rechtskräftig: ja BSG-Az.: B 6 KA 29/00 R
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung des persönlichen Erscheinens; Außergerichtliche Kosten; Fristsetzung zur Vollmachtseinreichung; Gerichtsakten; Organ der Rechtspflege; Prozeßvollmacht; Rechtsanwalt; Unzulässigkeit der Berufung; Unzulässigkeit der Klage Verwaltungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Eine im Verwaltungsverfahren vorgelegte und in den beigezogenen Verwaltungsakten befindliche Prozeßvollmacht gilt nicht als zu den Gerichtsakten gelangt und reicht deshalb zum Nachweis der Vertretungsberechtigung im Prozeß zumindest dann nicht aus, wenn sie sich nicht klar auch auf das dem Verwaltungsverfahren folgende Gerichtsverfahren bezieht und in letzterem nicht ausdrücklich auf diese Bevollmächtigung Bezug genommen wird. Es reicht nicht, daß das im Verwaltungsverfahren vorgelegte Formular mit „Prozeßvollmacht” überschrieben worden ist und auch zur „Einlegung von Rechtsmitteln” berechtigt.
Im sozialgerichtlichen Verfahren ist – anders als im Zivilprozeß und im Verwaltungsprozeß – das Fehlen einer Prozeßvollmacht von Amts wegen zu beachten, auch wenn als Prozeßbevollmächtigter ein Rechtsanwalt das Verfahren betreibt. § 88 Abs. 2 ZPO ist hier nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar. Daran ändert die Stellung des Rechtsanwalts als ein Organ der Rechtspflege nichts.
Aus der im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Amtsermittlungspflicht folgt nicht die Pflicht des Gerichts, beim Fehlen einer Prozeßvollmacht das persönliche Erscheinen des – angeblich vertretenen – Beteiligten zur mündlichen Verhandlung anzuordnen, um das Vorhandensein einer Bevollmächtigung zu erforschen.
Einem Rechtsanwalt, der die von ihm behauptete Bevollmächtigung durch einen Beteiligten trotz entsprechender gerichtlicher Aufforderung nicht durch die Vorlage einer Prozeßvollmacht nachweist, können – obwohl er selbst nicht Verfahrensbeteiligter ist – die nach § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten auferlegt werden.
Normenkette
SGG § 73 Abs. 1-4, § 111 Abs. 1, § 193 Abs. 4 S. 2, § 202; ZPO §§ 80, 88 Abs. 2; VwGO § 67 Abs. 3; BGB §§ 177, 179
Beteiligte
1) AOK Schleswig-Holstein – Die Gesundheitskasse – |
2) IKK Landesverband Nord |
3) BKK-Landesverband NORD |
4) Schleswig-Holsteinische Landwirtschaftliche Krankenkasse |
Assessoren Burkhard Gabbe und Cornelia Adler |
5) Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein |
Justitiare Schulz-Dusenschön und Sterzik, Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein |
6) Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. |
7) Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. |
Verfahrensgang
SG Kiel (Entscheidung vom 11.05.1999; Aktenzeichen S 16 KA 124/97) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 11. Mai 1999 wird als unzulässig verworfen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten für beide Instanzen trägt Rechtsanwalt
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommene Minderungen der Honoraranforderungen des Klägers in beiden Kassenbereichen für die Quartale II und IV/95. Vorrangig geht es um die Zulässigkeit der Berufung wegen des Fehlens einer Prozeßvollmacht.
Der Kläger ist … zur kassen- bzw. vertragsärztlichen Versorgung als Arzt für … zugelassen. Auf Prüfanträge der Beigeladenen nahm der Prüfungsausschuß, bezogen auf den Gesamtfallwert, Minderungen der Honoraranforderungen … vor. Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Bescheid vom 2. April 1997 zurück.
In dem Verfahren vor dem Prüfungsausschuß hatten die Rechtsanwälte … und B. jeweils, bereits bevor die Bescheide des Prüfungsausschusses ergingen, „Prozeßvollmachten” des Klägers eingereicht, die ausgefüllt waren mit „in Sachen Dr. med. W. ./. KV … wegen Honorarkürzung Quartal II/95 bzw. IV/95”. Die Vollmachten erstreckten sich u. a. auf die „Einlegung und Rücknahme von Rechtsmitteln”.
Am 23. April 1997 ist gegen den Bescheid des Beklagten Klage beim Sozialgericht … erhoben worden. Die Klagschrift weist den Briefkopf der Rechtsanwälte L. und S. aus. Unterschrieben ist sie von Rechtsanwalt S. mit der Angabe, im Namen und mit Vollmacht des Klägers zu handeln. Mit der Bestätigung des Klageeingangs sind die Rechtsanwälte vom Sozialgericht – vergeblich – gebeten worden, eine Vollmacht einzureichen. Die Klage ist nicht schriftlich begründet worden. Mit Schreiben vom 7. August 1997 hat der Kammervorsitzende den Beteiligten mitgeteilt, daß es eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid erwäge und diesen Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Mit weiterem Schreiben vom 5. März 1999 hat der Kammervorsitzende die genannten Rechtsanwälte darauf hingewiesen, daß noch keine Vollmacht für das Klageverfahren vorliege und er vorsorglich darauf aufmerksam mache, daß die im Verwaltungsverfahren eingereichte Vollmacht als nicht ausreichend angesehen werde. Zur Vorlage der Vollmacht hat er eine Frist bis zum 30. A...