Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistung zur medizinischen Rehabilitation trotz psychischer Erkrankung im Wege des einstweiligen Rechtschutzes
Leitsatz (amtlich)
1. Der Rentenversicherungsträger ist zur Erbringung von Leistungen zur Rehabilitation verpflichtet, wenn die Antragstellerin glaubhaft vorbringt, rehafähig zu sein, obwohl eine laufende psychotherapeutische Behandlung trotz einer Krebserkrankung nicht durchgeführt wird.
2. Droht eine Chronifizierung einer psychischen Erkrankung, kann ein Anordnungsgrund vorliegen, der die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigt.
3. Im Wege der einstweiligen Anordnung kann dann eine Verpflichtung zur Neubescheidung erfolgen.
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, bis zum 1. September 2011 erneut über den Antrag der Antragstellerin vom 13. August 2010 auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.
Die 1955 geborene Antragstellerin, die als Erzieherin in einem Kindergarten teilzeitbeschäftigt ist, beantragte am 13. August 2010 über die gesetzliche Krankenversicherung bei der Antragsgegnerin stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Sie sehe sich ständig mit ihrer Harnblasenkrebserkrankung konfrontiert, sei ohne inneren Antrieb und müde, habe Einschränkungen beim Gehen, Kreislaufbeschwerden und leide unter Schmerzen und Krämpfen im linken Bein. Die Antragsgegnerin holte daraufhin einen Befundbericht bei dem Allgemeinmediziner D. vom 3. September 2010 ein und lehnte mit Bescheid vom 28. September 2010 den Antrag mit der Begründung ab, die von dem behandelnden Arzt beschriebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen - Harnblasencarcinom, postoperative Femoralisparese und psychovegetative Dekompensation - erforderten ihrer Auffassung nach eine regelmäßige ambulante nervenärztliche Mitbehandlung und Richtlinienpsychotherapie sowie eine Fortsetzung der ambulanten fachärztlichen Behandlung. Dies seien keine Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, so dass die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung solcher Leistungen nicht vorliegen würden. Auch nach den Leistungsgesetzen eines anderen Rehabilitationsträgers sei sie nicht rehabilitationsbedürftig. Deshalb sei der Antrag nicht weiterzuleiten gewesen.
In Zuge des Widerspruchsverfahrens trug die Antragstellerin vor, die Ablehnung wirke dem Fortschreiten der Krebserkrankung negativ entgegen. Es drohe die Gefahr, dass sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden müsse. Auch der sie regelmäßig behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin D. halte eine stationäre Maßnahme für angezeigt. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2011 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Für die bei der Antragstellerin festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen sei eine regelmäßige nervenärztliche Mitbehandlung und Richtlinienpsychotherapie an-gezeigt.
Hiergegen hat sich die Antragstellerin am 4. März 2011 im Wege der Klage an das Sozialgericht Stade gewandt und darüber hinaus am 31. März 2011 dort die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Sowohl der behandelnde Allgemeinmediziner als auch der behandelnde Urologe hielten eine stationäre Rehmaßnahme für angezeigt, was aus den Befundberichten vom 10. Oktober 2010, 6. März 2011 und 23. März 2011 hervorgehe. Auch gehe die Antragstellerin ihrem Beruf als Erzieherin sehr gerne nach und würde diesen Beruf langfristig weiter ausüben wollen. Sie lasse sich nur widerwillig krankschreiben. Sollte sich aber der gesundheitliche Zustand verschlechtern, wäre sie gezwungen, aus dem Erwerbsleben (zeitweise) auszuscheiden. Die Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sei daher dringlich, um eine längerfristige Arbeitsunfähigkeitszeit zu vermeiden.
Eine ambulante psychotherapeutische Behandlung führe sie derzeit nicht durch, was sie über ihren Prozessbevollmächtigten am 7. Juli 2011 mitteilte.
Die Antragsstellerin beantragt aus ihrem schriftlichen Vorbringen heraus sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, erneut über den Antrag der Antragstellerin vom 13. August 2010 auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation unter Beachtung der Rechtsauf-fassung des Gerichts zu entscheiden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verweist darauf, dass die Antragstellerin unverändert nicht in psychiatrischer Behand-lung sei. Diese sei notwendig, um die ausreichende Introspektionsfähigkeit der Antrag-stellerin zu beurteilen.
Das Gericht hat im vorbereitenden Verfahren einen Befundbericht bei der Dipl.-Psycholgin E. angefordert, den diese am 14. Juli 2011 übersandt hat. Aus dem Befund-bericht geht hervor, dass die Antragstellerin dort zuletzt am 11. Juli 2...