Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Einkommenseinsatz. amerikanische Corona-Soforthilfe. Zweckbestimmung

 

Orientierungssatz

1. Die amerikanische Corona-Soforthilfe ist auf die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB 12 als Einkommen anzurechnen.

2. Die bloße Bezeichnung einer Leistung oder ein bloßes Motiv ihrer Einführung ohne konkrete Verwendungsbestimmung genügen für eine Zweckbestimmung nicht.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wehrt sich dagegen, dass der Einmal-Scheck in Höhe von 1.400 Dollar, den sie als Corona-Soforthilfe des US-amerikanischen Staates im Rahmen des „Amerikanischen Rettungsplans“ erhalten hat (im Folgenden: amerikanische Corona-Soforthilfe) auf die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bedarfsmindernd angerechnet wird. Streitgegenständlich ist eine Summe von 1.147,54 Euro sowie der Zeitraum vom August 2021 bis zum November 2021.

Die am 26.01.1940 geborene Klägerin ist deutsche Staatsbürgerin und steht seit 2004 im Leistungsbezug der Landeshauptstadt Hannover. Sie erhält Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Seit dem 01.12.2003 ist für sie das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung seitens der Deutschen Rentenversicherung bestätigt. Die Klägerin lebte in den USA und war dort berufstätig. In Las Vegas heiratete sie am 17.01.1974 einen amerikanischen Staatsbürger. Die Ehe wurde 1977 geschieden. Seit 1996 lebt sie in ihrer jetzigen Wohnung in Hannover.

Die Deutsche Rentenversicherung gewährte der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum eine Altersrente für Frauen von 603,09 Euro. Zudem erhielt die Klägerin eine monatliche Rente der US-amerikanischen Rentenversicherung in Höhe von 239,32 Euro im Juni 2021, 245,45 Euro im Juli 2021, 245,68 Euro im August 2021, 247,29 Euro im September 2021, 249,95 Euro im Oktober 2021 und 253,01 Euro im November 2021.

Die Klägerin erhielt ein Schreiben aus dem „Weißen Haus“ mit der Unterschrift des US-Präsidenten Joe Biden vom 22.04.2021, das auf eine Zahlung in Höhe von 600 Dollar Soforthilfe im Rahmen der Corona-Pandemie hinwies, sowie einen Scheck in Höhe von 1.400 Dollar. Am 11.03.2021 habe er das Gesetz „The American Rescue Plan“ unterzeichnet, ein Gesetz das dazu beitragen werde, Amerika zu impfen und Hunderten von Millionen Amerikanern, darunter auch der Klägerin, sofortige wirtschaftliche Entlastung zu bringen. Ein wesentlicher Bestandteil des amerikanischen Rettungsplans seien Direktzahlungen von 1.400 Dollar pro Person für die meisten amerikanischen Haushalte. Zusammen mit den 600 Dollar Direktzahlungen vom Dezember erhöhe sich die Gesamthilfe auf 2000 Dollar. Damit werde ein Versprechen erfüllt, dass er gegeben habe und es werde Millionen von Amerikanern helfen, diese Krise zu überstehen. Als er sein Amt angetreten habe, habe er dem amerikanischen Volk versprochen, dass Hilfe auf dem Weg sei. Mit dem amerikanischen Hilfeplan werde dieses Versprechen eingelöst. Das Gesetz sei verabschiedet worden, um Millionen von Amerikanern Soforthilfe zu gewähren. Die Nation habe eine lange, harte Zeit hinter sich. Aber er glaube, dass bessere Tage vor ihnen lägen.

Die Klägerin löste den Scheck in Höhe von 1.400 Dollar ein. Dieser wurde am 21.05.2021 auf dem Girokonto der Klägerin bei der Sparkasse Hannover in Höhe von 1.147,54 Euro gutgeschrieben. Für diese Finanzdienstleistung zahlte die Klägerin Gebühren in Höhe von 17,50 Euro.

Mit Schreiben vom 29.05.2021 wies die Klägerin gegenüber der Landeshauptstadt Hannover darauf hin, dass sie einen Scheck über 600 Dollar nicht erhalten habe. Die Klägerin gehe davon aus, dass die Sonderzahlung der US-Regierung über 1.400 Dollar als einmalige Nothilfe für die Linderung der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht auf die Sozialleistungen nach dem SGB XII anzurechnen sei.

Mit Bescheid vom 08.07.2021 bewilligte die Landeshauptstadt Hannover der Klägerin vorläufige Leistungen nach dem SGB XII über monatlich 134,36 Euro für den Leistungszeitraum vom 01.08.2021 bis zum 31.01.2022. Dabei berücksichtigte die Landeshauptstadt Hannover die amerikanische Corona-Soforthilfe als Einkommen und zwar in Höhe von jeweils 191,25 Euro für die Monate August bis November 2021 (je 1/6 von 1.147,54 Euro). Im Mai 2021 seien die Leistungen der Grundsicherung bereits an die Klägerin ausgezahlt worden. Da eine Anrechnung in den Monaten Juni 2021 und Juli 2021 nicht mehr möglich gewesen sei, müsse ein Rückforderungsverfahren eingeleitet werden. Hierzu möge die Klägerin die beigefügte Anhörung beachten.

Bei einer vollständigen Berücksichtigung des Betrages im Juni 2021 entfiele die Grundsicherungsleistung.

Laut Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seien lediglich Zahlungen der Arbeitgeber in maximaler Höhe von 1.500 Euro nicht anzurechnen, um den überobligatorischen Einsatz der Arbeitnehmer in der Pandemie zu würdigen.

Die Ent...

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