Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Feststellung der Versicherungspflicht im Statusfeststellungsverfahren. Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei einem Physiotherapeuten
Orientierungssatz
1. Allein der Umstand, dass ein Physiotherapeut keine Kassenzulassung als Heilmittelerbringer besitzt, die von ihm erbrachten Leistungen vielmehr durch einen Dritten gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden, schließt die Annahme einer selbständigen Tätigkeit in einem freien Dienstverhältnis nicht aus.
2. Behandelt ein Physiotherapeut in einer fremden Praxis eigene Patienten, die nicht zugleich Patienten der Physiotherapiepraxis sind, im eigenem Namen und unterliegt er dabei keinen Vorgaben zu seinen Arbeitszeiten und zur Ausführung seiner Tätigkeit, so ist von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.
Nachgehend
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 21.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2017 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt festzustellen, dass der Kläger seine Tätigkeit in der Praxis des Beigeladenen als Physiotherapeut ab 01.01.2016 nicht im Rahmen einer abhängigen, dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausübt, sondern selbständig tätig ist.
III. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers in seiner Tätigkeit als Physiotherapeut in der Praxis des Beigeladenen.
Der am ...1979 geborene Kläger stellte am 01.06.2016 bei der Beklagten Antrag auf Feststellung, dass seine Tätigkeit als Physiotherapeut in der Praxis für Physiotherapie C., A-Stadt (im Folgenden: Beigeladener), nicht im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt.
Zu seiner Tätigkeit machte der Kläger im Wesentlichen folgende Angaben:
- Es fänden keine Kontrollen durch den Beigeladenen statt; seine Tätigkeit richte sich einzig und allein nach der ärztlichen Verordnung.
- Er unterliege keiner Anwesenheitspflicht; er sei nicht in die Physiotherapiepraxis eingegliedert und organisiere seine Arbeitsabläufe selbständig.
- Er unterliege den in der Heilmittelverordnung der gesetzlichen Krankenkassen bestimmten Anforderungen, die nur in den Räumen entsprechend zugelassener Praxen erfüllt seien.
- Er behandle seine eigenen, nicht die ihm durch die Praxis des Beigeladenen vermittelten Patienten.
Der Tätigkeit des Klägers in der Praxis des Beigeladenen liegt ein "Vertrag Freie Mitarbeiter" vom 30.12.2016 zugrunde.
Danach übernimmt der Praxisinhaber für den freien Mitarbeiter die Abrechnung mit den Krankenkassen und den Privatpatienten. Als Gegenleistung erhält der Praxisinhaber 30 % der vom freien Mitarbeiter erzielten Umsätze. Die Hausbesuchspauschale verbleibt dem freien Mitarbeiter in voller Höhe.
Auf Anfrage der Beklagten machte der Kläger im Verwaltungsverfahren u. a. noch folgende Angaben:
- Er behandle in den Räumlichkeiten des Beigeladenen die von ihm eigenständig terminierten Patienten.
- Seine Arbeitszeiten seien abhängig von der Nachfrage der Patienten; dienstags und donnerstags befinde er sich in der Praxis C., montags und freitags in einer Regensburger Physiotherapiepraxis.
- Es bestehe kein Urlaubsanspruch. Bei Krankheit habe er keine Vertretung und somit einen Umsatzverlust. Die Termine würden ggf. durch ihn abgesagt.
- Er trage seine eigene Arbeitskleidung.
- Die Erstterminierung erfolge durch ihn entweder in der Praxis vor Ort, am Telefon oder per Email, die Folgetermine würden dann in der Praxis von ihm in den eigenen Terminplaner eingetragen.
- Er benutze nur die Therapieliegen und die Räumlichkeiten, die restlichen Therapiemittel stammten von ihm.
- Die Abrechnung erfolge über die Praxis, mit der 70/30 - Regelung seien die Aufwendungen des Praxisinhabers abgegolten.
- Das Forderungsmanagement übernehme er selbst.
- Er sei im Besitz einer eigenen Berufshaftpflichtversicherung.
Mit Schreiben vom 27.09.2016 machte der Beigeladene im Wesentlichen gleichlautende Angaben.
Nach Anhörung der Beteiligten stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 21.11.2016 gegenüber dem Kläger und dem Beigeladen fest, dass die Tätigkeit des Klägers ab 01.01.2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Der hiergegen vom Kläger erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2017 zurückgewiesen. Zur Begründung einer abhängigen Beschäftigung werden im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte aufgeführt:
- Mangels eigener Betriebsstätte bestehe kein erhebliches unternehmerisches Risiko.
- Die Tätigkeit könne nur ausgeübt werden, sofern die Praxis einen entsprechenden Bedarf an Physiotherapeuten habe.
- Die Praxis könne jederzeit die Räume und/oder Arbeitsmitte...