Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen

Das BMF-Schreiben ergänzt Abschn. 1.5 Abs. 3 UStAE.

Wird ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen – entgeltlich oder unentgeltlich – an einen anderen übertragen, liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor (§ 1 Abs. 1a UStG). Regelmäßig müssen dafür auch alle wesentlichen Grundlagen des Unternehmens auf den Erwerber übergehen.

EuGH (Urteil v. 10.11.2011, C-444/10 - Christel Schriever, BFH/NV 2012 S. 154)und BFH (Urteil v. 18.1.2012, XI R 27/08, BFH/NV 2012 S. 677) hatten entschieden, dass auch in dem Fall, in dem ein Einzelhandelsgeschäft in eigenen Räumen (Teileigentum) unterhalten wird und dann der Warenbestand sowie die Ladeneinrichtung an einen Unternehmer veräußert werden, eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung vorliegt, wenn der Erwerber die vom Veräußerer bisher genutzten Räume nur anmietet. Dabei sind vom EuGH keine besonderen Voraussetzungen an den Mietvertrag gestellt worden; auch ein unbefristet abgeschlossener Mietvertrag, der von beiden Vertragsparteien kurzfristig kündbar ist, steht der Annahme einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung nicht im Wege. Bisher war der BFH (Urteil v. 28.11.2002, V R 3/01, BStBl 2004 II S. 665; Urteil v. 23.8.2007, V R 14/05, BStBl 2008 II S. 165) in seinen Entscheidungen von einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung ausgegangen, wenn Betriebsgrundstücke durch Vermietung mit einer fest vereinbarten Mietdauer (10 oder 8 Jahre) an den Erwerber überlassen wurden.

Wichtig

Nach der Rechtsprechung des EuGH muss der Erwerber beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil weiterzuführen und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln und gegebenenfalls den Warenbestand zu verkaufen.

Die Finanzverwaltung setzt jetzt die Rechtsprechung um und ergänzt Abschn. 1.5 Abs. 3 UStAE dahingehend, dass für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ausreichend ist, wenn die Vermietung oder Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen auf unbestimmte Zeit erfolgt. Dabei ist die Möglichkeit, den Miet- oder Pachtvertrag kurzfristig zu kündigen, für die Annahme der Geschäftsveräußerung unschädlich.

Wichtig

Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird aber für alle vor dem 1.1.2013 ausgeführten Umsätze nicht beanstandet, wenn bei der nur mietweisen Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen im Rahmen unbefristeter Mietverträge von einer steuerbaren Veräußerung ausgegangen wird und deshalb mit Umsatzsteuer abgerechnet wird. Dies ist insbesondere für den Vorsteuerabzug des Erwerbers wichtig.

Konsequenzen für die Praxis

Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung führt sowohl für den Verkäufer wie auch für den Erwerber zu erheblichen Konsequenzen. Der Verkäufer schuldet keine Umsatzsteuer und darf deshalb auch keinen gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung oder dem Kaufvertrag vornehmen. Der Erwerber hat keinen Vorsteuerabzug und tritt – insbesondere für alle Vorsteuerberichtigungsobjekte – in die Rechtsposition des Veräußerers ein. Wird bei einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung trotzdem eine Umsatzsteuer gesondert in einem Dokument ausgewiesen, schuldet der Verkäufer die Umsatzsteuer als unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG, der Käufer kann diese Umsatzsteuer aber nicht als Vorsteuer abziehen.

Praxis-Tipp

In Zweifelsfällen sollte in einem Kaufvertrag eine Steuerklausel mit aufgenommen werden, aus der sich eindeutig ergibt, dass der vereinbarte Kaufpreis ein Nettobetrag ist und die Umsatzsteuer gesondert zu entrichten ist, wenn die Finanzverwaltung nicht von einer Geschäftsveräußerung ausgehen sollte.

Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung sind durch die Rechtsprechung erweitert worden. Die Vermietung wesentlicher Betriebsgrundlagen an den Erwerber steht der Veräußerung gleich – besondere Anforderungen an den Mietvertrag sind nach dem EuGH nicht zu stellen.

Auch die Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen ist wohl nach dem Urteil des EuGH nicht für die Anwendung des § 1 Abs. 1a UStG schädlich. Damit könnte auch die Veräußerung des Warenbestands und der Ladeneinrichtung, die der Erwerber in einem anderen Ladengeschäft verwendet, zu einer nicht steuerbaren Leistung nach § 1 Abs. 1a UStG führen.

BMF, Schreiben v. 24.10.2012, IV D 3 – S 7100-b/11/10002