Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsausschluss der Krankenkasse bei nach vollendetem 18. Lebensjahr begonnener kieferorthopädischer Behandlung
Orientierungssatz
1. Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse nach § 13 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB 5 ist der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung. Daran fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre, oder die Entscheidung der Krankenkasse nicht abgewartet wurde, vgl. BSG, Urteil vom 01. April 2010 - B 1 KR 114/09 B.
2. Unabhängig von der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges sind die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs dann nicht erfüllt, wenn die Krankenkasse die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Nicht zur zahnärztlichen, von der Krankenkasse zu übernehmenden Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu deren Beginn das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben. Der umfassend geregelte altersbezogene Leistungsausschluss des § 28 Abs. 2 S. 6 und 7 SGB 5 gilt unabhängig von den Gründen, die im konkreten Fall zu einer Behandlungsnotwendigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres geführt haben.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten einer privatärztlich erbrachten CMD-Kieferorthopädie-Behandlung in Höhe von 4.358,32 EUR.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin leidet an einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD), einer Erkrankung des Kau- und Schlucksystems. Nach zahlreichen Behandlungen seit 2006 durch Zahnarzt, Kieferorthopäde, Kieferchirurg mit Kiefergelenksoperationen in 2010 und 2011, Physiotherapeut, Logopäde, Psychotherapeut und Schmerztherapeut stellte sie sich im Jahre 2012 bei Dr. S., einem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnarzt, vor, erstmals am 22.03.2012. Nach einer eingehenden Beratung an diesem Tag und zwei weiteren Erörterungs-/Beratungsterminen am 08. und 10.05.2012 erstellte Dr. S. am 19.05.2012 einen privatärztlichen Behandlungsplan; am selben Tag nahm er eine Abformung beider Kiefer vor, erstellte eine Fotografie und nahm weitere Untersuchungen sowie eine klinische Funktionsanalyse vor. Nach einer weiteren Beratung am 24.05.2012 führte Dr. S. am 26.06.2012 eine Occlusil-XH-Bissnahme durch. Bereits am 30.03.2012 hatte ein Zahnlabor dem Zahnarzt Dr. S. für die Behandlung der Klägerin u.a. ein Modell aus Superhartgips und am 31.05.2012 ein weiteres Modell aus Hartgips sowie die Basis für ein Einzelkiefergerät geliefert und das dafür angefallene Material sowie die durchgeführten Arbeiten in Rechnung gestellt.
Am 25.06.2012 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für die CMD-Kieferorthopädie-Behandlung unter Vorlage des privatärztlichen Heil- und Kostenplans (HKP) von Dr. S. vom 22.05.2012.
Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 03.07.2012 ab mit der Begründung, Dr. S. sei kein zugelassener Kieferorthopäde, könne nicht mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen und habe einen privaten Behandlungsplan erstellt; eine Behandlung bei Dr. S. zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen sei nur im Ausnahmefall möglich, wenn vor Behandlungsbeginn ein Antrag gestellt und diesem zugestimmt worden sei. Eine Zustimmung könne jedoch nicht erfolgen, da es ausreichend vertraglich zugelassene Kieferorthopäden gebe.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12.12.2012 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 04.01.10213 Klage erhoben. Sie hat verschiedene Stellungnahme und Schreiben von Dr. S. vorgelegt, auf die sie ihr Klagebegehren stützt. Dr. S. habe festgestellt, dass die in der Vergangenheit zu Lasten der Beklagten durchgeführten Behandlungen die Zähne falsch ausgerichtet und die desolate gesundheitliche Situation verursacht hätten; die seit 2006 durchgeführten Maßnahmen hätten zu keiner Verbesserung, vielmehr zu weiteren Schäden geführt; der Hauszahnarzt Dr. T. und der Kieferorthopäde Dr. U. hätten sich keinen Rat mehr gewusst, sie hätten nichts mehr für sie tun können. Die Klägerin meint, es habe bei ihr ein Notfall vorgelegen, nämlich eine dringende Behandlungsbedürftigkeit, ohne dass ein Vertragsarzt rechtzeitig zur Verfügung gestanden hätte. Nachdem die Klägerin zunächst die Auffassung vertreten hat, die Behandlung bei Dr. S. habe am 22.03.2012 begonnen, hat sie im letzten Schriftsatz gemeint, der Behandlungsbeginn sei nicht am 22.03.2012 gewesen; zu diesem Zeitpunkt seien lediglich Vorbereitungsmaßnahmen getroffen worden, die sie noch nicht gebunden hätten und die zudem erforderlich gewesen seien, damit die Beklagte überhaupt in die Lage versetzt werden konnte, über den Antrag entscheiden zu können. Es gehe vorliegend nicht nur um die Kiefergelenksbeschwerde...