Prüfbericht zur Organtransplantation deckt viele Fehler auf
Das Ausmaß des Skandals um Organspende und Organvergabe in Deutschland war lange unklar. Jetzt hat die Prüfungs- und Überwachungskommission von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen die lange erwarteten Zahlen. Und es ist schlimmer als erwartet: Es zeigt sich, wie gravierend die Missstände wirklich waren.
Prüfbericht liefert konkrete Zahlen zu Organvergabe-Verstößen
Der Bericht der Kontrolleure zeigt sehr konkret, wie oft wurde im Prüfzeitraum 2010/2011 gegen die einschlägigen Richtlinien verstoßen wurde:
- In Göttingen in 79 geprüften Fällen,
- in Leipzig in 76,
- in der Klinik München rechts der Isar in 38 und
- im neu in den Fokus rückenden Münster in 25 Fällen.
Diese Kliniken bekommen den Stempel systematischer oder bewusster Falschangaben zugunsten der eigenen Patienten aufgedrückt. Diese sollen deshalb bessere Chancen für ein Spenderorgan und somit eine Rettung bekommen haben.
In weiteren 15 Krankenhäusern gab es demnach kleinere, zufällige Regelverstöße - Bewertungs-, Flüchtigkeits- oder Dokumentationsfehler etwa.
So manipulierten einzelne Kliniken bei der Organvergabe
Im Fall München ist zeigt der Prüfbericht, dass unrichtige Laborwerte an die zentrale Stelle Eurotransplant geschickt worden seien. Für Münster wird festgestellt: «Bei den 30 Patienten, die in den Jahren 2010 und 2011 gegenüber Eurotransplant als dialysepflichtig gemeldet worden waren, hatte in 5 Fällen eine Dialyse gar nicht stattgefunden oder aber war vorzeitig abgebrochen worden, ohne dass eine Wiederaufnahme möglich oder beabsichtigt war.» In 9 Fällen habe eine Indikation für Dialyse gefehlt.
Wer eine Blutreinigung braucht, bekommt mehr Punkte für die Warteliste. Die Kontrolleure vermerken in ihrem Bericht, eine Mitarbeiterin in Münster habe gesagt, dass sie bei bestimmten Therapien auch immer ein Kreuz bei Dialyse gesetzt habe, «weil nur das Punkte bringt».
Schnellverfahren bei der Organvergabe
Leipzig kam schon vor Längerem wegen eines Schnellverfahrens bei der Organvergabe in den Fokus. «Im Bereich des beschleunigten Vermittlungsverfahrens bestanden nach Auffassung der Kommissionen in 3 Fällen erhebliche Bedenken, ob die Auswahl der Patienten überhaupt gerechtfertigt war und nicht vielmehr von einer Transplantation hätte abgesehen werden müssen.» Andernorts heißt es, nicht alles habe geklärt werden können.
Gerichtsverfahren gegen Leiter der Transplantationsmedizin
Zum größten Fall in Göttingen - hier läuft gerade ein Gerichtsverfahren gegen den früheren Leiter der Transplantationsmedizin - gibt es nichts Neues. Die Staatsanwaltschaft habe erst kürzlich die Veröffentlichung der Ergebnisse freigegeben - eine endgültige Fassung fehle noch.
Wie schlimm sind die mutmaßlichen Verstöße in Münster?
Die Vorsitzende der Prüfungskommission, Anne-Gret Rinder, will keine konkreten machen. «Aber Münster ist in der Skala der 4 Zentren mit systematischen Richtlinienverstößen als letztes genannt.»
Das Uniklinikum Münster (UKM) weißt in 16 Fällen den Vorwurf des Richtlinienverstoßes zurück. UKM-Klinikchef Norbert Roeder räumt nur in 9 Fällen Fehler in Meldeformularen ein. Hintergrund ist auch, dass die Ärzte in Münster auch ein anderes, durchaus innovatives Dialyseverfahren als üblich zur Anwendung brachten, die Patienten offiziell aber anders eingestuft haben sollen.
Weiter Transplantationszentren werden später geprüft
Unter die Lupe genommen wurden nun die 24 Leberzentren, insgesamt gibt es aber 47 Kliniken mit Organtransplantationen. Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery meint, die anderen kämen in den normalen Prüfzyklen dran. «Das Geschäft geht jetzt ganz normal weiter.»
Manipulation bei der Organvergabe festgestellt - und nun?
Nun muss aus der Feststellung von Verstößen nicht unbedingt etwas folgen. Die Landesregierungen, Staatsanwälte und betroffenen Kliniken würden informiert. «Alles andere liegt dann in der staatlichen Hand», sagt Kommissionschefin Rinder. Der Bundestag beschloss kürzlich, dass Manipulationen bei Organtransplantationen härter bestraft werden sollen (s. News v. 17.6.2013).
In Bayern spricht man sich für eine Neustrukturierung aus - so soll das Münchner Klinikum rechts der Isar keine Lebern mehr verpflanzen dürfen. Gesundheitspolitiker im Bund haben den Schritt schon gelobt - denn die vielen Transplantationskliniken gelten als Hemmnis für eine patientenorientierte Reform. In der Hand haben das die Länder.
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