabei haben sie im Klageverfahren bislang allein die Verfassungswidrigkeit der Regelleistungen gerügt.

Die am ... 1987 geborene Klägerin zu 1. und ihr Sohn, der am ... 2005 geborene Kläger zu 2., beziehen laufend Leistungen nach dem SGB II. Im streitigen Zeitraum hatten sie eine Gesamtmiete von 282 EUR/Monat aufzubringen. Für den Kläger zu 2. wurde Kindergeld i.H.v. 184 EUR/Monat gezahlt. Laufende Unterhaltsleistungen oder ein Unterhaltsvorschuss erhielten sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22. Februar 2011 hatte der Beklagte zunächst Leistungen unter Anrechnung von Unterhaltszahlungen an den Kläger zu 2. geleistet. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein und trugen vor, dass keine Unterhaltszahlungen geleistet würden. Mit Änderungsbescheid vom 4. Mai 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern monatlich 808 EUR/Monat für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 2011. Die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) übernahm er ungekürzt. Die Regelleistung für die Klägerin zu 1. setzte er i.H.v. 364 EUR und das Sozialgeld für den Kläger zu 2. i.H.v. 215 EUR fest. Ferner erhielt die Klägerin zu 1. einen Mehrbedarf für Alleinerziehung i.H.v. 131 EUR. Als Einkommen wurde für den Kläger zu 2. nur das Kindergeld i.H.v. 184 EUR berücksichtigt. Den Widerspruch wies der Beklagte im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2011 zurück.

Dagegen haben die Kläger am 7. Juni 2011 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Die Höhe der Regelleistung sei verfassungswidrig und entspreche nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 2/09 und 4/09). Es fehle der Nachweis, dass die angewendete Statistik- und Verbrauchsmethode das Ausgabeverhalten unterer Einkommensgruppen tatsächlich wiedergebe, und welche Aufwendungen konkret für ein menschenwürdiges Existenzminimum benötigt würden. Es komme zu Bedarfsunterdeckungen. Der Bedarf für einen Einpersonenhaushalt wäre nach der Alternativberechnung des Paritätischen Wohlfahrtverbands mit 442 EUR/Monat zu berechnen. Für den Wechsel auf die unteren 15 % der für die Ermittlung der Ausgaben relevanten Einpersonenhaushalte fehle jegliche Grundlage und nachvollziehbare Begründung. Durch Herausnahme von Bedarfsgruppen im Rahmen der Stichprobenerhebung erfolgten Zirkelschlüsse. Ausgabenkürzungen seien nicht realitätsgerecht vorgenommen worden und auch methodisch nicht vertretbar. Für die Höhe der Regelsätze für Kinder und Jugendliche seien die Datengrundlagen nicht ausreichend. Es sei keine ausreichende und gesunde Ernährung mit den für Kinder und Jugendliche vorgesehenen Mitteln möglich.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 9. August 2012 abgelehnt. Der Rechtsstreit habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Ein Anspruch auf weitere Leistungen aufgrund einer Entscheidung des BVerfG sei für den streitigen Zeitraum unwahrscheinlich. Allein dieses sei für die Prüfung zuständig, ob die Regelleistungen den verfassungsrechtlichen Vorgaben genüge. Für die Verfassungswidrigkeit des neuen Regelbedarfsgesetzes gebe es keine Anhaltspunkte. Selbst im Fall einer durch das BVerfG abermals feststellten Unvereinbarkeit der Regelbedarfe mit dem Grundgesetz (GG) wäre die Erfolgschance für eine rückwirkende Erhöhung der Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum nur eine entfernte. Das BVerfG habe bereits im Urteil vom 9. Februar 2010 ausgeführt, dass die damaligen Regelleistungen nicht evident unzureichend gewesen seien. Mangels eigener Regelungsbefugnis habe das BVerfG auch nicht einen bestimmten Leistungsbetrag festsetzen dürfen. Die verfassung...

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