Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Analogleistung. Nichterfüllung der Vorbezugszeit. Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG 2004. Ausübung der elterlichen Sorge über ein deutsches Kind. verfestigter Aufenthalt. verfassungskonforme Auslegung. Nachzahlung von Leistungen. Wegfall der Bedürftigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Es bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einbeziehung der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG; juris: AufenthG 2004) in den Kreis der Leistungsberechtigten gemäß § 1 Abs 1 Nr 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), sofern diese die elterliche Sorge über ein Kind deutscher Staatsangehörigkeit ausüben, da bei diesen Personen von einem verfestigten Aufenthalt auszugehen ist. Die Hilfebedürftigkeit ist durchgängig bis zur letzten Tatsacheninstanz nachzuweisen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.06.2021; Aktenzeichen B 7 AY 3/20 R)

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 25. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

2.Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3.Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten sogenannte "Analogleistungen" nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit von Januar 2007 bis März 2007 sowie für Oktober 2007 und November 2007.

Die 1980 geborene Klägerin ist serbische Staatsangehörige. Sie reiste am 8. Oktober 2004 mit ihrer im Mai 2003 geborenen Tochter in das Bundesgebiet ein und beantragte am 11. Oktober 2004 Asyl. Die Klägerin erhielt eine Aufenthaltsgestattung bis zum 17. April 2007 und bezog von der Beklagten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ab November 2004. Über Einkommen und Vermögen verfügte sie zunächst nicht. Am 19. Juli 2007 nahm die Klägerin eine Beschäftigung als Reinigungskraft auf. Das daraus erzielte Einkommen rechnete die Beklagte auf die Leistungen für Oktober 2007 und November 2007 an. Leistungen nach § 2 AsylbLG bewilligte die Beklagte der Klägerin ab November 2008 (Bescheid vom 12. November 2008). Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ab mit Bescheid vom 14. Januar 2005. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wurden nicht festgestellt. Die dagegen am 31. Januar 2005 vor dem Verwaltungsgericht B. erhobene Klage nahm die Klägerin am 9. März 2007 zurück (Az.: 3 K 30017/05). Die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides trat am 16. März 2007 ein.

Am 23. September 2006 brachte die Klägerin ihren Sohn zur Welt. Dieses Kind hat die deutsche Staatsbürgerschaft inne nach seinem Vater, der getrennt von der Klägerin wohnte. Dieser bezog seinerzeit Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Sohn erhielt von der Beklagten Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), da er bei seiner Mutter lebte. Am 21. Juni 2007 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

Mit der am 24. August 2007 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage wandte sich die Klägerin nach Verbindung der sie betreffenden Streitverfahren durch Beschluss vom 11. Juli 2011 (vormalige Verfahren S 19 AY 25/07, S 19 AY 1/08 und S 19 AY 5/08; das führende Verfahren wurde nach Ruhensanordnung von der 54. Kammer übernommen und mit dem Az.: S 54 AY 18/12 versehen) gegen die Bewilligung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für Januar 2007 bis März 2007, Oktober 2007 und November 2007 (Bescheid vom 21. Dezember 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2007, Bescheid vom 19. September 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2008 sowie der Bescheid vom 12. Oktober 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2008). Die Klägerin meinte, § 2 AsylbLG sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Vorbezugszeit von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG von 36 Monaten bzw. 48 Monaten nicht heranzuziehen sei, sofern der Leistungsbezieher allein sorgeberechtigt für ein deutsches minderjähriges Kind sei. Ansonsten bestehe ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Außerdem werde die Klägerin in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. Februar 2014). Die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG lägen nicht vor, da die Vorbezugszeit von 36 Monaten bzw. 48 Monaten nicht erfüllt sei. Dieses Erfordernis gelte auch für die Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG (Bezug auf LSG Nordrhein-Westfalen vom 27. Februar 2012 - L 20 AY 48/08). Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Klägerin bestehe nicht; vielmehr würde eine solche nach der Ansicht des Sozialgerichts eintreten, würde man den Überlegungen der Klägerin folgen und hinsichtlich des § 2 AsylbLG anstelle der Vorbezugszeit auf die Staatsangehörigkeit von Kindern abstellen. Soweit aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 (Az.: 1 BvL 10/10 u.a.) rückwirkend höhere Leistungen ab dem 1. Januar...

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