Davon umfasst wird nicht nur das Verwaltungsverfahren selbst, sondern auch die Art der Beteiligung am Verfahren. Schon der Umstand, dass eine Person beim Finanzamt geführt wird, unterliegt dem Steuergeheimnis, ebenso wie die Tatsachen, ob eine Außenprüfung oder gar ein Steuerfahndungsverfahren stattgefunden hat. Wird der Steuerpflichtige von einem Steuerberater vertreten, unterliegt dies ebenfalls dem Steuergeheimnis; auch Anträge, etwa Stundungsanträge, dürfen nicht offenbart werden.
Die Ausführungen zeigen, dass das Steuergeheimnis sehr weit wirkt. Ziel des Steuergeheimnisses ist eine möglichst vollständige Erschließung von Steuerquellen (vgl. AEAO zu § 30, Rz. 10.6). Dies lässt sich nur durch eine möglichst weitgehende Geheimhaltung der der Finanzverwaltung offenbarten Tatsachen erreichen. Deshalb zählen zum vom Steuergeheimnis geschützten Personenkreis nicht nur die Steuerpflichtigen selbst, sondern auch andere Personen, deren Verhältnisse im steuerlichen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren bekannt werden; etwa die finanzielle Lage von Eltern, wenn eine Tochter Unterhaltszahlungen im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung steuerlich geltend macht.
Macht ein Betroffener vorsätzlich falsche Angaben, darf die Finanzverwaltung nach § 30 Abs. 5 AO diese den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenlegen. In AEAO zu § 30, Rz. 9 betont die Finanzverwaltung, dass eine Offenlegung nach dieser Vorschrift nur zulässig ist, wenn nach Auffassung der Finanzbehörde durch falsche Tatsachen ein Straftatbestand verwirklicht wurde, d.h. der Straftatbestand, z.B. Betrug, muss in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht worden sein.
Hinweis: Die Offenbarung ist nach § 30 Abs. 5 AO nur gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zulässig, nicht gegenüber anderen Personen, etwa der durch die falsche Angabe geschädigten Person (vgl. AEAO zu § 30, Rz. 9 a. E.).
Die Finanzverwaltung betont, dass i. d. R. auch die Identität eines Anzeigenerstatters nicht offenbart werden darf. Da die Offenbarung des Anzeigentextes häufig Rückschlüsse auf den Verfasser zulässt, wird die wortgetreue Offenbarung eines Anzeigentextes ebenfalls vom Steuergeheimnis erfasst (vgl. AEAO zu § 30, Rz. 10).
Allerdings ist die Finanzverwaltung, wie ein Blick in die §§ 30 Abs. 4 Buchst. b und Abs. 5 AO zeigt, in bestimmten Fällen berechtigt, in anderen Fällen sogar verpflichtet, die Identität des Anzeigenerstatters zu offenbaren. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Anzeigenerstatter vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat. Hier darf die Finanzverwaltung die Strafverfolgungsbehörden darüber unterrichten. Eine Verpflichtung zur Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden besteht demgegenüber grundsätzlich nicht. Allerdings kann die Finanzbehörde im Einzelfall zur Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden verpflichtet sein, etwa wenn durch vorsätzlich falsche Angaben eine Straftat (z. B. falsche Verdächtigung nach § 164 StGB) verwirklicht wurde. In welchen Fällen die Finanzverwaltung darüber hinaus zur Offenlegung einer Anzeige berechtigt und wann sie dazu verpflichtet ist, wird ausführlich in AEAO zu § 30, Rz. 10 erläutert.
Hinweis: Oftmals beantragt der betroffene Steuerpflichtige selbst die Offenlegung der Identität des Anzeigenerstatters. Hier soll die Finanzverwaltung zurückhaltend sein, um die möglichst vollständige Erschließung von Steuerquellen nicht zu gefährden, die durch das Steuergeheimnis erreicht werden soll. Deshalb vertritt die Finanzverwaltung den Standpunkt, dass das Steuergeheimnis grundsätzlich Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen auf Offenbarung des Anzeigenerstatters hat. Das gilt insbesondere dann, wenn sich die vertraulich mitgeteilten Informationen als zutreffend erweisen und zu Steuernachforderungen führen oder wenn zumindest einige der Informationen steuerrechtlich bedeutsam sind. Der Anwendungserlass zeigt, wie wichtig die Finanzverwaltung den Informantenschutz nimmt.