BMF Kommentierung: Gewinne aus Planungsleistungen

Die neue BFH-Rechtsprechung zur Gewinnrealisierung bei Planungsleistungen und deren sofortige allgemeine Anwendung durch die Finanzverwaltung haben die Baubranche in Aufruhr versetzt. Nun hat das BMF die Wogen durch eine Übergangsregelung geglättet. Zeit, die Geschehnisse zu ordnen.

Mit Urteil vom 14.5.2014 (Az. VIII R 25/11) hat der BFH entschieden, dass eine Gewinnrealisierung bei Planungsleistungen eines Ingenieurs nicht erst mit der Abnahme oder Erteilung der Honorarschlussrechnung eintritt, sondern bereits in dem Zeitpunkt, in dem ein Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure 1996 (HOAI a. F.) entsteht. Zwar erfordert eine Gewinnrealisierung bei Werkverträgen die Abnahme des Werks, sie kann nach Gerichtsmeinung jedoch vorzuziehen sein, wenn die Entstehung des Entgeltanspruchs durch Sonderregelungen wie eine Gebührenordnung modifiziert wird. Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI dürfen nach Gerichtsmeinung nicht wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte bilanziert werden.

Hinweis: Ein Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2 HOAI a. F. entsteht bereits, wenn der Auftragnehmer die (Teil-)Leistung abnahmefähig erbracht und eine prüfbare Rechnung – wie bei der Schlussrechnung – vorgelegt hat. Die Abschlagszahlung ist bereits verdient, wenn die Planungsleistung auftragsgemäß erbracht ist. Unbedeutend ist in diesem Zusammenhang, ob und wann die Planungsleistung abgenommen und die Honorarschlussrechnung erteilt worden sind.

Anerkennung durch die Finanzverwaltung

Die Urteilsgrundsätze wurden am 23.12.2014 von der Finanzverwaltung allgemein anerkannt (Veröffentlichung im BStBl 2014 II, S. 968) und führen dazu, dass Gewinne aus Planungsleistungen früher als bisher realisiert werden mussten. Betroffen waren hiervon bilanzierende Architekten und Bauingenieure – nicht hingegen Einnahmen-Überschussrechner. 

Aufregung in der Baubranche

Die Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt in den letzten Tages des Jahres 2014 führte zur Unruhe in der Baubranche, hätte sie doch zu einer sofortigen allgemeine Anwendung des Urteils geführt. Architekten und Bauingenieure hätten die Grundsätze regelmäßig in ihrer Bilanz auf den 31.12.2014 berücksichtigen müssen – eine erhebliche Erhöhung der Bilanzgewinne und hohe Steuernachzahlungen wären die Folge gewesen.

BMF regelt spätere Anwendbarkeit und Gewinnverteilung

Mit Schreiben vom 11.12.2014 bat die Bundesarchitektenkammer das BMF deshalb, die Auswirkungen der BFH-Rechtsprechung abzumildern und für betroffene Berufsträger eine Möglichkeit zu schaffen, mehrere Jahre umfassende Gewinne aus Abschlagszahlungen über einen größeren Zeitraum abschmelzen zu können.

Das BMF reagierte mit (nicht veröffentlichtem Schreiben) vom 13.5.2015 auf die Anfrage und erklärte, dass die neuen BFH-Grundsätze zur vorgezogenen Gewinnrealisierung von der Finanzverwaltung auch auf Abschlagszahlungen nach § 632a BGB und Abschlagszahlungen nach § 15 Abs. 2 HOAI n. F. angewandt werden. Hinsichtlich der zeitlichen Anwendbarkeit erklärte das BMF, dass betroffene Berufsträger die neuen Rechtsprechungsgrundsätze erst für Wirtschaftsjahre anwenden müssen, die nach dem 23.12.2014 beginnen – somit entfaltete das Urteil seine Wirkung regelmäßig erst ab 2015.

Zudem traf das BMF die erleichternde Regelung, dass aus der BFH-Rechtsprechung resultierende Gewinnerhöhungen entweder auf das Wirtschaftsjahr der erstmaligen Anwendung und das Folgewirtschaftsjahr (regelmäßig 2015 und 2016) oder auf das Wirtschaftsjahr der erstmaligen Anwendung und die folgenden 2 Folgewirtschaftsjahre (regelmäßig 2015, 2016 und 2017) verteilt werden dürfen.

Hinweis: Die Grundsätze des BMF veröffentlichte das Bayerische Landesamt für Steuern wenige Tage später in einer gleichlautenden Verfügung vom 21.5.2015.

DStV kritisiert Ausweitung auf andere Abschlagszahlungen

In einer Stellungnahme vom 1.7.2015 kritisierte der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV), dass das BMF die neuen Rechtsprechungsgrundsätze auch auf Abschlagszahlungen nach § 632a BGB und den neuen HOAI anwendet. Der DStV wies darauf hin, dass § 15 HOAI n. F. entgegen der alten Regelung für die Fälligkeit der Vergütung voraussetzt, dass die Abnahme der vertraglich geschuldeten Leistung erfolgt ist. Ferner kritisierte der Verband die Vorgehensweise des BMF, die von ihm vertretene Auffassung nicht allgemein publik zu machen und zur Darstellung des Verwaltungsstandpunkts nur einzelne Schreiben an anfragende Verbände zu versenden (keine Veröffentlichung im Bundessteuerblatt).

BMF wiederholt seine Grundsätze

Am 3.7.2015 hat das BMF nun ein allgemeines Schreiben (v. 29.6.2015) zur Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen für Werkleistungen veröffentlicht und darin seine Aussagen zur Anwendbarkeit der neuen BFH-Rechtsprechung auf Abschlagszahlungen nach § 15 Abs. 2 HOAI n. F. und nach § 632a BGB wiederholt und weiter ausgeschärft. Nach Auffassung des BMF handelt es sich bei diesen Abschlagszahlungen um die Abrechnung von bereits verdienten Ansprüchen, da der Schuldner des Werkvertrags seine Leistung bereits erbracht hat. Die Abschlagszahlungen müssen nach der Weisung aber von Forderungen auf einen Vorschuss abgegrenzt werden, für die nach Verwaltungsmeinung weiterhin keine Gewinnrealisierung eintritt.  

Das BMF wiederholt zudem seine Aussagen zur erstmaligen Anwendung der Neuregelung (ab 2015) und zur Gewinnverteilung über 2 bzw. 3 Jahre. Entgegen des ersten Schreibens vom 13.5.2015 soll das neue BMF-Schreiben nun im Bundessteuerblatt I veröffentlicht werden.

Fazit: Die zeitlich versetzte Anwendung der neuen Rechtsprechungsgrundsätze begegnet dem Problem der Baubranche, die Neuregelungen quasi „über Nacht“ umsetzen zu müssen. Durch die Möglichkeit, Gewinnerhöhungen über mehrere Jahre zu verteilen, lässt sich zudem eine plötzliche und eklatante Erhöhung der Bilanzgewinne abmildern.

BFH, Urteil v. 14.5.2014, VIII R 25/11, BStBl 2014 II, S. 968; BMF, Schreiben v. 13.5.2015, IV C 6 – S 2130/15/10001; inhaltlich gleichlautend: Bayerisches Landesamt für Steuern, Verfügung v. 21.5.2015, S 2132 b 1.1 – 1/2 St 32; Deutscher Steuerberaterverband, Stellungnahme v. 1.7.2015, S 07/15; BMF, Schreiben v. 29.6.2015, IV C 6 – S 2130/15/10001


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