Neues BMF-Schreiben zur Abgeltungsteuer
Hierbei ging es insbesondere um die Auslegung des damals neu definierten § 20 EStG (Einkünfte aus Kapitalvermögen) und auch um die Vorschriften der §§ 43 ff. EStG (Kapitalertragsteuerabzug). Das Schreiben umfasste insgesamt 326 Randziffern. Im Vorfeld hierzu ergingen bereits mehrere Schreiben an die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft im Hinblick auf Fragen zum Steuerabzug.
Nachdem die letzte Fassung des „Anwendungsschreibens zur Abgeltungsteuer“ am 9.10.2012 veröffentlicht wurde, sind einzelne Aussagen aufgrund von Gesetzesänderungen und Gerichtsentscheidungen überarbeitet worden (BMF v. 31.7.2013, v. 12.9.2013 und v. 3.1.2014). Mit Schreiben vom 9.12.2014 hat das BMF wiederum einige Aussagen dieses Anwendungsschreibens angepasst. Es handelt sich im Wesentlichen um folgende Punkte:
Umschuldungsmaßnahmen
Die Rz. 64-67 des Schreibens befassen sich mit dem Tausch von Wertpapieren. Die neu eingefügte Rz. 66a ergänzt diese Ausführungen dahingehend, dass bei Umschuldungsmaßnahmen auf Veranlassung des Schuldners/Emittenten als Veräußerungserlös der hingegebenen Wertpapiere und als Anschaffungskosten der erhaltenen Wertpapiere der Börsenkurs der erhaltenen Wertpapiere anzusetzen ist.
Hintergrund dieser Aussage dürfte die Umschuldung von Griechenland-Anleihen im Jahr 2012 sein. Auch hierzu hatte die Finanzverwaltung entsprechend den o.g. Ausführungen Stellung genommen (BMF v. 9.3.2012).
Ausländische Kapitalmaßnahmen
Die Rz. 111 des Schreibens setzt sich mit dem Bezug von Bonusaktien und der Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG auseinander. Nach dieser Norm werden bei Aktien, die der Aktionär ohne eine Gegenleistung erhält, der Ertrag und die Anschaffungskosten dieser Anteile mit 0 Euro angesetzt, wenn es sich nicht um Bezugsrechte handelt und die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist. Hieraus folgt dann, dass bei Veräußerung dieser Aktien der gesamte Veräußerungspreis steuerpflichtig ist.
Die Verwaltung regelte hierzu bisher, dass die Norm anzuwenden ist, wenn die Aktien nicht aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (Bonusaktien oder Freianteile) stammen und die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist. Von dieser Vermutung soll bei ausländischen Sachverhalten bisher in der Regel ausgegangen werden. Lediglich wenn dem Anleger nach ausländischem Recht (z. B. Niederlande) ein Wahlrecht zwischen Dividende und Freianteilen zusteht, muss ein Kapitalertrag angenommen werden.
§ 20 Abs. 4a Satz 5 EStG gilt auch beim Kapitalertragsteuerabzug. D. h. die Institute müssen sofort entscheiden, ob Kapitalertragsteuer einzubehalten ist oder nicht. Die Einbuchung neuer Aktien führt daher derzeit in der Praxis immer wieder zu Abgrenzungsfragen:
- Liegt eine steuerpflichtige Sachdividende vor? Folgen: Kapitalertrag in Höhe des Kurswertes, Anschaffungskosten der Aktien in Höhe des Kurswertes, keine Steuerfreiheit bei Erwerb der ursprünglichen Aktien vor 2009
- Liegt ein steuerneutraler Aktiensplit vor? Folgen: ursprüngliche Anschaffungskosten werden auf die neue Stückzahl aufgeteilt, kein Kapitalertrag, Bestandsschutz bleibt erhalten
- Liegt eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vor und findet § 7 KapErhStG Anwendung? Folgen: wie beim Aktiensplit
Diese Fragen sind sowohl beim Steuerabzug als auch im Veranlagungsverfahren zu klären.
Mit der neu formulierten Textpassage soll diese Problematik zumindest für den Kapitalertragsteuerabzug entschärft werden: Zukünftig sollen die neuen Aktien immer dann mit dem Wert „0“ angesetzt werden, wenn nach ausländischem Recht kein Wahlrecht zwischen Dividende und Freianteilen besteht.
Die Kreditwirtschaft wird diese Regelung zukünftig anwenden. Da die „neuen Aktien ohne Gegenleistung“ beim Steuerabzug zukünftig nahezu immer mit „0“ eingebucht werden, ist keine Sachdividende zu versteuern und es wird keine Kapitalertragsteuer einbehalten. Daher verschieben sich die Abgrenzungsprobleme
- Sachdividende,
- steuerneutraler Vorgang,
- Bestandsschutz bzw.
- Höhe der Anschaffungskosten
auf den Veräußerungszeitpunkt bzw. das Veranlagungsverfahren.
Nahe stehende Personen und Abgeltungsteuer
Obwohl grundsätzlich alle Kapitalerträge der 25 %-igen Abgeltungsteuer unterliegen sollen, hat der Gesetzgeber Erträge aus partiarischen Darlehen, stillen Beteiligungen und sonstige Kapitalforderungen hiervon ausgenommen, wenn die Vertragspartner einander nahe stehende Personen sind (§ 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG).
Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung gehörten Angehörige i. S. d. § 15 AO zu den nahe stehenden Personen i. S. d. Gesetzestextes. In mehreren Entscheidungen (BFH, Urteile v. 29.4.2014, VIII R 9/13, VIII R 44/13, VIII R 35/13, und v. 14.5.2014, VIII R 31/11) widersprach der BFH der Auslegung der Finanzverwaltung und schränkte den Begriff der nahe stehenden Person auf den in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/4841, S. 61) genannten Personenkreis ein.
Danach soll ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn
- die Person auf den Steuerpflichtigen (oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person) oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
- die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahe stehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder
- einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.
Mit der überarbeiteten Rz. 136 des Schreibens gibt die Finanzverwaltung ihre bisherige Position auf und wendet die Rechtsprechung uneingeschränkt an. Von einem solchen Beherrschungsverhältnis ist nur noch dann auszugehen, wenn der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt.
Damit ist bei Darlehensverhältnissen zwischen Angehörigen generell der Abgeltungsteuersatz anzuwenden. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um Darlehen zwischen Ehegatten handelt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Darlehensvereinbarungen einem Fremdvergleich standhalten (vgl. hierzu insbesondere BMF, Schreiben v. 23.12.2010, IV C 6 – S 2144/07/10004, BStBl 2011 I S. 37, Rz. 4–7).
Abgeltungsteuer und Einkommensteuerveranlagung
Grundsätzlich hat der Kapitalertragsteuerabzug abgeltenden Wirkung (§ 43 Abs. 5 EStG). Hierbei sehen § 32d Abs. 4 EStG einen Veranlagungsantrag zum Abgeltungsteuersatz und § 32d Abs. 6 EStG den Antrag auf Günstigerprüfung vor.
Umstritten ist hierbei, wie lange diese Anträge gestellt werden dürfen. Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung ist dies bis zur Unanfechtbarkeit möglich. Hierzu sind die Rz. 145 und 149 des Schreibens dergestalt ergänzt worden, dass die Anträge solange gestellt werden können, wie eine Änderung der Bescheide nach steuerlichen Vorschriften ist Betracht kommt.
Härteausgleich und Günstigerprüfung
Ab 2014 wird der Härteausgleich im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nicht mehr auf Kapitaleinkünfte gewährt. Diese Änderungen in den §§ 46, 52 Abs. 1 EStG sowie in § 84 Abs. 3g EStDV erfolgten mit dem „Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ mit der Begründung, dass die Einbeziehung des Härteausgleichs dem Zweck der Abgeltungsteuer widerspricht.
Die Rz. 150 des BMF-Schreibens wurde entsprechend angepasst.
Kapitalertragsteuerabzug nach Verwaltungsanweisungen
Der BFH hat in seinem Urteil vom 12.12.2012 (I R 27/12, BStBl 2013 II S. 682) entschieden, dass Veräußerungsgewinne aus obligationsähnlichen Genussrechten, die vor dem 1.1.2009 erworben wurden, nicht der Abgeltungsteuer unterliegen. Gleichzeitig führte das Gericht aus, dass die Kreditinstitute bei dieser Fallgestaltung das gegenteilig formulierte BMF -Schreiben nicht hätten anwenden sollen.
In der Rz. 151 des neuen Schreibens führt das BMF im Hinblick auf die Gesetzesbegründung aus, dass Kreditinstitute beim Steuerabzug als Organe der Steuererhebung die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu befolgen haben. Im Ergebnis ist diese Verwaltungsmeinung nicht neu. Bereits begleitend mit der Veröffentlichung des BFH-Urteils hat das BMF diese Auffassung vertreten (BMF, Schreiben v. 12 .9.2013, IV C 1 - S 2252/07/0002 :010, BStBl 2013 I S. 1167).
Hinweis: Diese Aussage sollte nach den Ausführungen des Bundesrats mit dem Ende 2014 verabschiedeten „Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ gesetzlich fixiert werden. Allerdings wurde der Vorschlag im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht vom Bundestag aufgenommen.
NV-Bescheinigung und Verluste bzw. Quellensteuern
Die Rz. 227 des BMF-Schreibens setzt sich mit der Verlustverrechnung und den ausländischen Quellensteuern auf Ebene der Bank auseinander, wenn der Anleger eine NV-Bescheinigung vorgelegt hat. Hier wird neu geregelt, dass zwingend ein „fiktiver“ Verlustverrechnungstopf zu führen ist bzw. die Quellensteuer jährlich zu bescheinigen ist. Bisher bestand ein Wahlrecht der Bank. Diese Verpflichtung gilt erst ab dem Jahr 2016.
Weiterhin wird ausgeführt, dass der „fiktive“ Verlusttopf nach Auslaufen der Bescheinigung nicht bei der Bank mit steuerpflichtigen Erträgen verrechnet werden kann. Dies geschieht nur in der Veranlagung.
Bezugsrechte und Aktienveräußerungsverluste
Aktienveräußerungsverluste dürfen nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG nur mit Aktienveräußerungsgewinnen verrechnet werden. In der Rz. 228 wird klargestellt, dass Bezugsrechte auf Aktien nicht unter diese Verrechnungsregelung fallen.
Nachträgliche Werbungskosten
Der BFH hat bestätigt, dass das generelle Werbungskostenabzugsverbot unter Anwendung des Sparer-Pauschbetrags (801 EUR) mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BFH, Urteil v. 1.7.2014, VIII R 53/12). Die Verfassungsmäßigkeit wird insbesondere wie folgt begründet:
- Bei der überwiegenden Zahl der Kleinanleger liegen die Werbungskosten im Kalenderjahr i. d. R. nicht über 801 EUR.
- Bei der kleinen Gruppe der Spitzeninvestoren sind die Auswirkungen des Abzugsverbots für Werbungskosten durch die Senkung des Steuertarifs von bisher bis zu 45 % auf nunmehr 25 % hinreichend ausgeglichen.
Gleichzeitig bestätigten die Richter die Verwaltungsauffassung in Rz. 322 des BMF-Schreibens, wonach der Abzug der Kosten auch dann ausgeschlossen ist, wenn diese mit Einnahmen zusammenhängen, die vor 2009 zugeflossen sind. Im Streitfall ging es um nachträgliche Schuldzinsen, welche nach Veräußerung einer Beteiligung i. S. d. § 17 EStG anfielen.
In der Rz. 322 des aktuellen Schreibens wurde der Hinweis auf diese BFH-Entscheidung aufgenommen.
BMF, Schreiben v. 9.12.2014, IV C 1 - S 2252/08/10004 :015
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