Grenzüberschreitende Warenlieferungen in ein inländisches Konsignationslager
Nutzung eines Konsignationslagers
Werden Umsatzgeschäfte über Gegenstände abgeschlossen, ist zu prüfen, ob sich der Ort der Lieferung im Inland befindet oder der Vorgang ggf. in einem anderen Land zu einem dort steuerbaren Umsatz führt. Besonders problematisch ist die Bestimmung des Orts der Lieferung, wenn der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat gelangt, der Gegenstand aber noch nicht unmittelbar dem Leistungsempfänger übereignet wird, sondern in einem sog. Konsignationslager zwischengelagert wird.
Ein Konsignationslager ist ein Warenlager (Außenlager, Zwischenlager) eines Unternehmers, welches sich in der Nähe des Kunden (Abnehmers) befindet. Möglich ist auch die Einlagerung von Gegenständen in den Räumlichkeiten des (wahrscheinlichen) Abnehmers. Die Ware verbleibt solange im Eigentum des liefernden Unternehmers, bis der Kunde sie aus dem Lager entnimmt.
Keine umsatzsteuerrechtlichen Probleme ergeben sich in der Praxis, wenn das Konsignationslager in demselben Land unterhalten wird, in dem auch der Warentransport begann. In diesem Fall sind die Lieferungen in diesem Land ausgeführt und führen dort unter den übrigen Voraussetzungen zu steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätzen. Werden Gegenstände aber über ein solches Konsignationslager in einem anderen Mitgliedstaat ausgeliefert, ergeben sich grundsätzlich die folgenden Möglichkeiten:
- Die Lieferung des Verkäufers ist schon im Ausgangsmitgliedstaat ausgeführt worden und dort – soweit die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt sind – steuerfrei. Der Erwerber muss im Bestimmungsmitgliedstaat einen innergemeinschaftlichen Erwerb der Besteuerung unterwerfen.
- Der liefernde Unternehmer muss ein innergemeinschaftliches Verbringen zur eigenen Verwendung im Ausgangsmitgliedstaat und Bestimmungsmitgliedstaat der Besteuerung unterwerfen. Anschließend hat er im Moment der Abnahme der Gegenstände durch den Leistungsempfänger eine nach den Vorschriften des Bestimmungsmitgliedstaats dort steuerbare und regelmäßig steuerpflichtige Lieferung. Der Käufer hat keinen innergemeinschaftlichen Erwerb.
Im Fall des innergemeinschaftlichen Verbringens und einer anschließenden Lieferung muss sich der liefernde Unternehmer zwingend in dem anderen Mitgliedstaat (Bestimmungsmitgliedstaat) der Besteuerung unterwerfen. Dies setzt die umsatzsteuerrechtliche Registrierung voraus.
Bisherige Verwaltungsauffassung
Bisher hatte sich federführend für die Finanzverwaltung die OFD Frankfurt/Main (Verfügung v. 15.12.2015, S 7100 a A - 4 - St 110, Haufe Index 9172978) zur Frage der Lieferungen über ein Konsignationslager geäußert. Dabei wurde regelmäßig davon ausgegangen, dass bei einem Zwischenlager (Konsignationslager) der Lieferer (Konsignant) zivilrechtlicher Eigentümer der im Lager befindlichen Ware blieb. Erst wenn der Abnehmer (Konsignatar) die Ware entnahm, ging das Eigentum an dieser vom Konsignanten auf den Konsignatar über, sodass es erst dann zu einer ruhenden Lieferung und einem vorgelagerten innergemeinschaftlichen Verbringen kam (vgl. oben 2. Variante).
Entwicklung der Rechtsprechung
Nachdem aber schon das Hessische FG (Urteil v. 25.8.2015, 1 K 2519/10, Haufe Index 8732088) zu dem Ergebnis gekommen war, dass Lieferungen eines spanischen Unternehmers in ein deutsches Konsignationslager nicht erst bei der Entnahme aus dem Lager der Umsatzsteuer unterlägen, sofern bei der Einlieferung der Abnehmer bereits verbindlich feststeht, hat der BFH (Urteil v. 20.10.2016, V R 31/15, Haufe Index 10158507) im Revisionsverfahren diese Rechtsauffassung bestätigt. Allerdings hat der BFH in einer weiteren Entscheidung (Urteil v. 16.11.2016, V R 1/16, Haufe Index 10513573) deutlich gemacht, dass eine Lieferung erst im Konsignationslager ausgeführt sein kann, wenn entweder der Abnehmer noch nicht feststeht oder es noch nicht sicher ist, ob der Gegenstand überhaupt von dem Käufer erworben wird (fehlende Abnahmeverpflichtung).
Wichtig: Der BFH hat in seinen Entscheidungen eindeutig festgestellt, dass eine Beförderungs- oder Versendungslieferung im Ausgangsmitgliedstaat nur dann vorliegen kann, wenn der Abnehmer schon bei Beginn der Beförderung oder Versendung feststeht und er den Gegenstand auch verbindlich abnimmt. Liegt dies vor, steht es einer Beförderungs- oder Versendungslieferung nicht entgegen, wenn der Liefergegenstand nach dem Beginn der Beförderung oder Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungslager gelagert wird.
Das BMF-Schreiben vom 10.10.2017
Die Finanzverwaltung setzt die Entscheidungen des BFH um und ergänzt entsprechend den UStAE. Gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat und steht der Abnehmer der Ware eindeutig fest, steht es der Annahme einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung im Ausgangsmitgliedstaat nicht entgegen, wenn die Ware kurzzeitig in einem auf Initiative des Abnehmers eingerichteten Auslieferungs- oder Konsignationslager zwischengelagert wird.
Beispiel: Verbindliche Bestellung
Unternehmer N aus den Niederlanden transportiert Ware in ein beim Abnehmer (Unternehmer) D in Deutschland unterhaltenes Warenlager (Konsignationslager). D hat die Ware verbindlich bei N bestellt, die Ware wird aber noch 4 Wochen im Konsignationslager bei D zwischengelagert, bevor die Ware von D entnommen und weiterverarbeitet wird. Eine Zahlungsverpflichtung für D besteht erst bei Entnahme der Ware.
Da D die Ware verbindlich bei N bestellt hatte, gilt die Lieferung schon mit dem Beginn der Beförderung/Versendung in den Niederlanden als ausgeführt. N hat in den Niederlanden eine steuerbare, aber steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung zu erfassen; D muss in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb der Besteuerung unterwerfen.
Wie lange ist kurzzeitig?
Keine Festlegung enthält das BMF-Schreiben, wie lange „kurzzeitig“ sein kann. Es wird lediglich festgestellt, dass dies einige Tage oder Wochen sein können. In dem vom BFH entschiedenen Fall waren es wohl max. 12 Wochen, sodass dies als grobe Richtschnur herangezogen werden kann.
Unklarheit über Abnahme oder Abnehmer
Steht der Abnehmer aber bei Beginn der Beförderung oder Versendung noch nicht fest oder liegt keine tatsächliche Abnahmeverpflichtung eines bestimmten Abnehmers vor, kann die Lieferung zu diesem Zeitpunkt noch nicht als ausgeführt angesehen werden. In diesen Fällen ist ein innergemeinschaftliches Verbringen mit anschließender Lieferung durch den liefernden Unternehmer anzunehmen.
Wichtig: Eine nur wahrscheinliche Begründung einer Abnehmerstellung ohne tatsächliche Abnahmeverpflichtung reicht nicht aus, um schon mit dem Transport eine Lieferung an den Abnehmer anzunehmen.
Beispiel: Keine verbindliche Bestellung
Unternehmer N aus den Niederlanden transportiert Ware in ein beim Abnehmer (Unternehmer) D in Deutschland unterhaltenes Warenlager (Konsignationslager). D hat die Ware noch nicht verbindlich bei N bestellt, sondern behält sich auch vor, die Ware nicht abzunehmen. Soweit D die Ware abnimmt, besteht für ihn eine Zahlungsverpflichtung bei Entnahme der Ware.
Da D die Ware noch nicht verbindlich bei N bestellt hatte, muss N ein innergemeinschaftliches Verbringen der Besteuerung unterwerfen. Er hat in den Niederlanden eine steuerbare, aber steuerbefreite Lieferung im Rahmen des innergemeinschaftlichen Verbringens und muss in Deutschland einen steuerbaren und steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb der Besteuerung unterwerfen. Die Lieferung des N ist erst in Deutschland ausgeführt und damit im Inland steuerbar und steuerpflichtig. N muss sich zwingend in Deutschland umsatzsteuerrechtlich registrieren lassen, Erklärungen abgeben und USt abführen. D hat in Deutschland keinen innergemeinschaftlichen Erwerb, ist aber aus der Lieferung des N zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit die weiteren Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind.
Konsequenzen für die Praxis
Die Lieferung über ein Konsignationslager ist im harmonisierten Binnenmarkt ein erhebliches Problem, da es bisher keine unionsrechtlich abgesicherten Lösungen gab. Einige Mitgliedstaaten hatten deshalb nationale Sonderregelungen getroffen, die teilweise in Abhängigkeit von sog. Aufschubzeiten (Zeiten der durchschnittlichen Lagerdauer in einem solchen Konsignationslager) zu Vereinfachungen bei der Besteuerung führten. Auch Deutschland sieht jetzt bei einer nur kurzfristigen Lagerung in dem Konsignationslager eine Unterbrechung des Liefervorgangs, der einer Lieferung im Ausgangsmitgliedstaat nicht entgegensteht. Allerdings kann dies nur gelten, wenn der Abnehmer feststeht und sich auch verpflichtet hat, die Ware abzunehmen.
Steht der Abnehmer nicht fest (z. B. weil mehrere potenzielle Abnehmer auf die in einem Konsignationslager gelagerte Ware zugreifen können) oder hat der einzig mögliche Abnehmer die Gegenstände nicht verbindlich bestellt, kommt es zu der unionsrechtlich unbefriedigenden Lösung des vorgelagerten innergemeinschaftlichen Verbringens mit einer dann anschließenden ruhenden Lieferung des leistenden Unternehmers im Bestimmungsmitgliedstaat. Da dies zwingend die Veranlagung des liefernden Unternehmers im Bestimmungsmitgliedstaat voraussetzt, ist dies für den liefernden Unternehmer nicht nur mit viel Aufwand, sondern regelmäßig auch mit nicht unerheblichen Kosten verbunden.
Erleichterungen auf EU-Ebene geplant
Mittelfristig können sich an der Lösung noch Veränderungen ergeben. Die EU-Kommission plant (Ziel ist die Umsetzung zum 1.1.2019), einen sog. „zertifizierten Steuerpflichtigen“ einzuführen. Ein zertifizierter Steuerpflichtiger ist ein Unternehmer, der keine schwerwiegenden Steuer- oder Wirtschaftsstraftaten begangen hat, besondere Anforderungen an sein Waren- bzw. Buchhaltungssystem erfüllt und finanziell solide ist. Soweit diese Voraussetzungen bei Lieferer wie Erwerber erfüllt sind, sollen sich (auch) bei Lieferungen über ein Konsignationslager Vereinfachungen ergeben.
Anwendungsregelung
Die Grundsätze aus dem Schreiben der Finanzverwaltung sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Lieferungen, die vor dem 1.1.2019 ausgeführt werden, wird es von der Finanzverwaltung allerdings nicht beanstandet, wenn auch in den Fällen der sofortigen Lieferung an den Abnehmer von einem innergemeinschaftlichen Verbringen und einer anschließenden ruhenden Lieferung ausgegangen wird. In diesem Fall hat auch der Leistungsempfänger aus der Rechnung des liefernden Unternehmers den Vorsteuerabzug.
BMF, Schreiben v. 10.10.2017, III C 3 - S 7103-a/15/10001 und BMF, Schreiben v. 14.12.2017, III C 3 - S 7103-a/15/10001, veröffentlicht am 21.12.2017
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