0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) v. 20.12.2022 (BGBl. I S. 2328) wurde die Vorschrift mit Wirkung zum 1.7.2023 in das SGB II eingefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift enthält Regelungen zur Erreichbarkeit für das Jobcenter und zu den Bedingungen, unter denen erwerbsfähige Leistungsberechtigte auch bei fehlender Erreichbarkeit Bürgergeld beanspruchen können. Die Vorschrift wird durch eine Ermächtigung in § 13 Abs. 3 ergänzt, aufgrund derer das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen zum näheren Bereich i. S. d. § 7b Abs. 1 Satz 2 zu treffen sowie dazu, für welchen Zeitraum und unter welchen Voraussetzungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei einem Aufenthalt außerhalb des näheren Bereichs einen Leistungsanspruch haben können, ohne erreichbar zu sein. Dagegen enthält das Gesetz keine Übergangsregelung. Demzufolge kann eine Verordnung des BMAS vollumfänglich Näheres zur Erreichbarkeit mit Wirkung zum 1.7.2023 regeln. Die Verordnung zur Regelung weiterer Voraussetzungen der Erreichbarkeit erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Erreichbarkeits-Verordnung – ErrV) v. 28.7.2023 wurde am 7.8.2023 im BGBl. I Nr. 207 veröffentlicht und ist am 8.8.2023 in Kraft getreten.
Rz. 2a
Die Gesetzesbegründung führt allgemein aus, dass durch das Bürgergeld-Gesetz eine neue Vertrauensbasis zwischen Bürger und Verwaltung geschaffen werden soll. Diese Vertrauensbasis hat demnach auch Auswirkungen auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen Leistungsberechtigte ihre Leistungen beanspruchen können. Die im Jahr 2011 geschaffene Regelung in § 7 Abs. 4a ist nach § 77 Abs. 1 nicht in Kraft getreten, weil kein Bedarf für den Erlass einer Verordnung durch das BMAS bestanden haben soll. Anlässlich der Einführung des Bürgergeldes werden jetzt allerdings die Regelungen zur Erreichbarkeit Leistungsberechtigter in § 7b neu gefasst. Sie führen der Gesetzesbegründung zufolge zu deutlichen Verbesserungen für die Leistungsberechtigten bei gleichzeitigem Bürokratieabbau. Mit den Vorschriften wird wie bisher das Ziel einer möglichst schnellen und nachhaltigen Eingliederung bzw. Verminderung oder Beseitigung der Hilfebedürftigkeit verfolgt. Die ErrV ist allerdings gegenüber einem zuvor veröffentlichten Referentenentwurf nochmals deutlich präzisiert worden, dabei wurden auch Spielräume für die Jobcenter eingeengt.
Rz. 2b
Abs. 1 Satz 1 stellt den Grundsatz auf, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte Leistungen erhalten, also das Bürgergeld beziehen können, wenn sie erreichbar sind. Dieser Grundsatz und die weiteren Bestimmungen des § 7b und einer aufgrund des § 13 Abs. 2 erlassenen Rechtsverordnung zur Erreichbarkeit dienen ersichtlich dem Ziel einer möglichst schnellen und nachhaltigen Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit bzw. Verminderung oder Beseitigung der Hilfebedürftigkeit (vgl. auch § 1 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 und § 2 Abs. 1). Deshalb wird in Abs. 1 Satz 1 festgelegt, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte Leistungen erhalten, wenn sie erreichbar sind. Grundsätzlich können damit nicht erreichbare erwerbsfähige Leistungsberechtigte keine Leistungen erhalten. Für sie werden nachfolgend speziellere Regelungen getroffen. Dagegen gelten für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte die Regelungen des § 7b nicht, weil sie nach der Gesetzesbegründung zum einen über die zur Bildung einer Bedarfsgemeinschaft erforderliche erwerbsfähige leistungsberechtigte Person erreichbar sind und zum anderen bei ihnen das Ziel dieser Vorschrift, nämlich die Eingliederung in Arbeit, nicht angestrebt wird und auch nicht erreicht werden kann.
Rz. 2c
Als erreichbare erwerbsfähige Leistungsberechtigte definiert Abs. 1 Satz 2 die Personen, die sich im näheren Bereich des zuständigen Jobcenters aufhalten und werktäglich dessen Mitteilungen und Aufforderungen zur Kenntnis nehmen können. Demnach enthält die Erreichbarkeit zwei Elemente: Den Aufenthalt im näheren Bereich des Jobcenters sowie die Möglichkeit, werktäglich Mitteilungen und Aufforderungen des Jobcenters zur Kenntnis zu nehmen. Beide Voraussetzungen müssen simultan vorliegen. Dagegen schreibt das Gesetz nicht vor, dass der Aufenthalt am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gewährleistet sein muss und auch nicht, wie der erwerbsfähige Leistungsberechtigte die Nachrichten des Jobcenters zur Kenntnis nehmen muss. Bei beiden Elementen besteht daher von vornherein Gestaltungsspielraum für die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, allerdings nur im Rahmen der ErrV. Mitteilungen und Aufforderungen des zuständigen Jobcenters müssen nach § 2 ErrV werktäglich zur Kenntnis genommen werden können, also Montag bis Samstag, an gesetzlichen Feiertagen jedoch nicht. Bei Mitteilungen und Aufforderungen, die samstags oder vor gesetzlichen Feiertagen eingehen, ist e...