Entscheidungsstichwort (Thema)

Terminsgebühr bei Teilanerkenntnis mit anschließender Erledigterklärung bzw. Klagerücknahme im Übrigen

 

Orientierungssatz

1. Die Frage, ob ein angenommenes Teilanerkenntnis mit anschließender Erledigterklärung (= Klagerücknahme) im Übrigen die Terminsgebühr auslöst, ist in der Rechtsprechung umstritten (Entgegen: SG Hamburg, Beschluss vom 10. November 2011, S 23 SF 217/11 E, SG Nürnberg, Beschluss vom 16. September 2011, S 19 SF 108/11 E).

2. Es erschließt sich in keiner Weise, wieso die Sozialgerichte Hamburg und Nürnberg davon ausgehen, dass der Wortlaut der Nummer 3106 Nr. 3 VV RVG (juris: RVG-VV) eindeutig in ihrem Sinne sei. Das Gegenteil ist der Fall. Denn es heißt dort gerade nicht “durch„ angenommenes Anerkenntnis, sondern “nach„ angenommenem Anerkenntnis. Nur die Verwendung des Wortes “durch„ würde aber die von den genannten Gerichten angenommene eindeutige Beschränkung auf das vollständige Anerkenntnis bewirken. Die Verwendung des Wortes “nach„ dagegen lässt gerade Raum dafür, dass der Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung endet durch weitere Erklärungen “nach„ angenommenem Anerkenntnis. Wollte man rein auf den Wortlaut abstellen, müsste also eher das Teilanerkenntnis unter Nr. 3 fallen, denn das Vollständige.

3. Kann somit nicht ausschließlich auf den Wortlaut abgestellt werden, ist die Regelung nach Sinn und Zweck auszulegen. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber sich trotz des grundsätzlich vorhandenen Ziels, die Verfahrenskosten für die nach § 183 Satz 1 SGG kostenprivilegierten Kläger beim Sozialgericht niedrig zu halten, für eine fiktive Terminsgebühr entschieden hat, ist zu schließen, dass das Ziel der Vermeidung arbeitsintensiver Verhandlungstermine hier den wesentlichen Ausschlag für die Regelung gegeben hat. Diesem Ziel entspricht es, sowohl das angenommene vollständige Anerkenntnis als auch das Teilanerkenntnis und die nachfolgende Erledigterklärung (Klagerücknahme) unter Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG zu fassen.

 

Tenor

1. Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 17.11.2011 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.10.2011 im Ausgangsverfahren S 30 SB 246/07 wie folgt abgeändert:

Die von dem Erinnerungsgegner an den Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden auf

386,75 €

festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

 

Gründe

A.

Im Ausgangsverfahren S 30 SB 246/07 machte der Erinnerungsführer mit der Klageschrift vom 12.10.2007 die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 40 gegen den Erinnerungsgegner geltend. Zur Begründung wurde vom Prozessbevollmächtigten mehrseitig zu den medizinischen Problemen des Mandanten ausgeführt. Es folgten zwei weitere, jeweils 2 ½-seitige Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten. Nach Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet, welches den festgestellten GdB von 40 bestätigte, erhob der Erinnerungsführer Einwendungen gegen das Gutachten, die begründet wurden. Weiterhin wurde ein Antrag nach § 109 SGG angekündigt unter Hinweis darauf, dass diesbezüglich noch Klärungsbedarf bestand. Mit gesondertem Schriftsatz wurde später der konkret zu beauftragende Arzt benannt. Das Gericht holte ein Gutachten auf dem Fachgebiet des Inneren nach § 109 SGG wie beantragt ein. Dieses ergab eine Empfehlung des Gutachters dahingehend, einen GdB von 50 festzustellen. Daraufhin gab der Erinnerungsgegner mit Schriftsatz vom 08.02.2010 ein Teilanerkenntnis wie folgt ab:

“Der Beklagte erklärt sich bereit, mit Wirkung ab 01. Dezember 2008 einen GdB von 50 festzustellen.„

Der Erinnerungsführer nahm diese Erklärung mit Schriftsatz vom 22.02.2010 an und beantragte gleichzeitig eine Kostengrundentscheidung sowie die Übernahme der Kosten des Gutachtens nach § 109 SGG auf die Staatskasse. Der Erinnerungsgegner trat einer Kostenerstattung entgegen. Hierzu nahm der Prozessbevollmächtigte jeweils auf Aufforderung des Gerichts in drei weiteren Schriftsätzen Stellung. Nach Übernahme der Kammer durch die jetzige Vorsitzende wurde im Dezember 2010 über beide Anträge des Prozessbevollmächtigten entschieden, hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten wurde der Erinnerungsgegner zur hälftigen Erstattung verpflichtet.

Mit Antrag vom 10.01.2011 begehrte der Erinnerungsführer Kostenfestsetzung i.H.v. insgesamt 650,00 Euro netto = 773,50 Euro brutto. Der Nettobetrag setzt sich zusammen aus einer Verfahrensgebühr i.H.v. 350,00 Euro, einer Terminsgebühr i.H.v. 270,- Euro sowie Dokumenten- und Post- und Telekommunikationspauschale (insgesamt 30,00 Euro). Der Antrag enthält keine Begründung. Der Erinnerungsgegner erklärte sich bereit, Kosten i.H.v. 163,03 Euro brutto insgesamt zu erstatten. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer Verfahrensgebühr i.H.v. 250,00 Euro netto sowie den o.g. Pauschalen (24,00 Euro netto) zuzüglich der Umsatzsteuer (19 % = 52,06 Euro). Vom sich ergebenden Gesamtbetrag i.H.v. 326,06 Euro brutto sei nach der Kostengrundentscheidung nur die Hälfte geschul...

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