Umsatzsteuer bei Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern
Grundsätze
Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der einzelnen Leistungsbeziehungen sind neben dem Inhalt des jeweiligen Vertrags auch außervertragliche Umstände zugrunde zu legen (BFH, Urteil v. 25.1.1996, V R 6/95, BFH/NV 1996 S. 583). Die Bezeichnung der Verträge als Miet-, Beherbergungs-, Belegungs- oder Rahmenverträge ist regelmäßig nicht ausschlaggebend.
Zunächst ist regelmäßig zu prüfen, ob die Räumlichkeiten an die öffentliche Hand i. S. d. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG vermietet werden oder ob nur ein Rahmenvertrag bzw. eine Belegungsvereinbarung geschlossen wird, infolge der die öffentliche Hand zwar eine langfristige Rechtsbeziehung mit dem Privatunternehmen eingeht, aber nicht wie ein Mieter/Besitzer über die Räumlichkeiten verfügen kann. In letzterem Fall regelt der Vertrag meist lediglich die Modalitäten einer möglichen Belegung der Unterkunft durch Flüchtlinge/Asylbewerber, stellt aber keine Vermietung oder Verpachtung i. S. d. §§ 535, 581 BGB dar (Abschn. 4.12.1 Abs. 1 Satz 2 UStAE). Die Unterbringung kann kurz- oder langfristig erfolgen. Von langfristigen Verträgen wird im Folgenden aus Vereinfachungsgründen bei einer Vertragsdauer von mehr als 6 Monaten gesprochen.
Unterbringung/Beherbergung in angemieteten Räumen
1. Langfristige Mietverträge
a) ausschließliche Wohnraumüberlassung
Grundsätzlich greift hier die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG. Die Möglichkeit zur Option gem. § 9 Abs. 1 UStG besteht regelmäßig nicht, da die Verwendung durch die öffentliche Hand als Flüchtlings-/Asylbewerberunterkünfte dem hoheitlichen (nichtunternehmerischen) Bereich zuzuordnen ist.
b) Wohnraumüberlassung mit Erbringung weiterer Dienstleistungen
Es ist zu prüfen, ob eventuelle zusätzlich erbrachte Dienstleistungen als Nebenleistungen zur Vermietungsleistung oder als eigenständige, gesondert zu beurteilende Leistungen (z. B. Mitvermietung von Einrichtungsgegenständen, Abschn. 4.12.1 Abs. 6 Satz 2 UStAE) anzusehen sind. Eine einfache Standardmöblierung (z. B. je Person 1 Bett, 1 Stuhl, 1 Schrank/Schrankfach, 1 Tisch je Zimmer, ggf. Gemeinschaftsküche) kann noch als Nebenleistung zur Vermietung angesehen werden. An die untergebrachten Personen erbrachte Verpflegungsleistungen unterliegen als eigenständige Leistung stets dem Regelsteuersatz.
In Fällen, in denen in nicht unerheblichem Umfang Dienstleistungen zusätzlich zur Vermietung erbracht werden (z. B. Einteilung der Zimmer, Bereitstellung der Einrichtungsgegenstände sowie der Wäsche, Verpflegung der Flüchtlinge, Waschdienst, Raumpflege, ggf. Sicherheitsdienst/Anwesenheitskontrolle), ist außerdem das Vorliegen eines Vertrags besonderer Art (Abschn. 4.12.6 UStAE) zu prüfen. Ein Vertrag besonderer Art, bei dem der gesamte Leistungsaustausch dem Regelsteuersatz unterliegt, ist gem. Abschn. 4.12.6 Abs. 1 Satz 1 UStAE anzunehmen, wenn die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks gegenüber anderen wesentlicheren Leistungen zurücktritt und das Vertragsverhältnis ein einheitliches, unteilbares Ganzes darstellt.
2. Kurzfristige Mietverträge (Beherbergungsverträge)
Werden Unterkünfte zur Beherbergung von Flüchtlingen und Asylbewerbern für eine Dauer von bis zu 6 Monaten an die öffentliche Hand vermietet, handelt es sich regelmäßig um eine ermäßigt zu besteuernde Beherbergungsleistung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG.
Eventuell erbrachte zusätzliche Dienstleistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, unterliegen dem Regelsteuersatz. Soweit diese zusätzlichen Dienstleistungen im pauschalen Entgelt enthalten sind, besteht ein Aufteilungsgebot. Die Grundsätze des Abschn. 12.16 UStAE sind zu beachten. An die untergebrachten Personen erbrachte Verpflegungsleistungen unterliegen regelmäßig dem Regelsteuersatz.
Sonderfall Rahmenverträge/Belegungsvereinbarungen
Anders als die oben aufgeführten Mietverhältnisse begründet ein Rahmenvertrag für sich genommen noch kein umsatzsteuerliches Leistungsverhältnis, sondern legt nur die einheitlichen Bedingungen für eine Vielzahl von noch abzuschließenden Einzelmietverhältnissen (zwischen Betreiber und KdöR) fest. Das jeweilige Einzelmietverhältnis wird erst begründet, wenn die unterzubringende Person durch Einweisung tatsächlich untergebracht wird. Der durch die jeweilige „Einweisung“ möglicherweise nur mündlich oder konkludent geschlossene Einzelmietvertrag unter den Bedingungen des schriftlichen Rahmenvertrags ist ein Vertrag zugunsten Dritter, nämlich der untergebrachten Person. Damit werden die Bestimmungen des Rahmenvertrags entscheidend für die Beurteilung der Einzelmietverträge. Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung richtet sich nach der späteren tatsächlichen Umsetzung der Vereinbarung.
1. Unterbringung im Bedarfsfall mit einer geplanten Dauer von bis zu 6 Monaten
Dies können z. B. Fälle einer nur zur vorübergehenden Unterbringung vorgesehenen Notunterkunft sein oder Fälle, in denen die Unterkunft aufgrund anderer Umstände nur kurzfristig beziehbar ist (z. B. saison- oder wetterbedingt oder wegen geplanter anderweitiger Nutzung).
Hier greift der ermäßigte Steuersatz für Beherbergungsleistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG. Eventuell erbrachte zusätzliche Dienstleistungen unterliegen entsprechend Abschnitt 12.16 UStAE dem Regelsteuersatz.
2. Unterbringung im Bedarfsfall mit einer geplanten Dauer von über 6 Monaten
Es gelten die oben dargestellten Grundsätze (grundsätzlich steuerfreie Vermietung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG; Prüfung Nebenleistungen und Vertrag besonderer Art).
Vorübergehende Unterbringung in Einrichtungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts, steuerbegünstigten Körperschaften und Vermietungsgenossenschaften sowie -vereinen
Zur vorübergehenden Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern in Zweckbetrieben steuerbegünstigter Körperschaften, in Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder in Wohnungen von Vermietungsgenossenschaften sowie -vereinen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG hat sich das BMF mit Schreiben vom 20.11.2014 geäußert. Insoweit wird hierauf verwiesen.
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