Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsbemessung in der Krankenversicherung für einen hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Nach § 240 Abs. 1 S. 1 SGB 5 wird für freiwillige Mitglieder der Krankenversicherung die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Der Nachweis niedriger Einnahmen des freiwilligen Mitglieds kann durch Vorlage von Einkommensteuerbescheiden geführt werden. Die Krankenkasse kann den Beitrag eines hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigen über § 240 SGB 5 hinaus bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch einen vorläufigen Bescheid regeln. Bis zur Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides kann die Beitragshöhe einstweilig nach den voraussichtlichen Einnahmen festgesetzt werden. Zwischen dem ersten Einkommensteuerbescheid der Gründungszeit und den nachfolgenden Einkommensteuerbescheiden ist deutlich zu differenzieren.
2. § 7 Abs. 7 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler fordert für die endgültige Festsetzung die Vorlage von Einkommensteuerbescheiden und differenziert nicht danach, auf welcher Grundlage diese erstellt worden sind. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes können Einkommensteuerbescheide, die aufgrund von Schätzungen erfolgen, Grundlage für die endgültige Beitragsbemessung sein.
Normenkette
SGB V § 240 Abs. 1 S. 1, § 223 Abs. 3 S. 1; Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler § 7 Abs. 3, 7; SGG § 86a Abs. 2, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2; SGB X § 39 Abs. 2; SGB IV § 25 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 11. März 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller war bis 29. Juni 2006 Leistungsempfänger der Bundesagentur für Arbeit und pflichtversichert bei der BKK Gesundheit, die später mit der Antragsgegnerin fusionierte. Seit 30. Juni 2006 ist der Antragsteller selbständiger Rechtsanwalt. Als solcher war er bei der Antragsgegnerin bis 30. April 2013 freiwillig krankenversichert, seit Mai 2013 besteht die Versicherung bei der Techniker Krankenkasse. Von der Bundesagentur für Arbeit erhielt der Antragsteller vom 30. Juni bis 29. Dezember 2006 Überbrückungsgeld in Höhe von 1.773,65 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 11. August 2006 setzte die Antragsgegnerin die Beiträge für die Pflege- und Krankenversicherung in Höhe von 295,94 EUR monatlich vorläufig auf Basis der Mindestbemessungsgrundlage nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Alternative 2 SGB V fest, weil noch keine amtlichen Unterlagen (Einkommensteuerbescheid vom Finanzamt) zugrunde gelegt werden könnten. Sobald der Antragsteller die fehlenden Unterlagen bei ihr eingereicht habe, werde ein endgültiger Beitragsbescheid erteilt werden. Mit Änderungsbescheiden vom 25. Januar und 17. Dezember 2007 passte die Antragsgegnerin die Beitragsforderungen den gesetzlichen Änderungen an.
Nachdem die Antragsgegnerin den Antragsteller im März 2008 erfolglos aufgefordert hatte, aktuelle Einkommensnachweise vorzulegen, setzte sie mit Bescheid vom 1. April 2008 die Beiträge für den Zeitraum vom 30. Juni 2006 bis 29. Februar 2008 erstmals endgültig auf Grundlage der maßgebender Beitragsbemessungsgrenze fest. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch und legte den Einkommensteuerbescheid vom 30. November 2007 für das Jahr 2006 mit dem Hinweis vor, dass Einspruch erhoben und im Rahmen des Einspruchsverfahrens die Veranlagung eingereicht worden sei. Daraufhin nahm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19. April 2008 den Bescheid vom 1. April 2008 zurück und teilte mit, dass der vorläufige Beitragsbescheid vom 11. August 2006 damit weiter seine Gültigkeit behalte. Es folgten weitere vorläufige Beitragsbescheide aufgrund gesetzlicher Änderungen. Nachdem die Antragsgegnerin den Antragsteller wiederum mehrfach ohne Ergebnis aufgefordert hatte, aktuelle Einkommensteuerbescheide oder vergleichbare amtliche Unterlagen vorzulegen, setzte sie die Beiträge mit Bescheid vom 16. August 2012 ab 1. September 2012 in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze fest. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und legte den Einkommensteuerbescheid für 2009 unter Hinweis darauf, dass dieser noch nicht rechtskräftig sei, vor. Mit Anpassungsbescheid vom 7. Januar 2013 erhöhte die Antragsgegnerin ab Januar 2013 die Beiträge um die gesetzliche Änderung.
Im Rahmen eines Auskunftsersuchens teilte das Finanzamt Pinneberg der Antragsgegnerin im Oktober 2012 mit, dass für die Jahre 2006 bis 2010 Einkommensteuerbescheide vorliegen würden, und zwar für 2006 mit Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 30.000,00 EUR, für 2007 60.000,00 EUR, für 2008 70.000,00 EUR und für 2009 80.000,00 EUR. Mit Schreiben vom 6. Februar 2013 fordert...