Pflege-Bahr allein reicht im Pflegefall nicht aus
Eine Versicherung soll vor einem Risiko schützen und im Ernstfall finanzielle Lücken schließen. Doch nicht immer hat man ein bestimmtes Risiko klar vor Augen. Zum Beispiel das Risiko, zu einem Pflegefall zu werden. "Für die meisten wird Pflege erst später ein Thema", sagt Sabine Baierl-Johna von der Stiftung Warentest. "Jüngere beschäftigen sich erstmal mit anderen Themen wie der Familie oder dem Beruf.“
Gesesetzliche Pflegeversicherung deckt nicht alle Kosten
Das Problem: Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht in der Regel nicht, um die kompletten Pflegekosten zu decken. Verbraucher müssen davon ausgehen, dass im Pflegefall ein Teil der Kosten an ihnen hängenbleibt. Wie groß die Lücke sei, hängt von den persönlichen Lebensumständen und den eigenen Ansprüchen ab, erläutert Baierl-Johna.
Bei fehlender Pflegeversicherung: Pflege-Bahr
Wer im Alter eine private Pflegeversicherung abschließen will, bekommt wegen schon bestehender gesundheitlicher Probleme oft keine. Oder die Police wird sehr teuer. Deshalb gibt es seit gut einem Jahr den Pflege-Bahr, eine staatlich geförderte Pflegetagegeldversicherung, benannt nach dem früheren Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr.
Keine Gesundheitsprüfung bei Pflege-Bahr
Der große Vorteil: "Es findet keine Gesundheitsprüfung statt", erklärt Baierl-Johna. Für zahlreiche Verbraucher ist der Pflege-Bahr deshalb die einzige Möglichkeit, sich zu versichern. "Viele Menschen
wünschen sich wenigstens ein wenig Sicherheit."
Schließen Verbraucher einen solchen Vertrag ab, schießt der Staat jeden Monat 5 EUR zu. Die Voraussetzung: Die Kunden zahlen jeden Monat mindestens 10 EUR in den Vertrag ein, erklärt der Verband der privaten Krankenkassen (PKV) in einer Broschüre. Inzwischen werden 25 entsprechende Tarife von Krankenversicherungsgesellschaften angeboten, hat das unabhängige Analysehaus Morgen & Morgen in Hofheim am Taunus ermittelt.
Große Unterschiede bei Versicherungsunternehmen für Pflege-Bahr
Doch nach Ansicht der Versicherungsexperten ist das Thema nach wie vor sehr komplex. "Starke Beitragsunterschiede bei älteren Versicherungsnehmern, extrem variierende Pflegemonatsgelder bei jüngeren Versicherten, unterschiedliche Leistungen innerhalb der Pflegestufen machen die geförderte Pflege beratungsintensiver als ursprünglich angenommen", heißt es in der Untersuchung.
Finanzielle Lücke trotz Pflegetagegeld-Versicherung
Ein großes Manko: "Die Leistungen der geförderten Pflegetagegeld-Versicherung reichen in der Regel nicht aus, um die finanzielle Lücke im Pflegefall zu schließen", erklärt Baierl-Johna. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Morgen & Morgen: Die Deckungslücke kann demnach in Pflegestufe I im ambulanten Bereich 360 EUR betragen, aber durchaus auch bei rund 1.700 EUR im stationären Bereich der Pflegestufe III liegen, erklären die Experten.
Schwierigkeiten beim Ausbau der Pflege-Bahr-Tarife
Auch die Bedingungen sind häufig nicht so gut wie bei manchen ungeförderten Pflegetagegeldern. "Die gesetzlichen Vorgaben bieten kaum Spielraum, um die Pflege-Bahr-Tarife an sich weiter auszubauen", heißt es in der Analyse. "Viele Pflege-Bahr-Tarife haben keine Dynamik", gibt die Versicherungsexpertin Baierl-Jonah ein Beispiel. Das heißt: Die einmal abgeschlossenen Leistungen bleiben gleich. "Eine regelmäßige Anpassung kann aber durchaus sinnvoll sein, um die Inflation auszugleichen, gerade, wenn der Vertrag lange läuft." Allerdings bieten einige Versicherer inzwischen sogenannte Aufbaustufen als ergänzende Tarife zum Pflege-Bahr-Abschluss an, hat Morgen & Morgen beobachtet. Diese sind meist mit höheren Leistungen im Pflegefall und ergänzenden Bedingungen ausgestattet.
Kombination mit Pflege-Bahr-Tarifen
Aktuell bieten 4 Gesellschaften solche Aufbaustufen an. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, den Pflege-Bahr-Tarif mit weiteren Tarifangeboten zu kombinieren und damit eine bessere Abdeckung des Pflegerisikos zu erreichen. Bei den meisten Aufbaustufen wird die Höhe des Pflegetagegeldes der Versicherer bei doppeltem Beitrag ebenfalls verdoppelt. Ein 25-Jähriger kann laut Morgen & Morgen beispielsweise bei einem Eigenbeitrag von rund 20 EUR anstelle von rund 10 EUR in Pflegestufe III auf rund 2.200 EUR anstatt rund 1.100 EUR kommen. Und auch bei den Bedingungen rüsten die Versicherer nach und nach auf: Sie bieten mitunter Beitragsbefreiungen in Pflegestufe III, Einmalzahlungen, einfache oder sogar doppelte Leistung in der Wartezeit, direkte Leistung nach ärztlicher Feststellung, Leistungsprüfungszusage innerhalb von 3 Wochen, weltweite Leistung oder Einräumen von Optionsrechten an. Dennoch: "Eine normale Pflegetagegeld-Versicherung eignet sich besser, um das finanzielle Risiko abzusichern", sagt Baierl-Johna. "Vorausgesetzt natürlich man bekommt sie."
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